Behauptung, im nämlichen Sinne verstanden, nicht zugleich wahr und nicht wahr sein könne.
So drücken ferner die Paare von Sätzen: Der Mars ist bewohnt; Der Mars ist nicht bewohnt, Alle Menschen sind vollkommen; Alle Menschen sind nicht vollkommen, je einen Widerspruch aus -- wenn auch vielleicht nicht in der oben als Ideal des reinen Widerspruchs hingestellten Weise -- und letzteres würden sie auch noch thun, wenn man statt der Worte "nicht bewohnt", "nicht vollkommen" bezüglich "unbewohnt", "unvollkommen" in ihnen setzte (wo dann für den letzten Satz auch "Kein Mensch ist voll- kommen" sich sagen lassen würde.)
Dagegen die beiden Sätze: Einige Menschen sind klug; Einige Menschen sind nicht klug drücken keinen Widerspruch aus, schon darum, weil hier das Subjekt der- selben dargestellt wird durch den mehrsinnigen, äquivoken Namen "Einige Menschen", unter dem im ersten Satze ganze andere Menschen verstanden werden, wie im zweiten.
Auf die erwähnte Form lassen auch die vorhergehenden Beispiele sich zurückführen, indem man dieselben zusammenhält mit den als selbstverständ- lich anzuerkennenden Sätzen: "Wenn dies stattfindet, so findet es statt" resp. "Ein kugelförmiger Körper ist kugelförmig".
Ob aber jene zwei Urteile über A und B wirklich und in allen Fällen das Wesen des Widerspruchs in dem darüber erklärten Sinne dar- stellen, dies zu entscheiden muss eingehenderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. (Vergl. § 15.)
Wollen wir vorsichtig verfahren, ganz sicher gehen, so müssen wir als das Vorbild, die "typische" Form des unmittelbaren Widerspruchs die Gegenüberstellung zweier Sätze nehmen, welche (wie in der That die vor- hin kursiv gedruckten) zum Subjekt einunddieselbe Behauptung haben, zum Prädikat aber bezüglich "wahr" und "nichtwahr" oder "gültig" und "un- gültig". Direkten Widerspruch erblicken wir zwischen irgend einer (als gültig hingestellten, mit der Versicherung ihrer Gültigkeit abgegebenen) Aussage (zwischen einer "Behauptung") und einer zweiten Aussage, welche die Ungültigkeit der ersten behauptet.
Bei versteckten Widersprüchen kann man verlangen, dass sie auf unmittelbare zurückgeführt werden, und zwar wie? -- Nun natürlich wiederum durch folgerichtiges Denken. So kämen wir denn zunächst zu dem Zirkel, für "folgerichtig" dasjenige Denken zu erklären, welches aus sich selbst und durch sich selbst nicht zu direkten Widersprüchen führt. Dasselbe dürfte also widersprechende Prämissen (als Über- zeugungen) nie zulassen und von (als Überzeugung) zugelassenen Prä- missen zu Widersprüchen nie führen. Nun kann man ja aber, ehe man diejenigen Folgerungen oder Denkhandlungen vollzieht, welche den unmittelbaren Widerspruch liefern würden, allemal ganz willkür- lich abspringen, und so erscheint die Erklärung als vollkommen nichts- sagend, solange ihr nicht die Voraussetzung mit zugrunde gelegt wird,
Einleitung.
Behauptung, im nämlichen Sinne verstanden, nicht zugleich wahr und nicht wahr sein könne.
So drücken ferner die Paare von Sätzen: Der Mars ist bewohnt; Der Mars ist nicht bewohnt, Alle Menschen sind vollkommen; Alle Menschen sind nicht vollkommen, je einen Widerspruch aus — wenn auch vielleicht nicht in der oben als Ideal des reinen Widerspruchs hingestellten Weise — und letzteres würden sie auch noch thun, wenn man statt der Worte „nicht bewohnt“, „nicht vollkommen“ bezüglich „unbewohnt“, „unvollkommen“ in ihnen setzte (wo dann für den letzten Satz auch „Kein Mensch ist voll- kommen“ sich sagen lassen würde.)
Dagegen die beiden Sätze: Einige Menschen sind klug; Einige Menschen sind nicht klug drücken keinen Widerspruch aus, schon darum, weil hier das Subjekt der- selben dargestellt wird durch den mehrsinnigen, äquivoken Namen „Einige Menschen“, unter dem im ersten Satze ganze andere Menschen verstanden werden, wie im zweiten.
Auf die erwähnte Form lassen auch die vorhergehenden Beispiele sich zurückführen, indem man dieselben zusammenhält mit den als selbstverständ- lich anzuerkennenden Sätzen: „Wenn dies stattfindet, so findet es statt“ resp. „Ein kugelförmiger Körper ist kugelförmig“.
Ob aber jene zwei Urteile über A und B wirklich und in allen Fällen das Wesen des Widerspruchs in dem darüber erklärten Sinne dar- stellen, dies zu entscheiden muss eingehenderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. (Vergl. § 15.)
