Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
Inhalt und Umfang -- in welcher Begriffe betrachtet werden können,
sind auch zwei Möglichkeiten denkbar, einen Begriff zu bestimmen.

Dies kann nämlich einerseits geschehen durch Angabe seines Um-
fanges -- sogenannte Einteilung, Divisio(n), resp. Partition*) des Be-
griffes, und andrerseits durch Angabe seines Inhaltes, das ist Begriffs-
erklärung, Definition
, auch Beschreibung.

So würden wir z. B. durch Aufzählung sämtlicher Planeten eine Um-
fangsangabe (Division, Partition) des Begriffes "Planet" vollziehen -- man
würde dazu erst im stande sein, wenn schon alle Planeten bekannt wären.
Ebenso aber thun wir dies auch dadurch, dass wir sagen, die Klasse der
Planeten zerfalle in die drei Unterklassen der inneren Planeten, der Erde
und der äusseren Planeten.

Die Umfangsangabe des grammatikalischen Begriffes "Satz" (sentence)
wird geleistet durch den Hinweis, dass der Satz entweder ein Fragesatz
(sentence interrogative) oder ein Ausrufungssatz (sentence ejaculative), oder
eine Wunschäusserung (sentence optative), oder eine Bitte (sentence roga-
tive), ein Befehl (sentence imperative) oder endlich eine Aussage (sentence
indicative, statement, lat. enunciatio -- ein Urteil, judgement, judicium) sein
wird, m. a. W. dass die genannten Gebilde zusammen alles das ausmachen,
was man einen "Satz" nennen kann.

Das Entsprechende leisten wir für den Begriff der "einfachen Farbe"
(im Gegensatz zur Mischfarbe), wenn wir sagen, sie sei entweder rot,
orange, gelb, grün, blau oder violet mit allen Abstufungen und Übergängen,
wie sie das Spektrum eines weissglühenden festen Körpers zeigt.

So mögen wir ferner den Umfang des Begriffs "Wirbeltier" kund geben
durch den Hinweis darauf, dass mit Einschluss des Amphioxus die Fische,
sowie die Reptilien, Vögel und Säugetiere zusammen die Wirbeltiere aus-
machen.

Der Ausspruch: "Die Affekte sind: Liebe, Hass, Freude, Kummer,
Hoffnung, Furcht, Humor (!) und Zorn" gibt eine Aufzählung (oder Ein-
teilung des Begriffs) der Affekte.

*) In Bezug auf den Namen "Partition" ist der Gebrauch unter den Logikern
ein schwankender. Viele wollen darunter nur die Angabe der "Teile" eines
Dinges verstanden wissen (z. B. bei der Orange die von Schale, Fleisch und Ker-
nen), wogegen Ueberweg1 pag. 106 auch die Angabe der "Merkmale (über-
haupt)", indess nur eines Einzeldinges -- vergl. nachher ps2) -- als "Partition"
hinstellt. Ich würde oben diese letztere Bezeichnung der gebräuchlicheren "Divi-
sion" vorziehen, in Anbetracht, dass mir für jene "Aufzählung der Teile" ein ein-
wörteriger Name überhaupt nicht Bedürfniss erscheint, dass ferner Ueberweg's
"Partition" (hier) als ein besondrer Fall der "Definition" hinzustellen ist, der eines
aparten von "Definition" verschiedenen Namens ebenfalls nicht bedarf, sodass zu-
nächst der Name "Partition" zu beliebiger Verwendung frei wird, in Anbetracht
endlich, dass wir uns genötigt sehen werden, den Namen "Division" (sowie das
Divisionszeichen) in einem von dem obigen gänzlich verschiedenen Sinne später-
hin zu gebrauchen, womit dann also eine Doppelsinnigkeit mehr in die Wissen-
schaft der Logik Eingang fände, die nach unserm Vorschlag vermieden wird.

Einleitung.
Inhalt und Umfang — in welcher Begriffe betrachtet werden können,
sind auch zwei Möglichkeiten denkbar, einen Begriff zu bestimmen.

Dies kann nämlich einerseits geschehen durch Angabe seines Um-
fanges — sogenannte Einteilung, Divisio(n), resp. Partition*) des Be-
griffes, und andrerseits durch Angabe seines Inhaltes, das ist Begriffs-
erklärung, Definition
, auch Beschreibung.

