Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mehr als jemals versichert zu fein. Max selbst war ja ein neues Band zwischen uns geworden; und so bestand mein Vertrauen in die beiden Lieblinge meines Herzens neu befestigt und völlig hergestellt. Der Mittag gehörte zu den frohesten, welche ich, in lieber, kleiner Gesellschaft, jemals zugebracht habe. Max war anfangs etwas still, nahm aber bald an meiner und Gretchens aufgeweckten Laune Theil. Ich schlug vor, daß wir gegen Abend auf das Kirchweihfest fahren, und daß Gretchen mit Max einen ländlichen Tanz machen solle. Nach Tische setzte sich Gretchen an das Klavier. In meiner humoristischen Stimmung fiel mir ein, meinem Vetter, der eben kein starker Violinspieler ist, zuzumuthen, sie bei einer Sonate zu accompagniren. Er that es nach einigem Widerstreben. Es ließen sich bald einige falsche Griffe und kratzende Töne vernehmen. Gretchen sah ein paar Mal gutmüthig verweisend auf Max zurück; als aber ich und er selbst darüber zu lachen anfingen, stimmte sie munter in unsere Lustigkeit ein und spielte unbekümmert fort, bis das drollige Concert unter allgemeinem Gelächter ein Ende nahm. -- Ich habe mich selbst zum Besten gegeben, fing Max nach einer Pause an, weil ich sah, daß meine Ungeschicklichkeit Sie wirklich belustigte; aber von heute an bitte ich, die Violine nicht mehr anrühren zu dürfen. -- Was fällt dir ein? sagte ich. -- Ich würde fürchten, fuhr er fort, Mamsell Gretchens seelenvolles Spiel mit jedem Striche zu verderben, ja ihr die Musik selbst zu verleiden, und schon mehr als jemals versichert zu fein. Max selbst war ja ein neues Band zwischen uns geworden; und so bestand mein Vertrauen in die beiden Lieblinge meines Herzens neu befestigt und völlig hergestellt. Der Mittag gehörte zu den frohesten, welche ich, in lieber, kleiner Gesellschaft, jemals zugebracht habe. Max war anfangs etwas still, nahm aber bald an meiner und Gretchens aufgeweckten Laune Theil. Ich schlug vor, daß wir gegen Abend auf das Kirchweihfest fahren, und daß Gretchen mit Max einen ländlichen Tanz machen solle. Nach Tische setzte sich Gretchen an das Klavier. In meiner humoristischen Stimmung fiel mir ein, meinem Vetter, der eben kein starker Violinspieler ist, zuzumuthen, sie bei einer Sonate zu accompagniren. Er that es nach einigem Widerstreben. Es ließen sich bald einige falsche Griffe und kratzende Töne vernehmen. Gretchen sah ein paar Mal gutmüthig verweisend auf Max zurück; als aber ich und er selbst darüber zu lachen anfingen, stimmte sie munter in unsere Lustigkeit ein und spielte unbekümmert fort, bis das drollige Concert unter allgemeinem Gelächter ein Ende nahm. — Ich habe mich selbst zum Besten gegeben, fing Max nach einer Pause an, weil ich sah, daß meine Ungeschicklichkeit Sie wirklich belustigte; aber von heute an bitte ich, die Violine nicht mehr anrühren zu dürfen. — Was fällt dir ein? sagte ich. — Ich würde fürchten, fuhr er fort, Mamsell Gretchens seelenvolles Spiel mit jedem Striche zu verderben, ja ihr die Musik selbst zu verleiden, und schon <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="14"> <p><pb facs="#f0068"/> mehr als jemals versichert zu fein. Max selbst war ja ein neues Band zwischen uns geworden; und so bestand mein Vertrauen in die beiden Lieblinge meines Herzens neu befestigt und völlig hergestellt.</p><lb/> <p>Der Mittag gehörte zu den frohesten, welche ich, in lieber, kleiner Gesellschaft, jemals zugebracht habe. Max war anfangs etwas still, nahm aber bald an meiner und Gretchens aufgeweckten Laune Theil. Ich schlug vor, daß wir gegen Abend auf das Kirchweihfest fahren, und daß Gretchen mit Max einen ländlichen Tanz machen solle. Nach Tische setzte sich Gretchen an das Klavier. In meiner humoristischen Stimmung fiel mir ein, meinem Vetter, der eben kein starker Violinspieler ist, zuzumuthen, sie bei einer Sonate zu accompagniren. Er that es nach einigem Widerstreben. Es ließen sich bald einige falsche Griffe und kratzende Töne vernehmen. Gretchen sah ein paar Mal gutmüthig verweisend auf Max zurück; als aber ich und er selbst darüber zu lachen anfingen, stimmte sie munter in unsere Lustigkeit ein und spielte unbekümmert fort, bis das drollige Concert unter allgemeinem Gelächter ein Ende nahm. — Ich habe mich selbst zum Besten gegeben, fing Max nach einer Pause an, weil ich sah, daß meine Ungeschicklichkeit Sie wirklich belustigte; aber von heute an bitte ich, die Violine nicht mehr anrühren zu dürfen. — Was fällt dir ein? sagte ich. — Ich würde fürchten, fuhr er fort, Mamsell Gretchens seelenvolles Spiel mit jedem Striche zu verderben, ja ihr die Musik selbst zu verleiden, und schon<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
mehr als jemals versichert zu fein. Max selbst war ja ein neues Band zwischen uns geworden; und so bestand mein Vertrauen in die beiden Lieblinge meines Herzens neu befestigt und völlig hergestellt.
Der Mittag gehörte zu den frohesten, welche ich, in lieber, kleiner Gesellschaft, jemals zugebracht habe. Max war anfangs etwas still, nahm aber bald an meiner und Gretchens aufgeweckten Laune Theil. Ich schlug vor, daß wir gegen Abend auf das Kirchweihfest fahren, und daß Gretchen mit Max einen ländlichen Tanz machen solle. Nach Tische setzte sich Gretchen an das Klavier. In meiner humoristischen Stimmung fiel mir ein, meinem Vetter, der eben kein starker Violinspieler ist, zuzumuthen, sie bei einer Sonate zu accompagniren. Er that es nach einigem Widerstreben. Es ließen sich bald einige falsche Griffe und kratzende Töne vernehmen. Gretchen sah ein paar Mal gutmüthig verweisend auf Max zurück; als aber ich und er selbst darüber zu lachen anfingen, stimmte sie munter in unsere Lustigkeit ein und spielte unbekümmert fort, bis das drollige Concert unter allgemeinem Gelächter ein Ende nahm. — Ich habe mich selbst zum Besten gegeben, fing Max nach einer Pause an, weil ich sah, daß meine Ungeschicklichkeit Sie wirklich belustigte; aber von heute an bitte ich, die Violine nicht mehr anrühren zu dürfen. — Was fällt dir ein? sagte ich. — Ich würde fürchten, fuhr er fort, Mamsell Gretchens seelenvolles Spiel mit jedem Striche zu verderben, ja ihr die Musik selbst zu verleiden, und schon
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Zitationshilfe: | Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/68>, abgerufen am 27.07.2024. |