Wollen wir vorsichtig verfahren, ganz sicher gehen, so müssen wir als das Vorbild, die „typische“ Form des unmittelbaren Widerspruchs die Gegenüberstellung zweier Sätze nehmen, welche (wie in der That die vor- hin kursiv gedruckten) zum Subjekt einunddieselbe Behauptung haben, zum Prädikat aber bezüglich „wahr“ und „nichtwahr“ oder „gültig“ und „un- gültig“. Direkten Widerspruch erblicken wir zwischen irgend einer (als gültig hingestellten, mit der Versicherung ihrer Gültigkeit abgegebenen) Aussage (zwischen einer „Behauptung“) und einer zweiten Aussage, welche die Ungültigkeit der ersten behauptet.
Bei versteckten Widersprüchen kann man verlangen, dass sie auf unmittelbare zurückgeführt werden, und zwar wie? — Nun natürlich wiederum durch folgerichtiges Denken. So kämen wir denn zunächst zu dem Zirkel, für „folgerichtig“ dasjenige Denken zu erklären, welches aus sich selbst und durch sich selbst nicht zu direkten Widersprüchen führt. Dasselbe dürfte also widersprechende Prämissen (als Über- zeugungen) nie zulassen und von (als Überzeugung) zugelassenen Prä- missen zu Widersprüchen nie führen. Nun kann man ja aber, ehe man diejenigen Folgerungen oder Denkhandlungen vollzieht, welche den unmittelbaren Widerspruch liefern würden, allemal ganz willkür- lich abspringen, und so erscheint die Erklärung als vollkommen nichts- sagend, solange ihr nicht die Voraussetzung mit zugrunde gelegt wird,
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Einleitung.
Behauptung, im nämlichen Sinne verstanden, nicht zugleich wahr und nicht
wahr sein könne.
So drücken ferner die Paare von Sätzen: Der Mars ist bewohnt; Der
Mars ist nicht bewohnt, Alle Menschen sind vollkommen; Alle Menschen
sind nicht vollkommen, je einen Widerspruch aus — wenn auch vielleicht
nicht in der oben als Ideal des reinen Widerspruchs hingestellten Weise
— und letzteres würden sie auch noch thun, wenn man statt der Worte
„nicht bewohnt“, „nicht vollkommen“ bezüglich „unbewohnt“, „unvollkommen“
in ihnen setzte (wo dann für den letzten Satz auch „Kein Mensch ist voll-
kommen“ sich sagen lassen würde.)
Dagegen die beiden Sätze:
Einige Menschen sind klug; Einige Menschen sind nicht klug
drücken keinen Widerspruch aus, schon darum, weil hier das Subjekt der-
selben dargestellt wird durch den mehrsinnigen, äquivoken Namen „Einige
Menschen“, unter dem im ersten Satze ganze andere Menschen verstanden
werden, wie im zweiten.
Auf die erwähnte Form lassen auch die vorhergehenden Beispiele sich
zurückführen, indem man dieselben zusammenhält mit den als selbstverständ-
lich anzuerkennenden Sätzen: „Wenn dies stattfindet, so findet es statt“
resp. „Ein kugelförmiger Körper ist kugelförmig“.
Ob aber jene zwei Urteile über A und B wirklich und in allen
Fällen das Wesen des Widerspruchs in dem darüber erklärten Sinne dar-
stellen, dies zu entscheiden muss eingehenderen Untersuchungen vorbehalten
bleiben. (Vergl. § 15.)
Wollen wir vorsichtig verfahren, ganz sicher gehen, so müssen wir
als das Vorbild, die „typische“ Form des unmittelbaren Widerspruchs die
Gegenüberstellung zweier Sätze nehmen, welche (wie in der That die vor-
hin kursiv gedruckten) zum Subjekt einunddieselbe Behauptung haben, zum
Prädikat aber bezüglich „wahr“ und „nichtwahr“ oder „gültig“ und „un-
gültig“. Direkten Widerspruch erblicken wir zwischen irgend einer (als
gültig hingestellten, mit der Versicherung ihrer Gültigkeit abgegebenen)
Aussage (zwischen einer „Behauptung“) und einer zweiten Aussage, welche
die Ungültigkeit der ersten behauptet.
Bei versteckten Widersprüchen kann man verlangen, dass sie auf
unmittelbare zurückgeführt werden, und zwar wie? — Nun natürlich
wiederum durch folgerichtiges Denken. So kämen wir denn zunächst
zu dem Zirkel, für „folgerichtig“ dasjenige Denken zu erklären, welches
aus sich selbst und durch sich selbst nicht zu direkten Widersprüchen
führt. Dasselbe dürfte also widersprechende Prämissen (als Über-
zeugungen) nie zulassen und von (als Überzeugung) zugelassenen Prä-
missen zu Widersprüchen nie führen. Nun kann man ja aber, ehe
man diejenigen Folgerungen oder Denkhandlungen vollzieht, welche
den unmittelbaren Widerspruch liefern würden, allemal ganz willkür-
lich abspringen, und so erscheint die Erklärung als vollkommen nichts-
sagend, solange ihr nicht die Voraussetzung mit zugrunde gelegt wird,
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/26>, abgerufen am 21.11.2024.
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