So würden wir z. B. durch Aufzählung sämtlicher Planeten eine Um-
fangsangabe (Division, Partition) des Begriffes „Planet“ vollziehen — man
würde dazu erst im stande sein, wenn schon alle Planeten bekannt wären.
Ebenso aber thun wir dies auch dadurch, dass wir sagen, die Klasse der
Planeten zerfalle in die drei Unterklassen der inneren Planeten, der Erde
und der äusseren Planeten.

Die Umfangsangabe des grammatikalischen Begriffes „Satz“ (sentence)
wird geleistet durch den Hinweis, dass der Satz entweder ein Fragesatz
(sentence interrogative) oder ein Ausrufungssatz (sentence ejaculative), oder
eine Wunschäusserung (sentence optative), oder eine Bitte (sentence roga-
tive), ein Befehl (sentence imperative) oder endlich eine Aussage (sentence
indicative, statement, lat. enunciatio — ein Urteil, judgement, judicium) sein
wird, m. a. W. dass die genannten Gebilde zusammen alles das ausmachen,
was man einen „Satz“ nennen kann.

Das Entsprechende leisten wir für den Begriff der „einfachen Farbe“
(im Gegensatz zur Mischfarbe), wenn wir sagen, sie sei entweder rot,
orange, gelb, grün, blau oder violet mit allen Abstufungen und Übergängen,
wie sie das Spektrum eines weissglühenden festen Körpers zeigt.

So mögen wir ferner den Umfang des Begriffs „Wirbeltier“ kund geben
durch den Hinweis darauf, dass mit Einschluss des Amphioxus die Fische,
sowie die Reptilien, Vögel und Säugetiere zusammen die Wirbeltiere aus-
machen.

Der Ausspruch: „Die Affekte sind: Liebe, Hass, Freude, Kummer,
Hoffnung, Furcht, Humor (!) und Zorn“ gibt eine Aufzählung (oder Ein-
teilung des Begriffs) der Affekte.

