solchen sein. Gewohnheit (und Neigung, Disposition) ist etwas Gemein- sames, übereinstimmend Wirkendes in einer ganzen Klasse von Hand- lungen (die, sofern sie auch bei verschiedenen handelnden Personen verglichen werden, sogar unbegrenzt, eine offene Klasse sein mag und in Bezug auf den Einzelnen die gleiche Bezeichnung nur insofern nicht verdienen wird, als das Leben desselben eine unbegrenzte Menge von Handlungen überhaupt nicht in sich fassen kann); die Gewohn- heit ist immer von einem mehr oder weniger allgemeinen Charakter.
Eine Gewohnheit veranlasst uns, unter ähnlichen Umständen auch immer ähnlich zu handeln, d. h. unter Umständen, die einander in einer bestimmten Hinsicht gleichen, stets Handlungen zu vollziehen, die wiederum in bestimmter (vielleicht in einer ganz andern) Hinsicht einander gleichen. Die zeitliche Succession der übereinstimmenden Merkmale jener Umstände und dieser Handlungen, wenn aus einem physiologischen Grunde erfolgend (und zugleich vielleicht durch ein psychologisches Motiv verursacht), macht das Wesen der Gewohn- heit aus.
In den verschiedenen Fällen, in denen "dieselbe" Gewohnheit wirk- sam ist, werden darnach die "spezifischen Differenzen" zwischen den Gruppen jener Umstände sowol als auch zwischen diesen Handlungen nebensächlich, ohne Belang sein.
Gelingt es, die übereinstimmenden Merkmale (eventuell auch nur "wesentliche" von diesen Merkmalen) jener Umstände und dieser Hand- lungen in Zeichen darzustellen, bei denen jene spezifischen Differenzen unausgedrückt bleiben, offen gelassen werden -- m. a. W. vermögen wir nur den "Begriff" der Umstände, unter welchen gedachte Gewohn- heit wirkt, und den "Begriff" der Handlungen, die sie dann hervor- ruft, darzustellen, so werden wir ein Schema für die Gewohnheit er- halten: sooft Umstände (von den Merkmalen) A eintreten, thun wir B (vollziehen eine Handlung von den Merkmalen B).
Jede Gewohnheit muss so ein allgemeines Schema haben.
Als Umstände haben wir jetzt hauptsächlich Zustände des Bewusst- seins und zwar besonders Meinungen, als Handlungen ebenso vorzugs- weise Denkhandlungen, die Bildung neuer Meinungen im Auge.
Es wurde erkannt, dass solche Meinungen wesentlich selbst schon Gewohnheiten im Denken sind oder zu solchen werden.
k3) Aus solchen, den "Prämissen" p kann sich eine neue Denk- gewohnheit und Meinung entwickeln: die "Konklusion" c. (Vergleiche wieder Peirce l. c.)
Schröder, Algebra der Logik. 8
Einleitung.
solchen sein. Gewohnheit (und Neigung, Disposition) ist etwas Gemein- sames, übereinstimmend Wirkendes in einer ganzen Klasse von Hand- lungen (die, sofern sie auch bei verschiedenen handelnden Personen verglichen werden, sogar unbegrenzt, eine offene Klasse sein mag und in Bezug auf den Einzelnen die gleiche Bezeichnung nur insofern nicht verdienen wird, als das Leben desselben eine unbegrenzte Menge von Handlungen überhaupt nicht in sich fassen kann); die Gewohn- heit ist immer von einem mehr oder weniger allgemeinen Charakter.
Eine Gewohnheit veranlasst uns, unter ähnlichen Umständen auch immer ähnlich zu handeln, d. h. unter Umständen, die einander in einer bestimmten Hinsicht gleichen, stets Handlungen zu vollziehen, die wiederum in bestimmter (vielleicht in einer ganz andern) Hinsicht einander gleichen. Die zeitliche Succession der übereinstimmenden Merkmale jener Umstände und dieser Handlungen, wenn aus einem physiologischen Grunde erfolgend (und zugleich vielleicht durch ein psychologisches Motiv verursacht), macht das Wesen der Gewohn- heit aus.
In den verschiedenen Fällen, in denen „dieselbe“ Gewohnheit wirk- sam ist, werden darnach die „spezifischen Differenzen“ zwischen den Gruppen jener Umstände sowol als auch zwischen diesen Handlungen nebensächlich, ohne Belang sein.
