Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.widerte ich, und glücklich der, welcher ein Recht hat, Sie immer so zu sehen. -- Sie ging vom Fenster weg und bat mich, zu sitzen, während sie selbst in einiger Entfernung von mir stehen blieb. -- Wissen Sie, fing sie nach einer Weile an, daß mir heute Nacht von Ihnen geträumt hat? Wir machten wieder eine Reise mit einander, und zwar eine sehr weite, denn wir gingen sogar über See und fuhren durch Klippen und Stürme hin; aber am Ende war Alles gar still und freundlich, und wir kamen in ein schöneres Land, als ich mir je eines vorgestellt habe. -- Dieser Traum, erwiderte ich, könnte erfüllt werden; ja, ich hoffe gewiß, er wird es, und ich nehme ihn als eine gute Vorbedeutung an. Setzen Sie sich zu mir, liebes Gretchen! -- Sie that es. Ich möchte doch nicht, sagte sie, daß der Traum in Erfüllung ginge; denn ich bin gerne hier, wo ich Alles um mich habe, was mir lieb ist. -- Desto bester, mein Kind! Auch brauchen Sie Ihre Stelle nicht zu verlassen; die Reise, die Ihnen im Traume vorkam, ist -- die Lebensreise, und hier können Sie sie vollenden. Wollen Sie mich heirathen, liebes Gretchen? -- Ach Gott! rief sie, -- darauf war ich nicht gefaßt, mein theurer Herr! Sie wurde abwechselnd blaß und roth und sah mich mit scheuen, aber nicht untheilnehmenden Blicken an. Eine mächtige Empfindung schien ihr Inneres zu bewegen; sie wollte einige Mal sprechen, vermochte es aber nicht. Nach einer längeren Stille sagte ich: Ge- widerte ich, und glücklich der, welcher ein Recht hat, Sie immer so zu sehen. — Sie ging vom Fenster weg und bat mich, zu sitzen, während sie selbst in einiger Entfernung von mir stehen blieb. — Wissen Sie, fing sie nach einer Weile an, daß mir heute Nacht von Ihnen geträumt hat? Wir machten wieder eine Reise mit einander, und zwar eine sehr weite, denn wir gingen sogar über See und fuhren durch Klippen und Stürme hin; aber am Ende war Alles gar still und freundlich, und wir kamen in ein schöneres Land, als ich mir je eines vorgestellt habe. — Dieser Traum, erwiderte ich, könnte erfüllt werden; ja, ich hoffe gewiß, er wird es, und ich nehme ihn als eine gute Vorbedeutung an. Setzen Sie sich zu mir, liebes Gretchen! — Sie that es. Ich möchte doch nicht, sagte sie, daß der Traum in Erfüllung ginge; denn ich bin gerne hier, wo ich Alles um mich habe, was mir lieb ist. — Desto bester, mein Kind! Auch brauchen Sie Ihre Stelle nicht zu verlassen; die Reise, die Ihnen im Traume vorkam, ist — die Lebensreise, und hier können Sie sie vollenden. Wollen Sie mich heirathen, liebes Gretchen? — Ach Gott! rief sie, — darauf war ich nicht gefaßt, mein theurer Herr! Sie wurde abwechselnd blaß und roth und sah mich mit scheuen, aber nicht untheilnehmenden Blicken an. Eine mächtige Empfindung schien ihr Inneres zu bewegen; sie wollte einige Mal sprechen, vermochte es aber nicht. Nach einer längeren Stille sagte ich: Ge- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="17"> <p><pb facs="#f0084"/> widerte ich, und glücklich der, welcher ein Recht hat, Sie immer so zu sehen. — Sie ging vom Fenster weg und bat mich, zu sitzen, während sie selbst in einiger Entfernung von mir stehen blieb. — Wissen Sie, fing sie nach einer Weile an, daß mir heute Nacht von Ihnen geträumt hat? Wir machten wieder eine Reise mit einander, und zwar eine sehr weite, denn wir gingen sogar über See und fuhren durch Klippen und Stürme hin; aber am Ende war Alles gar still und freundlich, und wir kamen in ein schöneres Land, als ich mir je eines vorgestellt habe. — Dieser Traum, erwiderte ich, könnte erfüllt werden; ja, ich hoffe gewiß, er wird es, und ich nehme ihn als eine gute Vorbedeutung an. Setzen Sie sich zu mir, liebes Gretchen! — Sie that es. Ich möchte doch nicht, sagte sie, daß der Traum in Erfüllung ginge; denn ich bin gerne hier, wo ich Alles um mich habe, was mir lieb ist. — Desto bester, mein Kind! Auch brauchen Sie Ihre Stelle nicht zu verlassen; die Reise, die Ihnen im Traume vorkam, ist — die Lebensreise, und hier können Sie sie vollenden. Wollen Sie mich heirathen, liebes Gretchen? — Ach Gott! rief sie, — darauf war ich nicht gefaßt, mein theurer Herr!</p><lb/> <p>Sie wurde abwechselnd blaß und roth und sah mich mit scheuen, aber nicht untheilnehmenden Blicken an. Eine mächtige Empfindung schien ihr Inneres zu bewegen; sie wollte einige Mal sprechen, vermochte es aber nicht. Nach einer längeren Stille sagte ich: Ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
widerte ich, und glücklich der, welcher ein Recht hat, Sie immer so zu sehen. — Sie ging vom Fenster weg und bat mich, zu sitzen, während sie selbst in einiger Entfernung von mir stehen blieb. — Wissen Sie, fing sie nach einer Weile an, daß mir heute Nacht von Ihnen geträumt hat? Wir machten wieder eine Reise mit einander, und zwar eine sehr weite, denn wir gingen sogar über See und fuhren durch Klippen und Stürme hin; aber am Ende war Alles gar still und freundlich, und wir kamen in ein schöneres Land, als ich mir je eines vorgestellt habe. — Dieser Traum, erwiderte ich, könnte erfüllt werden; ja, ich hoffe gewiß, er wird es, und ich nehme ihn als eine gute Vorbedeutung an. Setzen Sie sich zu mir, liebes Gretchen! — Sie that es. Ich möchte doch nicht, sagte sie, daß der Traum in Erfüllung ginge; denn ich bin gerne hier, wo ich Alles um mich habe, was mir lieb ist. — Desto bester, mein Kind! Auch brauchen Sie Ihre Stelle nicht zu verlassen; die Reise, die Ihnen im Traume vorkam, ist — die Lebensreise, und hier können Sie sie vollenden. Wollen Sie mich heirathen, liebes Gretchen? — Ach Gott! rief sie, — darauf war ich nicht gefaßt, mein theurer Herr!
Sie wurde abwechselnd blaß und roth und sah mich mit scheuen, aber nicht untheilnehmenden Blicken an. Eine mächtige Empfindung schien ihr Inneres zu bewegen; sie wollte einige Mal sprechen, vermochte es aber nicht. Nach einer längeren Stille sagte ich: Ge-
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