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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
haupt nicht zu erkennen vermögen und die Wissenschaft würde aufgehoben
sein." Es folgt die in der That schlagende Anwendung auf die Logik.
Wer in ähnlicher Weise das abstrakte Verfahren der Logik von der Rea-
lität aus korrigiren will, "hebt durch dieses Verfahren nicht eine falsche
Logik zugunsten einer bessern, sondern die Möglichkeit einer methodisch
fortschreitenden logischen Erkenntniss der Denkgesetze selbst auf.""

Erst nach beendeter Untersuchung über das, was aus den Umfangs-
verhältnissen der Begriffe schon allein folgt, wird die wissenschaftliche
Theorie des Denkens auch andere Momente mit in Betracht ziehen dürfen.
Wer freilich sich an ein gerade vorliegendes Beispiel hält und solches ander-
weitige Wissen, den nicht auf Umfangsverhältnisse bezüglichen Gehalt des-
selben, mit hinzunimmt, kann wol ein volleres Resultat zu besitzen glauben
und auf den Logiker herabsehen, der sich mit dem dürftigen Schema des
Umfangsverhältnisses plage. Allein Der wird auch stets am Beispiel
hängen bleiben und sich ohne die Reflexion auf diese Verhältnisse, welche
durch das Abstrahiren von allem übrigen bedingt ist, niemals zur Er-
kenntniss des allgemeinen Denkgesetzes erheben (vergl. Ueberweg l. c.
mutatis mutandis).

So wird es auch Demjenigen, der ein Gemälde nach den Regeln der
Perspektive beurteilt, nicht zu verargen sein, wenn er die Abstufungen der
Farbentöne und die dem Bilde zugrunde liegende Idee des Künstlers dabei
ausser Acht lässt. Soll das Bild gut sein, so muss vor allem die "dürf-
tige" Zeichnung, die wieder übermalt wird, jenen Gesetzen genügen. (Vergl.
De Morgan5 p. 83.)

Wenn gar aber Lotze seine Logik mit dem Wunsche schliesst,
dass die deutsche Philosophie zu dem Versuche sich immer wieder
erheben werde "den Weltlauf zu verstehen und ihn nicht blos zu be-
rechnen
", so ist zu sagen: könnten wir ihn nur erst berechnen! dann
würden wir gewiss ihn auch "verstehen", soweit überhaupt ein Ver-
ständniss auf Erden erzielbar.

e3) Den Begriffen wird ihre Bildungsweise vorgeschrieben durch
das "Urteil". Durch das Urteil wird ausnahmslos einem Subjekte ein
Prädikat beigelegt, zugeschrieben oder aber abgesprochen.

Für die komplizirteren Fälle, in welchen das Urteil sich aus Teilsätzen
zusammensetzt, die durch Konjunktionen verbunden sind, behalten wir uns
vor, dies in der Theorie erst genauer darzulegen; in solchen ist das Sub-
jekt selbst ein Urteil, eine Aussage. In den einfacheren Fällen treten zu-
meist anderweitige Objekte des Denkens als Subjekt auf.

Dies Subjekt ist entweder ein Einzelding -- und als solches ohne-
hin ein Begriff -- oder es ist eine Klasse von Einzeldingen, und auch
diese erscheint gewöhnlich zusammengehalten und bestimmt durch das
Band eines ihre Individuen verknüpfenden Begriffes. Das Urteil be-
jaht
dann, oder verneint, das Prädikat von allen Individuen dieser Klasse
und damit zugleich von ihrem Begriffe.

Einleitung.
haupt nicht zu erkennen vermögen und die Wissenschaft würde aufgehoben
sein.« Es folgt die in der That schlagende Anwendung auf die Logik.
Wer in ähnlicher Weise das abstrakte Verfahren der Logik von der Rea-
lität aus korrigiren will, »hebt durch dieses Verfahren nicht eine falsche
Logik zugunsten einer bessern, sondern die Möglichkeit einer methodisch
fortschreitenden logischen Erkenntniss der Denkgesetze selbst auf.«“

Erst nach beendeter Untersuchung über das, was aus den Umfangs-
verhältnissen der Begriffe schon allein folgt, wird die wissenschaftliche
Theorie des Denkens auch andere Momente mit in Betracht ziehen dürfen.
Wer freilich sich an ein gerade vorliegendes Beispiel hält und solches ander-
weitige Wissen, den nicht auf Umfangsverhältnisse bezüglichen Gehalt des-
selben, mit hinzunimmt, kann wol ein volleres Resultat zu besitzen glauben
und auf den Logiker herabsehen, der sich mit dem dürftigen Schema des
Umfangsverhältnisses plage. Allein Der wird auch stets am Beispiel
hängen bleiben und sich ohne die Reflexion auf diese Verhältnisse, welche
durch das Abstrahiren von allem übrigen bedingt ist, niemals zur Er-
kenntniss des allgemeinen Denkgesetzes erheben (vergl. Ueberweg l. c.
mutatis mutandis).

So wird es auch Demjenigen, der ein Gemälde nach den Regeln der
Perspektive beurteilt, nicht zu verargen sein, wenn er die Abstufungen der
Farbentöne und die dem Bilde zugrunde liegende Idee des Künstlers dabei
ausser Acht lässt. Soll das Bild gut sein, so muss vor allem die „dürf-
tige“ Zeichnung, die wieder übermalt wird, jenen Gesetzen genügen. (Vergl.
De Morgan5 p. 83.)

