allen seinen Teilen, in einem Gebiet c enthalten ist, ohne zugleich zu wissen, dass auch der Teil a des Gebietes b in c enthalten ist.
Die Bemerkung also ist naheliegend, dass die Schlussfolgerung uns keine wesentlich neue Erkenntniss liefert, keine, die wir -- im Besitze der Prämissen befindlich -- nicht eigentlich schon besessen hätten.
Diese Bemerkung ist richtig und unbestritten: es findet durch deduktives Schliessen eigentlich keine Vermehrung des Erkenntniss- materials statt; die Deduktion gibt über nichts Aufschluss, was nicht in den Prämissen, auf die sie sich stützt, im Grunde schon enthalten wäre, und es kann der Syllogismus II als das einfachste Beispiel, als der Urtypus deduktiven Schliessens, als der er sich hinstellen lässt, gerade am allerbesten benutzt werden, um über das Wesen der de- duktiven Methode Klarheit zu verbreiten.
Eines aber, dem wir entgegentreten müssen, das ist die Versuchung (der auch manche Philosophen erlegen sind), auf diesen Umstand eine Geringschätzung der deduktiven Methode zu basiren.
Gleichwie es schwierig sein möchte*), Demjenigen, der eben erst das Alphabet erlernt, einen angemessenen Begriff beizubringen von der Grossartigkeit der Literatur, die ihm durch dasselbe erschlossen wird, so dürfte es auch schwer halten, einem Anfänger, welcher etwa noch keine einzige deduktive Disziplin beherrscht, eine zutreffende Vor- stellung beizubringen von der Kraft und dem Wert der deduktiven Methode. Ich würde mich einem solchen gegenüber eines Gleichnisses bedienen: Der Maschinenbauer muss auch das Eisen, aus dem er seine Maschinenteile herstellt, schon haben; es findet bei dem Bau der Maschine keine Vermehrung dieses Materials statt, vielmehr geht ein nicht unbeträchtlicher Teil desselben dabei unproduktiv verloren. Und ferner wird auch bei der Benutzung der fertig gestellten Maschine keine Arbeit durch dieselbe geschaffen, sondern nur ein bereits verfüg- barer Arbeitsvorrat -- abermals unter Verlusten -- in neue wertvollere Formen umgesetzt.
Analog dem ersten, wie auch dem zweiten Teil dieses Gleichnisses, hebt nun allerdings die deduktive Methode aus dem vorhandenen Material oder Vorrat von Erkenntnissen nur Einzelnes hervor, aber allerdings gerade dasjenige, was für bestimmte Erkenntnisszwecke von Wert ist, für die Fortführung der Untersuchung von Interesse erscheint. Sie begrenzt dieses Einzelne in bestimmte Formen und bringt es, von
*) Wenn ich mir gestatten darf, ein schon anderwärts von mir gebrauchtes Bild zu wiederholen.
§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.
allen seinen Teilen, in einem Gebiet c enthalten ist, ohne zugleich zu wissen, dass auch der Teil a des Gebietes b in c enthalten ist.
Die Bemerkung also ist naheliegend, dass die Schlussfolgerung uns keine wesentlich neue Erkenntniss liefert, keine, die wir — im Besitze der Prämissen befindlich — nicht eigentlich schon besessen hätten.
Diese Bemerkung ist richtig und unbestritten: es findet durch deduktives Schliessen eigentlich keine Vermehrung des Erkenntniss- materials statt; die Deduktion gibt über nichts Aufschluss, was nicht in den Prämissen, auf die sie sich stützt, im Grunde schon enthalten wäre, und es kann der Syllogismus II als das einfachste Beispiel, als der Urtypus deduktiven Schliessens, als der er sich hinstellen lässt, gerade am allerbesten benutzt werden, um über das Wesen der de- duktiven Methode Klarheit zu verbreiten.
Eines aber, dem wir entgegentreten müssen, das ist die Versuchung (der auch manche Philosophen erlegen sind), auf diesen Umstand eine Geringschätzung der deduktiven Methode zu basiren.
