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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Vierte Vorlesung.

Z. B. die drei Sätze: "Einige Substanzen sind (in Wasser) löslich";
"Einige Substanzen sind (an der Luft) verbrennlich" und "Einige Sub-
stanzen sind (in der Hitze) verflüchtigend" sagen zusammen doch
weniger aus, als der eine Satz: "Einige Substanzen sind löslich, ver-
brennlich und flüchtig", mit welchem sie ja nach dem allgemeinen
Schema ganz gleichbedeutend sein müssten. In jenen drei Sätzen wird
nämlich nur gesagt, dass es Substanzen gibt, welche eine beliebige
der drei erwähnten Eigenschaften für sich (vielleicht nur getrennt
von den übrigen) besitzen. In diesem einen Satze dagegen wird kon-
statirt, dass es auch Substanzen gibt, die alle drei Eigenschaften auf
sich vereinigen (wie dies in der That manchmal, sogar bei Salzen, z. B.
beim salzsauren Anilin der Fall ist).

Ähnliches liesse sich bei den folgenden Aussagen durchsprechen:

"Gewisse Pflanzen sind Fleischfresser, Dicotylen und Bewohner tro-
pischer Moore". "Manche Menschen sind unklug und leichtsinnig". "Wenige
Menschen sind arm und zufrieden". "Viele sind unwissend und leichtgläubig".
Etc. "Zwei Mann wurden verwundet und gerieten in feindliche Gefangen-
schaft" heisst nicht: Zwei Mann wurden verwundet, und zwei Mann gerieten
in Gefangenschaft; vielmehr bezieht sich letzteres auf dieselben zwei Mann,
wie erstres, und weil eben der Name "zwei Mann" das Subjekt nur unzu-
länglich bezeichnet, reicht die Wiederholung des Namens nicht aus, es als
dasselbe zu kennzeichnen, und muss formell die Ausnahme Platz greifen.

Statt "Einige a sind b und c" zu sagen: "Einige a sind b oder (auch) c"
würde dem Inhalt der beiden Sätze: "Einige a sind b" und: "Einige a
sind c" zwar etwas näher kommen, sich aber auch nicht mit ihm decken.
Es wird nicht mehr nötig sein, hierauf zurückzukommen, nachdem diese
sog. "partikularen" Urteile im Zusammenhange behandelt sein werden.
Lassen wir auch dieselben bis dahin noch möglichst zurücktreten, so durfte
doch hier der Hinweis auf die Thatsache nicht unterbleiben, dass sie eine
Ausnahme für das linksseitige Schema begründen.

Und ein analoges Verhalten nehmen wir uns hier auch zur Richtschnur in
Bezug auf die später ebenfalls allgemein zu behandelnden verneinenden Urteile.

Ein "negatives" Urteil, wie: "Kein Mensch ist fehlerfrei und all-
wissend" behauptet wiederum weniger, als wie die beiden Sätze: "Kein
Mensch ist fehlerfrei" und "Kein Mensch ist allwissend" zusammen --
welche nur in den Satz: "Kein Mensch ist fehlerfrei oder allwissend"
ohne Änderung (Erweiterung oder Einschränkung) des Sinnes zusammen-
gezogen werden könnten.

n) Eine Ausnahme von unserm Schema rechterhand unter l) ist
formell zu statuiren in folgendem Falle: Wenn das Prädikat eine Be-
ziehung zwischen
den Individuen der Subjektklasse, oder auch zwischen
Unterklassen derselben, konstatirt, so darf a + b c nicht ohne weiteres
in a c und b c zerfällt werden (und analog bei mehr als zwei

Vierte Vorlesung.

Z. B. die drei Sätze: „Einige Substanzen sind (in Wasser) löslich“;
„Einige Substanzen sind (an der Luft) verbrennlich“ und „Einige Sub-
stanzen sind (in der Hitze) verflüchtigend“ sagen zusammen doch
weniger aus, als der eine Satz: „Einige Substanzen sind löslich, ver-
brennlich und flüchtig“, mit welchem sie ja nach dem allgemeinen
Schema ganz gleichbedeutend sein müssten. In jenen drei Sätzen wird
nämlich nur gesagt, dass es Substanzen gibt, welche eine beliebige
der drei erwähnten Eigenschaften für sich (vielleicht nur getrennt
von den übrigen) besitzen. In diesem einen Satze dagegen wird kon-
statirt, dass es auch Substanzen gibt, die alle drei Eigenschaften auf
sich vereinigen (wie dies in der That manchmal, sogar bei Salzen, z. B.
beim salzsauren Anilin der Fall ist).

Ähnliches liesse sich bei den folgenden Aussagen durchsprechen:

„Gewisse Pflanzen sind Fleischfresser, Dicotylen und Bewohner tro-
pischer Moore“. „Manche Menschen sind unklug und leichtsinnig“. „Wenige
Menschen sind arm und zufrieden“. „Viele sind unwissend und leichtgläubig“.
Etc. „Zwei Mann wurden verwundet und gerieten in feindliche Gefangen-
schaft“ heisst nicht: Zwei Mann wurden verwundet, und zwei Mann gerieten
in Gefangenschaft; vielmehr bezieht sich letzteres auf dieselben zwei Mann,
wie erstres, und weil eben der Name „zwei Mann“ das Subjekt nur unzu-
länglich bezeichnet, reicht die Wiederholung des Namens nicht aus, es als
dasselbe zu kennzeichnen, und muss formell die Ausnahme Platz greifen.

