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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
Reiz zu beseitigen, ihren Charakter wieder und wieder verändern wird,
bis der Reiz beseitigt ist, und darnach erst wird diese Thätigkeit
aufhören.

Nun haben alle Lebensprozesse eine Tendenz und die Fähigkeit
durch Wiederholung (repetition) leichter zu werden -- innerhalb ge-
wisser Grenzen wenigstens, deren Überschreitung als Übermüdung,
Überanstrengung, beziehungsweise Altersabnahme und -schwäche zu
bezeichnen wäre. Längs was immer für einem Pfade eine nervöse
Entladung (a nervous discharge) einmal gegangen ist, längs ebendieses
Pfades wird eine neue der vorigen gleichartige Entladung um so
leichter und wahrscheinlicher wieder stattfinden. Es beruht auf dieser
allbekannten Thatsache der Nutzen und Erfolg der Übung.

Demgemäss wenn eine Nervenerregung wiederholt wird, so sind
alle die verschiedenen Thätigkeiten, welche bei vorhergegangenen ähn-
lichen Veranlassungen stattgefunden haben, in der günstigeren Lage,
auch jetzt wieder stattzufinden, und zwar werden diejenigen am ehesten
wieder eintreten, welche am häufigsten stattgefunden haben bei jenen
vorausgegangenen Veranlassungen. Nun mögen die verschiedenen
Handlungen, welche die Reizung nicht beseitigten, vorher manchmal
ausgeführt worden sein und manchmal nicht; aber diejenige That,
welche die Reizung beseitigt, muss am häufigsten ausgeführt worden
sein, weil die Einwirkung in der Regel fortgedauert haben wird bis
sie vollzogen wurde.*) Darum muss eine starke Gewöhnung daran,
der gegebenen Reizung auf diese besondre Weise zu begegnen, rasch
sich ausbilden.

Eine so erworbene Gewohnheit kann auch als eine Disposition, eine
Anlage zu ihrer Ebenfallserwerbung weiter vererbt werden -- sagt Peirce
ungefähr; dies dürfte jedoch als eine von der Physiologie noch nicht völlig
entschiedene Frage zu bezeichnen sein und wird bekanntlich solches von
einer Autorität wie die des Herrn Weismann entschiedenst bestritten.

e3) Zu unsern wichtigsten Gewohnheiten gehören diejenigen, kraft
deren gewisse Klassen von Antrieben oder Reizungen uns zuerst in
eine blos geistige, physiologisch betrachtet, blos cerebrale oder Hirn-
thätigkeit versetzen.

*) Es dürfte fraglich erscheinen, ob wirklich der angeführte Grund der aus-
schlaggebende ist, ob nicht vielmehr das Residuum, welches die vorangegangnen
Erlebnisse, in Gestalt der Erinnerung an die früher erfolgreich gewesene Thätig-
keit, im Geist und seinem Organe hinterlassen, dabei wesentlich mitwirkt (unter
der Konkurrenz einer Gewohnheit, als vergeblich Erkanntes nicht wieder zu
versuchen).

Einleitung.
Reiz zu beseitigen, ihren Charakter wieder und wieder verändern wird,
bis der Reiz beseitigt ist, und darnach erst wird diese Thätigkeit
aufhören.

Nun haben alle Lebensprozesse eine Tendenz und die Fähigkeit
durch Wiederholung (repetition) leichter zu werden — innerhalb ge-
wisser Grenzen wenigstens, deren Überschreitung als Übermüdung,
Überanstrengung, beziehungsweise Altersabnahme und -schwäche zu
bezeichnen wäre. Längs was immer für einem Pfade eine nervöse
Entladung (a nervous discharge) einmal gegangen ist, längs ebendieses
Pfades wird eine neue der vorigen gleichartige Entladung um so
leichter und wahrscheinlicher wieder stattfinden. Es beruht auf dieser
allbekannten Thatsache der Nutzen und Erfolg der Übung.

Demgemäss wenn eine Nervenerregung wiederholt wird, so sind
alle die verschiedenen Thätigkeiten, welche bei vorhergegangenen ähn-
lichen Veranlassungen stattgefunden haben, in der günstigeren Lage,
auch jetzt wieder stattzufinden, und zwar werden diejenigen am ehesten
wieder eintreten, welche am häufigsten stattgefunden haben bei jenen
vorausgegangenen Veranlassungen. Nun mögen die verschiedenen
Handlungen, welche die Reizung nicht beseitigten, vorher manchmal
ausgeführt worden sein und manchmal nicht; aber diejenige That,
welche die Reizung beseitigt, muss am häufigsten ausgeführt worden
sein, weil die Einwirkung in der Regel fortgedauert haben wird bis
sie vollzogen wurde.*) Darum muss eine starke Gewöhnung daran,
der gegebenen Reizung auf diese besondre Weise zu begegnen, rasch
sich ausbilden.