*) In Bezug auf den Namen „Partition“ ist der Gebrauch unter den Logikern
ein schwankender. Viele wollen darunter nur die Angabe der „Teile“ eines
Dinges verstanden wissen (z. B. bei der Orange die von Schale, Fleisch und Ker-
nen), wogegen Ueberweg1 pag. 106 auch die Angabe der „Merkmale (über-
haupt)“, indess nur eines Einzeldinges — vergl. nachher ψ2) — als „Partition“
hinstellt. Ich würde oben diese letztere Bezeichnung der gebräuchlicheren „Divi-
sion“ vorziehen, in Anbetracht, dass mir für jene „Aufzählung der Teile“ ein ein-
wörteriger Name überhaupt nicht Bedürfniss erscheint, dass ferner Ueberweg's
„Partition“ (hier) als ein besondrer Fall der „Definition“ hinzustellen ist, der eines
aparten von „Definition“ verschiedenen Namens ebenfalls nicht bedarf, sodass zu-
nächst der Name „Partition“ zu beliebiger Verwendung frei wird, in Anbetracht
endlich, dass wir uns genötigt sehen werden, den Namen „Division“ (sowie das
Divisionszeichen) in einem von dem obigen gänzlich verschiedenen Sinne später-
hin zu gebrauchen, womit dann also eine Doppelsinnigkeit mehr in die Wissen-
schaft der Logik Eingang fände, die nach unserm Vorschlag vermieden wird.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0104" n="84"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/>
Inhalt und Umfang &#x2014; in welcher Begriffe betrachtet werden können,<lb/>
sind auch zwei Möglichkeiten denkbar, einen Begriff zu bestimmen.</p><lb/>
          <p>Dies kann nämlich einerseits geschehen durch Angabe seines Um-<lb/>
fanges &#x2014; sogenannte <hi rendition="#i">Einteilung, Divisio</hi>(<hi rendition="#i">n</hi>), resp. <hi rendition="#i">Partition</hi><note place="foot" n="*)">In Bezug auf den Namen &#x201E;Partition&#x201C; ist der Gebrauch unter den Logikern<lb/>
ein schwankender. Viele wollen darunter nur die Angabe der &#x201E;Teile&#x201C; eines<lb/>
Dinges verstanden wissen (z. B. bei der Orange die von Schale, Fleisch und Ker-<lb/>
nen), wogegen <hi rendition="#g">Ueberweg</hi><hi rendition="#sup">1</hi> pag. 106 auch die Angabe der &#x201E;Merkmale (über-<lb/>
haupt)&#x201C;, indess nur eines Einzeldinges &#x2014; vergl. nachher <hi rendition="#i">&#x03C8;</hi><hi rendition="#sub">2</hi>) &#x2014; als &#x201E;Partition&#x201C;<lb/>
hinstellt. Ich würde oben diese letztere Bezeichnung der gebräuchlicheren &#x201E;Divi-<lb/>
sion&#x201C; vorziehen, in Anbetracht, dass mir für jene &#x201E;Aufzählung der Teile&#x201C; ein ein-<lb/>
wörteriger Name überhaupt nicht Bedürfniss erscheint, dass ferner <hi rendition="#g">Ueberweg</hi>'s<lb/>
&#x201E;Partition&#x201C; (hier) als ein besondrer Fall der &#x201E;Definition&#x201C; hinzustellen ist, der eines<lb/>
aparten von &#x201E;Definition&#x201C; verschiedenen Namens ebenfalls nicht bedarf, sodass zu-<lb/>
nächst der Name &#x201E;Partition&#x201C; zu beliebiger Verwendung frei wird, in Anbetracht<lb/>
endlich, dass wir uns genötigt sehen werden, den Namen &#x201E;Division&#x201C; (sowie das<lb/>
Divisionszeichen) in einem von dem obigen gänzlich verschiedenen Sinne später-<lb/>
hin zu gebrauchen, womit dann also eine Doppelsinnigkeit mehr in die Wissen-<lb/>
schaft der Logik Eingang fände, die nach unserm Vorschlag vermieden wird.</note> des Be-<lb/>
griffes, und andrerseits durch Angabe seines Inhaltes, das ist <hi rendition="#i">Begriffs-<lb/>
erklärung, Definition</hi>, auch <hi rendition="#i">Beschreibung</hi>.</p><lb/>
          <p>So würden wir z. B. durch Aufzählung sämtlicher Planeten eine Um-<lb/>
fangsangabe (Division, Partition) des Begriffes &#x201E;Planet&#x201C; vollziehen &#x2014; man<lb/>
würde dazu erst im stande sein, wenn schon alle Planeten bekannt wären.<lb/>
Ebenso aber thun wir dies auch dadurch, dass wir sagen, die Klasse der<lb/>
Planeten zerfalle in die drei Unterklassen der inneren Planeten, der Erde<lb/>
und der äusseren Planeten.</p><lb/>
          <p>Die Umfangsangabe des grammatikalischen Begriffes &#x201E;<hi rendition="#i">Satz</hi>&#x201C; (sentence)<lb/>
wird geleistet durch den Hinweis, dass der Satz entweder ein <hi rendition="#i">Fragesatz</hi><lb/>
(sentence interrogative) oder ein <hi rendition="#i">Ausrufungssatz</hi> (sentence ejaculative), oder<lb/>
eine <hi rendition="#i">Wunschäusserung</hi> (sentence optative), oder eine <hi rendition="#i">Bitte</hi> (sentence roga-<lb/>
tive), ein <hi rendition="#i">Befehl</hi> (sentence imperative) oder endlich eine <hi rendition="#i">Aussage</hi> (sentence<lb/>
