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Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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können. -- Wir trennten uns nach einer ziemlich langen Unterhaltung, welche für mich mehr Interesse hatte, als mein Gesellschafter wußte oder vermuthen konnte.

Es war beinahe Abend, als ich nach Hause kam. Paul, der mir in der Thür begegnete, gab mir lächelnd ein Zeichen, daß ich ohne Geräusch in mein Zimmer treten möge. Ich that es, und sah Gretchen an meinem Schreibtische sitzen. Leise näherte ich mich und faßte sie sanft an den Schultern. Sie sah etwas erschreckt zurück, lächelte aber, als sie mich erkannte, so anmuthig zu mir empor, daß ich nicht umhin konnte, einen flüchtigen Kuß auf ihre Stirn zu drücken. Darf ich wissen, was Sie schreiben, liebes Kind? sagte ich. -- Sie reichte mir das Blatt hin. Es war ein Brief an den Gerichtshalter ihrer Heimath, der, wie ich erfuhr, zugleich ihr Vormund war, aber sich stets sehr wenig um sie bekümmert hatte. Der Brief betraf die Erbschaftssache ihrer Tante; er war zweckmäßig und mit einer sehr zierlichen Hand geschrieben. Sie könnte, bemerkte ich, Schreib- und Musikmeisterin sein, sobald sie wollte. -- Glauben Sie wirklich, sagte sie vergnügt, daß ich geschickt genug wäre, als Lehrerin oder Gouvernante in einem kleinen bürgerlichen Hause einzutreten? -- Hätten Sie denn Neigung zu einem solchen Geschäfte? erwiderte ich. Es ist eben nicht das harmloseste. -- Auf ihre Neigung, meinte sie, komme es hierbei wohl nicht an; diese habe sie auch nicht in die Stadt geführt; sie wäre lieber auf dem Lande geblieben: aber sie müsse für ihren Unterhalt sorgen, und man habe ihr

können. — Wir trennten uns nach einer ziemlich langen Unterhaltung, welche für mich mehr Interesse hatte, als mein Gesellschafter wußte oder vermuthen konnte.

Es war beinahe Abend, als ich nach Hause kam. Paul, der mir in der Thür begegnete, gab mir lächelnd ein Zeichen, daß ich ohne Geräusch in mein Zimmer treten möge. Ich that es, und sah Gretchen an meinem Schreibtische sitzen. Leise näherte ich mich und faßte sie sanft an den Schultern. Sie sah etwas erschreckt zurück, lächelte aber, als sie mich erkannte, so anmuthig zu mir empor, daß ich nicht umhin konnte, einen flüchtigen Kuß auf ihre Stirn zu drücken. Darf ich wissen, was Sie schreiben, liebes Kind? sagte ich. — Sie reichte mir das Blatt hin. Es war ein Brief an den Gerichtshalter ihrer Heimath, der, wie ich erfuhr, zugleich ihr Vormund war, aber sich stets sehr wenig um sie bekümmert hatte. Der Brief betraf die Erbschaftssache ihrer Tante; er war zweckmäßig und mit einer sehr zierlichen Hand geschrieben. Sie könnte, bemerkte ich, Schreib- und Musikmeisterin sein, sobald sie wollte. — Glauben Sie wirklich, sagte sie vergnügt, daß ich geschickt genug wäre, als Lehrerin oder Gouvernante in einem kleinen bürgerlichen Hause einzutreten? — Hätten Sie denn Neigung zu einem solchen Geschäfte? erwiderte ich. Es ist eben nicht das harmloseste. — Auf ihre Neigung, meinte sie, komme es hierbei wohl nicht an; diese habe sie auch nicht in die Stadt geführt; sie wäre lieber auf dem Lande geblieben: aber sie müsse für ihren Unterhalt sorgen, und man habe ihr

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[0042] können. — Wir trennten uns nach einer ziemlich langen Unterhaltung, welche für mich mehr Interesse hatte, als mein Gesellschafter wußte oder vermuthen konnte. Es war beinahe Abend, als ich nach Hause kam. Paul, der mir in der Thür begegnete, gab mir lächelnd ein Zeichen, daß ich ohne Geräusch in mein Zimmer treten möge. Ich that es, und sah Gretchen an meinem Schreibtische sitzen. Leise näherte ich mich und faßte sie sanft an den Schultern. Sie sah etwas erschreckt zurück, lächelte aber, als sie mich erkannte, so anmuthig zu mir empor, daß ich nicht umhin konnte, einen flüchtigen Kuß auf ihre Stirn zu drücken. Darf ich wissen, was Sie schreiben, liebes Kind? sagte ich. — Sie reichte mir das Blatt hin. Es war ein Brief an den Gerichtshalter ihrer Heimath, der, wie ich erfuhr, zugleich ihr Vormund war, aber sich stets sehr wenig um sie bekümmert hatte. Der Brief betraf die Erbschaftssache ihrer Tante; er war zweckmäßig und mit einer sehr zierlichen Hand geschrieben. Sie könnte, bemerkte ich, Schreib- und Musikmeisterin sein, sobald sie wollte. — Glauben Sie wirklich, sagte sie vergnügt, daß ich geschickt genug wäre, als Lehrerin oder Gouvernante in einem kleinen bürgerlichen Hause einzutreten? — Hätten Sie denn Neigung zu einem solchen Geschäfte? erwiderte ich. Es ist eben nicht das harmloseste. — Auf ihre Neigung, meinte sie, komme es hierbei wohl nicht an; diese habe sie auch nicht in die Stadt geführt; sie wäre lieber auf dem Lande geblieben: aber sie müsse für ihren Unterhalt sorgen, und man habe ihr

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:30:04Z)

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Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/42>, abgerufen am 22.11.2024.