Eine so erworbene Gewohnheit kann auch als eine Disposition, eine
Anlage zu ihrer Ebenfallserwerbung weiter vererbt werden — sagt Peirce
ungefähr; dies dürfte jedoch als eine von der Physiologie noch nicht völlig
entschiedene Frage zu bezeichnen sein und wird bekanntlich solches von
einer Autorität wie die des Herrn Weismann entschiedenst bestritten.

η3) Zu unsern wichtigsten Gewohnheiten gehören diejenigen, kraft
deren gewisse Klassen von Antrieben oder Reizungen uns zuerst in
eine blos geistige, physiologisch betrachtet, blos cerebrale oder Hirn-
thätigkeit versetzen.

*) Es dürfte fraglich erscheinen, ob wirklich der angeführte Grund der aus-
schlaggebende ist, ob nicht vielmehr das Residuum, welches die vorangegangnen
Erlebnisse, in Gestalt der Erinnerung an die früher erfolgreich gewesene Thätig-
keit, im Geist und seinem Organe hinterlassen, dabei wesentlich mitwirkt (unter
der Konkurrenz einer Gewohnheit, als vergeblich Erkanntes nicht wieder zu
versuchen).
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[108/0128] Einleitung. Reiz zu beseitigen, ihren Charakter wieder und wieder verändern wird, bis der Reiz beseitigt ist, und darnach erst wird diese Thätigkeit aufhören. Nun haben alle Lebensprozesse eine Tendenz und die Fähigkeit durch Wiederholung (repetition) leichter zu werden — innerhalb ge- wisser Grenzen wenigstens, deren Überschreitung als Übermüdung, Überanstrengung, beziehungsweise Altersabnahme und -schwäche zu bezeichnen wäre. Längs was immer für einem Pfade eine nervöse Entladung (a nervous discharge) einmal gegangen ist, längs ebendieses Pfades wird eine neue der vorigen gleichartige Entladung um so leichter und wahrscheinlicher wieder stattfinden. Es beruht auf dieser allbekannten Thatsache der Nutzen und Erfolg der Übung. Demgemäss wenn eine Nervenerregung wiederholt wird, so sind alle die verschiedenen Thätigkeiten, welche bei vorhergegangenen ähn- lichen Veranlassungen stattgefunden haben, in der günstigeren Lage, auch jetzt wieder stattzufinden, und zwar werden diejenigen am ehesten wieder eintreten, welche am häufigsten stattgefunden haben bei jenen vorausgegangenen Veranlassungen. Nun mögen die verschiedenen Handlungen, welche die Reizung nicht beseitigten, vorher manchmal ausgeführt worden sein und manchmal nicht; aber diejenige That, welche die Reizung beseitigt, muss am häufigsten ausgeführt worden sein, weil die Einwirkung in der Regel fortgedauert haben wird bis sie vollzogen wurde. *) Darum muss eine starke Gewöhnung daran, der gegebenen Reizung auf diese besondre Weise zu begegnen, rasch sich ausbilden. Eine so erworbene Gewohnheit kann auch als eine Disposition, eine Anlage zu ihrer Ebenfallserwerbung weiter vererbt werden — sagt Peirce ungefähr; dies dürfte jedoch als eine von der Physiologie noch nicht völlig entschiedene Frage zu bezeichnen sein und wird bekanntlich solches von einer Autorität wie die des Herrn Weismann entschiedenst bestritten. η3) Zu unsern wichtigsten Gewohnheiten gehören diejenigen, kraft deren gewisse Klassen von Antrieben oder Reizungen uns zuerst in eine blos geistige, physiologisch betrachtet, blos cerebrale oder Hirn- thätigkeit versetzen. *) Es dürfte fraglich erscheinen, ob wirklich der angeführte Grund der aus- schlaggebende ist, ob nicht vielmehr das Residuum, welches die vorangegangnen Erlebnisse, in Gestalt der Erinnerung an die früher erfolgreich gewesene Thätig- keit, im Geist und seinem Organe hinterlassen, dabei wesentlich mitwirkt (unter der Konkurrenz einer Gewohnheit, als vergeblich Erkanntes nicht wieder zu versuchen).

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/128>, abgerufen am 26.11.2024.