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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Vierte Vorlesung.
stand, insbesondere alle Diejenigen, welche ausser ihm die -- neuerdings
von Prantl so genannte -- "mathematisirende Logik" kultiviren --
(Sitzungsberichte d. Kgl. Bairischen Akademie der Wissenschaften von 1886).

Durch Determination des Begriffes "Schaf" mittelst des Begriffs "weiss"
ergibt sich ihm 1 pag. 224 sq., gleichwie auch uns, der Begriff "weisses
Schaf", dessen Umfang die Klasse der weissen Schafe, d. i. der weissen
(Dinge) unter den Schafen.

Dagegen gelangt Herr Wundt, indem er den Begriff "Weiss" deter-
minirt, vermittelst des Begriffs "Schaf" zu dem Begriffe: "die Weisse des
Schafes" -- anstatt, wie wir, zu dem Begriffe "weisses Schaf" wie oben,
indem wir einfach unter den weissen Dingen die Schafe hervorheben. Für
Herrn Wundt ist also, wie er selbst betont, die Determination im allge-
meinen eine nicht kommutative Operation.

Meiner Meinung nach findet bei den Überlegungen, die Herrn Wundt
zu der angegebenen Ansicht führen, eine Vermengung statt zwischen Pro-
zessen, die sich auf den Umfang und solchen, die sich auf den Inhalt der
fraglichen Begriffe beziehen.

Hielten wir uns streng in dem Rahmen einer "Logik des Umfanges",
so konnten wir jedenfalls der Wundt'schen Auffassung nicht beipflichten.

Wir können es aber auch nicht, wenn wir uns streng in dem Rahmen
einer "Logik des Inhaltes" halten.

Bei den Umfängen oder Klassen lief die Determination hinaus auf
eine Sonderung, ein Hervorheben von der, den determinirenden Faktoren*)
gemeinsamen Unterklasse.

Nicht zu übersehen ist, dass aber bei den Inhalten oder Begriffen die
Determination wesentlich eine Knüpfung ist, auf eine Verbindung der ge-
gebnen Begriffe hinausläuft:

Wir erhalten den Begriff "weisses Schaf", indem wir mit den sämt-
lichen im Begriff Schaf bereits enthaltenen Merkmalen verbinden den Be-
griff "weiss", d. i. das Merkmal der weissen Farbe. Und dasselbe Ergeb-
niss erhalten wir notwendig auch, wenn wir mit dem Merkmal der weissen
Farbe verbinden die sämtlichen Merkmale des Begriffes Schaf.

Unter den letzteren ist -- wohlbemerkt -- das Merkmal der "Weisse"
oder weissen Farbe gar nicht enthalten: es gibt ja auch schwarze Schafe!
Und der Begriff Schaf soll doch nur die allen Schafen gemeinsamen Merk-
male enthalten, auch hätten wir nicht nötig, erst zu verbinden, was schon
verbunden gewesen wäre. Man kann also eventuell wohl reden von der
Weisse eines bestimmten Schafes, oder auch einer Gruppe von solchen,
nämlich von der "Weisse" der weissen Schafe. Dagegen ist -- bei der
allgemeinen Auffassung des Begriffes "Schaf" -- die "Weisse des Schafes"
überhaupt ein Unding, sie postulirt nämlich die "Weisse" auch für die
schwarzen Schafe.

*) Wundt bezeichnet
diese als "Determinator" und "Determinand", durch
welchen letzteren Namen jedoch unliebsame Gleichklänge mit dem längst ander-
weitig eingebürgerten Namen der "Determinanten" herbeigeführt würden. Eine
unterscheidende Benennung beider Faktoren erscheint auf unserm Standpunkt
unnötig.

Vierte Vorlesung.
stand, insbesondere alle Diejenigen, welche ausser ihm die — neuerdings
von Prantl so genannte — „mathematisirende Logik“ kultiviren —
(Sitzungsberichte d. Kgl. Bairischen Akademie der Wissenschaften von 1886).

Durch Determination des Begriffes „Schaf“ mittelst des Begriffs „weiss“
ergibt sich ihm 1 pag. 224 sq., gleichwie auch uns, der Begriff „weisses
Schaf“, dessen Umfang die Klasse der weissen Schafe, d. i. der weissen
(Dinge) unter den Schafen.

Dagegen gelangt Herr Wundt, indem er den Begriff „Weiss“ deter-
minirt, vermittelst des Begriffs „Schaf“ zu dem Begriffe: „die Weisse des
Schafes“ — anstatt, wie wir, zu dem Begriffe „weisses Schaf“ wie oben,
indem wir einfach unter den weissen Dingen die Schafe hervorheben. Für
Herrn Wundt ist also, wie er selbst betont, die Determination im allge-
meinen eine nicht kommutative Operation.

Meiner Meinung nach findet bei den Überlegungen, die Herrn Wundt
zu der angegebenen Ansicht führen, eine Vermengung statt zwischen Pro-
zessen, die sich auf den Umfang und solchen, die sich auf den Inhalt der
fraglichen Begriffe beziehen.

Hielten wir uns streng in dem Rahmen einer „Logik des Umfanges“,
so konnten wir jedenfalls der Wundt'schen Auffassung nicht beipflichten.

Wir können es aber auch nicht, wenn wir uns streng in dem Rahmen
einer „Logik des Inhaltes“ halten.

Bei den Umfängen oder Klassen lief die Determination hinaus auf
eine Sonderung, ein Hervorheben von der, den determinirenden Faktoren*)
gemeinsamen Unterklasse.