indicative, statement, lat. enunciatio &#x2014; ein Urteil, judgement, judicium) sein<lb/>
wird, m. a. W. dass die genannten Gebilde zusammen alles das ausmachen,<lb/>
was man einen &#x201E;Satz&#x201C; nennen kann.</p><lb/>
          <p>Das Entsprechende leisten wir für den Begriff der &#x201E;einfachen Farbe&#x201C;<lb/>
(im Gegensatz zur Mischfarbe), wenn wir sagen, sie sei entweder rot,<lb/>
orange, gelb, grün, blau oder violet mit allen Abstufungen und Übergängen,<lb/>
wie sie das Spektrum eines weissglühenden festen Körpers zeigt.</p><lb/>
          <p>So mögen wir ferner den Umfang des Begriffs &#x201E;Wirbeltier&#x201C; kund geben<lb/>
durch den Hinweis darauf, dass mit Einschluss des Amphioxus die Fische,<lb/>
sowie die Reptilien, Vögel und Säugetiere zusammen die Wirbeltiere aus-<lb/>
machen.</p><lb/>
          <p>Der Ausspruch: &#x201E;Die Affekte sind: Liebe, Hass, Freude, Kummer,<lb/>
Hoffnung, Furcht, Humor (!) und Zorn&#x201C; gibt eine Aufzählung (oder Ein-<lb/>
teilung des Begriffs) der Affekte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[84/0104] Einleitung. Inhalt und Umfang — in welcher Begriffe betrachtet werden können, sind auch zwei Möglichkeiten denkbar, einen Begriff zu bestimmen. Dies kann nämlich einerseits geschehen durch Angabe seines Um- fanges — sogenannte Einteilung, Divisio(n), resp. Partition *) des Be- griffes, und andrerseits durch Angabe seines Inhaltes, das ist Begriffs- erklärung, Definition, auch Beschreibung. So würden wir z. B. durch Aufzählung sämtlicher Planeten eine Um- fangsangabe (Division, Partition) des Begriffes „Planet“ vollziehen — man würde dazu erst im stande sein, wenn schon alle Planeten bekannt wären. Ebenso aber thun wir dies auch dadurch, dass wir sagen, die Klasse der Planeten zerfalle in die drei Unterklassen der inneren Planeten, der Erde und der äusseren Planeten. Die Umfangsangabe des grammatikalischen Begriffes „Satz“ (sentence) wird geleistet durch den Hinweis, dass der Satz entweder ein Fragesatz (sentence interrogative) oder ein Ausrufungssatz (sentence ejaculative), oder eine Wunschäusserung (sentence optative), oder eine Bitte (sentence roga- tive), ein Befehl (sentence imperative) oder endlich eine Aussage (sentence indicative, statement, lat. enunciatio — ein Urteil, judgement, judicium) sein wird, m. a. W. dass die genannten Gebilde zusammen alles das ausmachen, was man einen „Satz“ nennen kann. Das Entsprechende leisten wir für den Begriff der „einfachen Farbe“ (im Gegensatz zur Mischfarbe), wenn wir sagen, sie sei entweder rot, orange, gelb, grün, blau oder violet mit allen Abstufungen und Übergängen, wie sie das Spektrum eines weissglühenden festen Körpers zeigt. So mögen wir ferner den Umfang des Begriffs „Wirbeltier“ kund geben durch den Hinweis darauf, dass mit Einschluss des Amphioxus die Fische, sowie die Reptilien, Vögel und Säugetiere zusammen die Wirbeltiere aus- machen. Der Ausspruch: „Die Affekte sind: Liebe, Hass, Freude, Kummer, Hoffnung, Furcht, Humor (!) und Zorn“ gibt eine Aufzählung (oder Ein- teilung des Begriffs) der Affekte. *) In Bezug auf den Namen „Partition“ ist der Gebrauch unter den Logikern ein schwankender. Viele wollen darunter nur die Angabe der „Teile“ eines Dinges verstanden wissen (z. B. bei der Orange die von Schale, Fleisch und Ker- nen), wogegen Ueberweg1 pag. 106 auch die Angabe der „Merkmale (über- haupt)“, indess nur eines Einzeldinges — vergl. nachher ψ2) — als „Partition“ hinstellt. Ich würde oben diese letztere Bezeichnung der gebräuchlicheren „Divi- sion“ vorziehen, in Anbetracht, dass mir für jene „Aufzählung der Teile“ ein ein- wörteriger Name überhaupt nicht Bedürfniss erscheint, dass ferner Ueberweg's „Partition“ (hier) als ein besondrer Fall der „Definition“ hinzustellen ist, der eines aparten von „Definition“ verschiedenen Namens ebenfalls nicht bedarf, sodass zu- nächst der Name „Partition“ zu beliebiger Verwendung frei wird, in Anbetracht endlich, dass wir uns genötigt sehen werden, den Namen „Division“ (sowie das Divisionszeichen) in einem von dem obigen gänzlich verschiedenen Sinne später- hin zu gebrauchen, womit dann also eine Doppelsinnigkeit mehr in die Wissen- schaft der Logik Eingang fände, die nach unserm Vorschlag vermieden wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/104
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/104>, abgerufen am 06.05.2024.