Gelingt es, die übereinstimmenden Merkmale (eventuell auch nur „wesentliche“ von diesen Merkmalen) jener Umstände und dieser Hand- lungen in Zeichen darzustellen, bei denen jene spezifischen Differenzen unausgedrückt bleiben, offen gelassen werden — m. a. W. vermögen wir nur den „Begriff“ der Umstände, unter welchen gedachte Gewohn- heit wirkt, und den „Begriff“ der Handlungen, die sie dann hervor- ruft, darzustellen, so werden wir ein Schema für die Gewohnheit er- halten: sooft Umstände (von den Merkmalen) A eintreten, thun wir B (vollziehen eine Handlung von den Merkmalen B).
Jede Gewohnheit muss so ein allgemeines Schema haben.
Als Umstände haben wir jetzt hauptsächlich Zustände des Bewusst- seins und zwar besonders Meinungen, als Handlungen ebenso vorzugs- weise Denkhandlungen, die Bildung neuer Meinungen im Auge.
Es wurde erkannt, dass solche Meinungen wesentlich selbst schon Gewohnheiten im Denken sind oder zu solchen werden.
ϰ3) Aus solchen, den „Prämissen“ p kann sich eine neue Denk- gewohnheit und Meinung entwickeln: die „Konklusion“ c. (Vergleiche wieder Peirce l. c.)
Schröder, Algebra der Logik. 8
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Einleitung.
solchen sein. Gewohnheit (und Neigung, Disposition) ist etwas Gemein-
sames, übereinstimmend Wirkendes in einer ganzen Klasse von Hand-
lungen (die, sofern sie auch bei verschiedenen handelnden Personen
verglichen werden, sogar unbegrenzt, eine offene Klasse sein mag und
in Bezug auf den Einzelnen die gleiche Bezeichnung nur insofern
nicht verdienen wird, als das Leben desselben eine unbegrenzte Menge
von Handlungen überhaupt nicht in sich fassen kann); die Gewohn-
heit ist immer von einem mehr oder weniger allgemeinen Charakter.
Eine Gewohnheit veranlasst uns, unter ähnlichen Umständen auch
immer ähnlich zu handeln, d. h. unter Umständen, die einander in
einer bestimmten Hinsicht gleichen, stets Handlungen zu vollziehen, die
wiederum in bestimmter (vielleicht in einer ganz andern) Hinsicht
einander gleichen. Die zeitliche Succession der übereinstimmenden
Merkmale jener Umstände und dieser Handlungen, wenn aus einem
physiologischen Grunde erfolgend (und zugleich vielleicht durch ein
psychologisches Motiv verursacht), macht das Wesen der Gewohn-
heit aus.
In den verschiedenen Fällen, in denen „dieselbe“ Gewohnheit wirk-
sam ist, werden darnach die „spezifischen Differenzen“ zwischen den
Gruppen jener Umstände sowol als auch zwischen diesen Handlungen
nebensächlich, ohne Belang sein.
Gelingt es, die übereinstimmenden Merkmale (eventuell auch nur
„wesentliche“ von diesen Merkmalen) jener Umstände und dieser Hand-
lungen in Zeichen darzustellen, bei denen jene spezifischen Differenzen
unausgedrückt bleiben, offen gelassen werden — m. a. W. vermögen
wir nur den „Begriff“ der Umstände, unter welchen gedachte Gewohn-
heit wirkt, und den „Begriff“ der Handlungen, die sie dann hervor-
ruft, darzustellen, so werden wir ein Schema für die Gewohnheit er-
halten: sooft Umstände (von den Merkmalen) A eintreten, thun wir B
(vollziehen eine Handlung von den Merkmalen B).
Jede Gewohnheit muss so ein allgemeines Schema haben.
Als Umstände haben wir jetzt hauptsächlich Zustände des Bewusst-
seins und zwar besonders Meinungen, als Handlungen ebenso vorzugs-
weise Denkhandlungen, die Bildung neuer Meinungen im Auge.
Es wurde erkannt, dass solche Meinungen wesentlich selbst schon
Gewohnheiten im Denken sind oder zu solchen werden.
ϰ3) Aus solchen, den „Prämissen“ p kann sich eine neue Denk-
gewohnheit und Meinung entwickeln: die „Konklusion“ c. (Vergleiche
wieder Peirce l. c.)
Schröder, Algebra der Logik. 8
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/133>, abgerufen am 26.11.2024.
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