Nicht zu übersehen ist, dass aber bei den Inhalten oder Begriffen die
Determination wesentlich eine Knüpfung ist, auf eine Verbindung der ge-
gebnen Begriffe hinausläuft:

Wir erhalten den Begriff „weisses Schaf“, indem wir mit den sämt-
lichen im Begriff Schaf bereits enthaltenen Merkmalen verbinden den Be-
griff „weiss“, d. i. das Merkmal der weissen Farbe. Und dasselbe Ergeb-
niss erhalten wir notwendig auch, wenn wir mit dem Merkmal der weissen
Farbe verbinden die sämtlichen Merkmale des Begriffes Schaf.

Unter den letzteren ist — wohlbemerkt — das Merkmal der „Weisse“
oder weissen Farbe gar nicht enthalten: es gibt ja auch schwarze Schafe!
Und der Begriff Schaf soll doch nur die allen Schafen gemeinsamen Merk-
male enthalten, auch hätten wir nicht nötig, erst zu verbinden, was schon
verbunden gewesen wäre. Man kann also eventuell wohl reden von der
Weisse eines bestimmten Schafes, oder auch einer Gruppe von solchen,
nämlich von der „Weisse“ der weissen Schafe. Dagegen ist — bei der
allgemeinen Auffassung des Begriffes „Schaf“ — die „Weisse des Schafes“
überhaupt ein Unding, sie postulirt nämlich die „Weisse“ auch für die
schwarzen Schafe.

*) Wundt bezeichnet
diese als „Determinator“ und „Determinand“, durch
welchen letzteren Namen jedoch unliebsame Gleichklänge mit dem längst ander-
weitig eingebürgerten Namen der „Determinanten“ herbeigeführt würden. Eine
unterscheidende Benennung beider Faktoren erscheint auf unserm Standpunkt
unnötig.
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[224/0244] Vierte Vorlesung. stand, insbesondere alle Diejenigen, welche ausser ihm die — neuerdings von Prantl so genannte — „mathematisirende Logik“ kultiviren — (Sitzungsberichte d. Kgl. Bairischen Akademie der Wissenschaften von 1886). Durch Determination des Begriffes „Schaf“ mittelst des Begriffs „weiss“ ergibt sich ihm 1 pag. 224 sq., gleichwie auch uns, der Begriff „weisses Schaf“, dessen Umfang die Klasse der weissen Schafe, d. i. der weissen (Dinge) unter den Schafen. Dagegen gelangt Herr Wundt, indem er den Begriff „Weiss“ deter- minirt, vermittelst des Begriffs „Schaf“ zu dem Begriffe: „die Weisse des Schafes“ — anstatt, wie wir, zu dem Begriffe „weisses Schaf“ wie oben, indem wir einfach unter den weissen Dingen die Schafe hervorheben. Für Herrn Wundt ist also, wie er selbst betont, die Determination im allge- meinen eine nicht kommutative Operation. Meiner Meinung nach findet bei den Überlegungen, die Herrn Wundt zu der angegebenen Ansicht führen, eine Vermengung statt zwischen Pro- zessen, die sich auf den Umfang und solchen, die sich auf den Inhalt der fraglichen Begriffe beziehen. Hielten wir uns streng in dem Rahmen einer „Logik des Umfanges“, so konnten wir jedenfalls der Wundt'schen Auffassung nicht beipflichten. Wir können es aber auch nicht, wenn wir uns streng in dem Rahmen einer „Logik des Inhaltes“ halten. Bei den Umfängen oder Klassen lief die Determination hinaus auf eine Sonderung, ein Hervorheben von der, den determinirenden Faktoren *) gemeinsamen Unterklasse. Nicht zu übersehen ist, dass aber bei den Inhalten oder Begriffen die Determination wesentlich eine Knüpfung ist, auf eine Verbindung der ge- gebnen Begriffe hinausläuft: Wir erhalten den Begriff „weisses Schaf“, indem wir mit den sämt- lichen im Begriff Schaf bereits enthaltenen Merkmalen verbinden den Be- griff „weiss“, d. i. das Merkmal der weissen Farbe. Und dasselbe Ergeb- niss erhalten wir notwendig auch, wenn wir mit dem Merkmal der weissen Farbe verbinden die sämtlichen Merkmale des Begriffes Schaf. Unter den letzteren ist — wohlbemerkt — das Merkmal der „Weisse“ oder weissen Farbe gar nicht enthalten: es gibt ja auch schwarze Schafe! Und der Begriff Schaf soll doch nur die allen Schafen gemeinsamen Merk- male enthalten, auch hätten wir nicht nötig, erst zu verbinden, was schon verbunden gewesen wäre. Man kann also eventuell wohl reden von der Weisse eines bestimmten Schafes, oder auch einer Gruppe von solchen, nämlich von der „Weisse“ der weissen Schafe. Dagegen ist — bei der allgemeinen Auffassung des Begriffes „Schaf“ — die „Weisse des Schafes“ überhaupt ein Unding, sie postulirt nämlich die „Weisse“ auch für die schwarzen Schafe. *) Wundt bezeichnet diese als „Determinator“ und „Determinand“, durch welchen letzteren Namen jedoch unliebsame Gleichklänge mit dem längst ander- weitig eingebürgerten Namen der „Determinanten“ herbeigeführt würden. Eine unterscheidende Benennung beider Faktoren erscheint auf unserm Standpunkt unnötig.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/244>, abgerufen am 27.04.2024.