Gleichwie es schwierig sein möchte*), Demjenigen, der eben erst das Alphabet erlernt, einen angemessenen Begriff beizubringen von der Grossartigkeit der Literatur, die ihm durch dasselbe erschlossen wird, so dürfte es auch schwer halten, einem Anfänger, welcher etwa noch keine einzige deduktive Disziplin beherrscht, eine zutreffende Vor- stellung beizubringen von der Kraft und dem Wert der deduktiven Methode. Ich würde mich einem solchen gegenüber eines Gleichnisses bedienen: Der Maschinenbauer muss auch das Eisen, aus dem er seine Maschinenteile herstellt, schon haben; es findet bei dem Bau der Maschine keine Vermehrung dieses Materials statt, vielmehr geht ein nicht unbeträchtlicher Teil desselben dabei unproduktiv verloren. Und ferner wird auch bei der Benutzung der fertig gestellten Maschine keine Arbeit durch dieselbe geschaffen, sondern nur ein bereits verfüg- barer Arbeitsvorrat — abermals unter Verlusten — in neue wertvollere Formen umgesetzt.
Analog dem ersten, wie auch dem zweiten Teil dieses Gleichnisses, hebt nun allerdings die deduktive Methode aus dem vorhandenen Material oder Vorrat von Erkenntnissen nur Einzelnes hervor, aber allerdings gerade dasjenige, was für bestimmte Erkenntnisszwecke von Wert ist, für die Fortführung der Untersuchung von Interesse erscheint. Sie begrenzt dieses Einzelne in bestimmte Formen und bringt es, von
*) Wenn ich mir gestatten darf, ein schon anderwärts von mir gebrauchtes Bild zu wiederholen.
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§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.
allen seinen Teilen, in einem Gebiet c enthalten ist, ohne zugleich zu
wissen, dass auch der Teil a des Gebietes b in c enthalten ist.
Die Bemerkung also ist naheliegend, dass die Schlussfolgerung uns
keine wesentlich neue Erkenntniss liefert, keine, die wir — im Besitze
der Prämissen befindlich — nicht eigentlich schon besessen hätten.
Diese Bemerkung ist richtig und unbestritten: es findet durch
deduktives Schliessen eigentlich keine Vermehrung des Erkenntniss-
materials statt; die Deduktion gibt über nichts Aufschluss, was nicht
in den Prämissen, auf die sie sich stützt, im Grunde schon enthalten
wäre, und es kann der Syllogismus II als das einfachste Beispiel, als
der Urtypus deduktiven Schliessens, als der er sich hinstellen lässt,
gerade am allerbesten benutzt werden, um über das Wesen der de-
duktiven Methode Klarheit zu verbreiten.
Eines aber, dem wir entgegentreten müssen, das ist die Versuchung
(der auch manche Philosophen erlegen sind), auf diesen Umstand eine
Geringschätzung der deduktiven Methode zu basiren.
Gleichwie es schwierig sein möchte *), Demjenigen, der eben erst
das Alphabet erlernt, einen angemessenen Begriff beizubringen von der
Grossartigkeit der Literatur, die ihm durch dasselbe erschlossen wird,
so dürfte es auch schwer halten, einem Anfänger, welcher etwa noch
keine einzige deduktive Disziplin beherrscht, eine zutreffende Vor-
stellung beizubringen von der Kraft und dem Wert der deduktiven
Methode. Ich würde mich einem solchen gegenüber eines Gleichnisses
bedienen: Der Maschinenbauer muss auch das Eisen, aus dem er seine
Maschinenteile herstellt, schon haben; es findet bei dem Bau der
Maschine keine Vermehrung dieses Materials statt, vielmehr geht ein
nicht unbeträchtlicher Teil desselben dabei unproduktiv verloren. Und
ferner wird auch bei der Benutzung der fertig gestellten Maschine
keine Arbeit durch dieselbe geschaffen, sondern nur ein bereits verfüg-
barer Arbeitsvorrat — abermals unter Verlusten — in neue wertvollere
Formen umgesetzt.
Analog dem ersten, wie auch dem zweiten Teil dieses Gleichnisses,
hebt nun allerdings die deduktive Methode aus dem vorhandenen
Material oder Vorrat von Erkenntnissen nur Einzelnes hervor, aber
allerdings gerade dasjenige, was für bestimmte Erkenntnisszwecke von
Wert ist, für die Fortführung der Untersuchung von Interesse erscheint.
Sie begrenzt dieses Einzelne in bestimmte Formen und bringt es, von
*) Wenn ich mir gestatten darf, ein schon anderwärts von mir gebrauchtes
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/195>, abgerufen am 16.02.2025.
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