Statt „Einige a sind b und c“ zu sagen: „Einige a sind b oder (auch) c
würde dem Inhalt der beiden Sätze: „Einige a sind b“ und: „Einige a
sind c“ zwar etwas näher kommen, sich aber auch nicht mit ihm decken.
Es wird nicht mehr nötig sein, hierauf zurückzukommen, nachdem diese
sog. „partikularen“ Urteile im Zusammenhange behandelt sein werden.
Lassen wir auch dieselben bis dahin noch möglichst zurücktreten, so durfte
doch hier der Hinweis auf die Thatsache nicht unterbleiben, dass sie eine
Ausnahme für das linksseitige Schema begründen.

Und ein analoges Verhalten nehmen wir uns hier auch zur Richtschnur in
Bezug auf die später ebenfalls allgemein zu behandelnden verneinenden Urteile.

Ein „negatives“ Urteil, wie: „Kein Mensch ist fehlerfrei und all-
wissend“ behauptet wiederum weniger, als wie die beiden Sätze: „Kein
Mensch ist fehlerfrei“ und „Kein Mensch ist allwissend“ zusammen —
welche nur in den Satz: „Kein Mensch ist fehlerfrei oder allwissend“
ohne Änderung (Erweiterung oder Einschränkung) des Sinnes zusammen-
gezogen werden könnten.

ν) Eine Ausnahme von unserm Schema rechterhand unter λ) ist
formell zu statuiren in folgendem Falle: Wenn das Prädikat eine Be-
ziehung zwischen
den Individuen der Subjektklasse, oder auch zwischen
Unterklassen derselben, konstatirt, so darf a + bc nicht ohne weiteres
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[232/0252] Vierte Vorlesung. Z. B. die drei Sätze: „Einige Substanzen sind (in Wasser) löslich“; „Einige Substanzen sind (an der Luft) verbrennlich“ und „Einige Sub- stanzen sind (in der Hitze) verflüchtigend“ sagen zusammen doch weniger aus, als der eine Satz: „Einige Substanzen sind löslich, ver- brennlich und flüchtig“, mit welchem sie ja nach dem allgemeinen Schema ganz gleichbedeutend sein müssten. In jenen drei Sätzen wird nämlich nur gesagt, dass es Substanzen gibt, welche eine beliebige der drei erwähnten Eigenschaften für sich (vielleicht nur getrennt von den übrigen) besitzen. In diesem einen Satze dagegen wird kon- statirt, dass es auch Substanzen gibt, die alle drei Eigenschaften auf sich vereinigen (wie dies in der That manchmal, sogar bei Salzen, z. B. beim salzsauren Anilin der Fall ist). Ähnliches liesse sich bei den folgenden Aussagen durchsprechen: „Gewisse Pflanzen sind Fleischfresser, Dicotylen und Bewohner tro- pischer Moore“. „Manche Menschen sind unklug und leichtsinnig“. „Wenige Menschen sind arm und zufrieden“. „Viele sind unwissend und leichtgläubig“. Etc. „Zwei Mann wurden verwundet und gerieten in feindliche Gefangen- schaft“ heisst nicht: Zwei Mann wurden verwundet, und zwei Mann gerieten in Gefangenschaft; vielmehr bezieht sich letzteres auf dieselben zwei Mann, wie erstres, und weil eben der Name „zwei Mann“ das Subjekt nur unzu- länglich bezeichnet, reicht die Wiederholung des Namens nicht aus, es als dasselbe zu kennzeichnen, und muss formell die Ausnahme Platz greifen. Statt „Einige a sind b und c“ zu sagen: „Einige a sind b oder (auch) c“ würde dem Inhalt der beiden Sätze: „Einige a sind b“ und: „Einige a sind c“ zwar etwas näher kommen, sich aber auch nicht mit ihm decken. Es wird nicht mehr nötig sein, hierauf zurückzukommen, nachdem diese sog. „partikularen“ Urteile im Zusammenhange behandelt sein werden. Lassen wir auch dieselben bis dahin noch möglichst zurücktreten, so durfte doch hier der Hinweis auf die Thatsache nicht unterbleiben, dass sie eine Ausnahme für das linksseitige Schema begründen. Und ein analoges Verhalten nehmen wir uns hier auch zur Richtschnur in Bezug auf die später ebenfalls allgemein zu behandelnden verneinenden Urteile. Ein „negatives“ Urteil, wie: „Kein Mensch ist fehlerfrei und all- wissend“ behauptet wiederum weniger, als wie die beiden Sätze: „Kein Mensch ist fehlerfrei“ und „Kein Mensch ist allwissend“ zusammen — welche nur in den Satz: „Kein Mensch ist fehlerfrei oder allwissend“ ohne Änderung (Erweiterung oder Einschränkung) des Sinnes zusammen- gezogen werden könnten. ν) Eine Ausnahme von unserm Schema rechterhand unter λ) ist formell zu statuiren in folgendem Falle: Wenn das Prädikat eine Be- ziehung zwischen den Individuen der Subjektklasse, oder auch zwischen Unterklassen derselben, konstatirt, so darf a + b ⋹ c nicht ohne weiteres in a ⋹ c und b ⋹ c zerfällt werden (und analog bei mehr als zwei

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/252>, abgerufen am 22.11.2024.