Wenn gar aber Lotze seine Logik mit dem Wunsche schliesst,
dass die deutsche Philosophie zu dem Versuche sich immer wieder
erheben werde „den Weltlauf zu verstehen und ihn nicht blos zu be-
rechnen
“, so ist zu sagen: könnten wir ihn nur erst berechnen! dann
würden wir gewiss ihn auch „verstehen“, soweit überhaupt ein Ver-
ständniss auf Erden erzielbar.

ε3) Den Begriffen wird ihre Bildungsweise vorgeschrieben durch
das „Urteil“. Durch das Urteil wird ausnahmslos einem Subjekte ein
Prädikat beigelegt, zugeschrieben oder aber abgesprochen.

Für die komplizirteren Fälle, in welchen das Urteil sich aus Teilsätzen
zusammensetzt, die durch Konjunktionen verbunden sind, behalten wir uns
vor, dies in der Theorie erst genauer darzulegen; in solchen ist das Sub-
jekt selbst ein Urteil, eine Aussage. In den einfacheren Fällen treten zu-
meist anderweitige Objekte des Denkens als Subjekt auf.

Dies Subjekt ist entweder ein Einzelding — und als solches ohne-
hin ein Begriff — oder es ist eine Klasse von Einzeldingen, und auch
diese erscheint gewöhnlich zusammengehalten und bestimmt durch das
Band eines ihre Individuen verknüpfenden Begriffes. Das Urteil be-
jaht
dann, oder verneint, das Prädikat von allen Individuen dieser Klasse
und damit zugleich von ihrem Begriffe.

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[105/0125] Einleitung. haupt nicht zu erkennen vermögen und die Wissenschaft würde aufgehoben sein.« Es folgt die in der That schlagende Anwendung auf die Logik. Wer in ähnlicher Weise das abstrakte Verfahren der Logik von der Rea- lität aus korrigiren will, »hebt durch dieses Verfahren nicht eine falsche Logik zugunsten einer bessern, sondern die Möglichkeit einer methodisch fortschreitenden logischen Erkenntniss der Denkgesetze selbst auf.«“ Erst nach beendeter Untersuchung über das, was aus den Umfangs- verhältnissen der Begriffe schon allein folgt, wird die wissenschaftliche Theorie des Denkens auch andere Momente mit in Betracht ziehen dürfen. Wer freilich sich an ein gerade vorliegendes Beispiel hält und solches ander- weitige Wissen, den nicht auf Umfangsverhältnisse bezüglichen Gehalt des- selben, mit hinzunimmt, kann wol ein volleres Resultat zu besitzen glauben und auf den Logiker herabsehen, der sich mit dem dürftigen Schema des Umfangsverhältnisses plage. Allein Der wird auch stets am Beispiel hängen bleiben und sich ohne die Reflexion auf diese Verhältnisse, welche durch das Abstrahiren von allem übrigen bedingt ist, niemals zur Er- kenntniss des allgemeinen Denkgesetzes erheben (vergl. Ueberweg l. c. mutatis mutandis). So wird es auch Demjenigen, der ein Gemälde nach den Regeln der Perspektive beurteilt, nicht zu verargen sein, wenn er die Abstufungen der Farbentöne und die dem Bilde zugrunde liegende Idee des Künstlers dabei ausser Acht lässt. Soll das Bild gut sein, so muss vor allem die „dürf- tige“ Zeichnung, die wieder übermalt wird, jenen Gesetzen genügen. (Vergl. De Morgan5 p. 83.) Wenn gar aber Lotze seine Logik mit dem Wunsche schliesst, dass die deutsche Philosophie zu dem Versuche sich immer wieder erheben werde „den Weltlauf zu verstehen und ihn nicht blos zu be- rechnen“, so ist zu sagen: könnten wir ihn nur erst berechnen! dann würden wir gewiss ihn auch „verstehen“, soweit überhaupt ein Ver- ständniss auf Erden erzielbar. ε3) Den Begriffen wird ihre Bildungsweise vorgeschrieben durch das „Urteil“. Durch das Urteil wird ausnahmslos einem Subjekte ein Prädikat beigelegt, zugeschrieben oder aber abgesprochen. Für die komplizirteren Fälle, in welchen das Urteil sich aus Teilsätzen zusammensetzt, die durch Konjunktionen verbunden sind, behalten wir uns vor, dies in der Theorie erst genauer darzulegen; in solchen ist das Sub- jekt selbst ein Urteil, eine Aussage. In den einfacheren Fällen treten zu- meist anderweitige Objekte des Denkens als Subjekt auf. Dies Subjekt ist entweder ein Einzelding — und als solches ohne- hin ein Begriff — oder es ist eine Klasse von Einzeldingen, und auch diese erscheint gewöhnlich zusammengehalten und bestimmt durch das Band eines ihre Individuen verknüpfenden Begriffes. Das Urteil be- jaht dann, oder verneint, das Prädikat von allen Individuen dieser Klasse und damit zugleich von ihrem Begriffe.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/125>, abgerufen am 06.05.2024.