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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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2.--7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEWEGUNG.

Wenn nun die Schnalle um den Fuss geschlossen und ange
zogen wird (Fig. 3), so wird dadurch der Fuss durch die He-
belkraft der in b stumpfwinkelig gebogenen Schiene in belie-
bigem Grade nach aussen gezogen und in dieser Stellung er-
halten. Das Kind wird dadurch genöthigt, zugleich seine Fuss-
muskeln zur Auswärtsstellung des Fusses mitwirken zu lassen;
denn thut es das nicht und überlässt sich beim Gehen passiv
der mechanischen Gewalt der Schiene, so wird der dadurch
verstärkte Druck des Ledergurtes am Unterschenkel sehr bald
durch das unangenehme Gefühl zum Mitgebrauche der Muskeln
auffordern. Ist die falsche Fussstellung noch nicht sehr ein-
gewurzelt und ungewöhnlich hartnäckig, so sind in der Regel
wenige Monate eines consequenten Gebrauches der Schiene zur
Erreichung des Zieles hinlänglich. Nur mache man im Anfange
in dem Grade, wie man die Schiene wirken lässt, allmälige
unmerkliche Uebergänge, denn ausserdem wird die Einwirkung
schmerzhaft, dadurch Unterbrechung des Gebrauches veran-
lasst, und somit die Erreichung des erwünschten Zieles ver-
zögert und mehrfach erschwert.

Eine andere, wiewohl ungleich seltnere, fehlerhafte Fuss-
stellung ist die, wobei der Fuss zu sehr nach aussen ge-
wendet ist
und vorzugsweise mit seiner inneren Kante sich
auf den Boden aufsetzt. Die äussere Fusskante ist neben ih-
rer Richtung nach aussen zugleich nach oben gewendet. Die
falsche Fussstellung ist jener bei Einwärtsstellung der Füsse
gerade entgegengesetzt. Wo diese falsche Stellung nicht durch
wirkliche Bildungsfehler des Fusses bedingt, sondern eben nur
Haltungsfehler ist, wird man ebenfalls zuerst das entsprechende
häufige Stellen und Manipuliren des Fusses, Gehübungen in
der oben bemerkten Weise, oder die Anwendung stärkerer
Ledersteifen an dem äusseren Rande des Schuhwerkes versu-
chen können. Kommt man damit nicht zum Ziele, so muss
auch hier ein Schienchen, und zwar in der, Figur 4 angegebe-
nen Weise angebracht werden.

Es ist eine parabolisch und ohne jene Winkelbiegung ge-
formte Schiene, welche ebenfalls mit der äusseren Kante der
Sohle verbunden, aber nicht wie jene in der Fläche der Sohle

2.—7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEWEGUNG.

Wenn nun die Schnalle um den Fuss geschlossen und ange
zogen wird (Fig. 3), so wird dadurch der Fuss durch die He-
belkraft der in b stumpfwinkelig gebogenen Schiene in belie-
bigem Grade nach aussen gezogen und in dieser Stellung er-
halten. Das Kind wird dadurch genöthigt, zugleich seine Fuss-
muskeln zur Auswärtsstellung des Fusses mitwirken zu lassen;
denn thut es das nicht und überlässt sich beim Gehen passiv
der mechanischen Gewalt der Schiene, so wird der dadurch
verstärkte Druck des Ledergurtes am Unterschenkel sehr bald
durch das unangenehme Gefühl zum Mitgebrauche der Muskeln
auffordern. Ist die falsche Fussstellung noch nicht sehr ein-
gewurzelt und ungewöhnlich hartnäckig, so sind in der Regel
wenige Monate eines consequenten Gebrauches der Schiene zur
Erreichung des Zieles hinlänglich. Nur mache man im Anfange
in dem Grade, wie man die Schiene wirken lässt, allmälige
unmerkliche Uebergänge, denn ausserdem wird die Einwirkung
schmerzhaft, dadurch Unterbrechung des Gebrauches veran-
lasst, und somit die Erreichung des erwünschten Zieles ver-
zögert und mehrfach erschwert.

Eine andere, wiewohl ungleich seltnere, fehlerhafte Fuss-
stellung ist die, wobei der Fuss zu sehr nach aussen ge-
wendet ist
und vorzugsweise mit seiner inneren Kante sich
auf den Boden aufsetzt. Die äussere Fusskante ist neben ih-
rer Richtung nach aussen zugleich nach oben gewendet. Die
falsche Fussstellung ist jener bei Einwärtsstellung der Füsse
gerade entgegengesetzt. Wo diese falsche Stellung nicht durch
wirkliche Bildungsfehler des Fusses bedingt, sondern eben nur
Haltungsfehler ist, wird man ebenfalls zuerst das entsprechende
häufige Stellen und Manipuliren des Fusses, Gehübungen in
der oben bemerkten Weise, oder die Anwendung stärkerer
Ledersteifen an dem äusseren Rande des Schuhwerkes versu-
chen können. Kommt man damit nicht zum Ziele, so muss
auch hier ein Schienchen, und zwar in der, Figur 4 angegebe-
nen Weise angebracht werden.

Es ist eine parabolisch und ohne jene Winkelbiegung ge-
formte Schiene, welche ebenfalls mit der äusseren Kante der
Sohle verbunden, aber nicht wie jene in der Fläche der Sohle

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[90/0094] 2.—7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEWEGUNG. Wenn nun die Schnalle um den Fuss geschlossen und ange zogen wird (Fig. 3), so wird dadurch der Fuss durch die He- belkraft der in b stumpfwinkelig gebogenen Schiene in belie- bigem Grade nach aussen gezogen und in dieser Stellung er- halten. Das Kind wird dadurch genöthigt, zugleich seine Fuss- muskeln zur Auswärtsstellung des Fusses mitwirken zu lassen; denn thut es das nicht und überlässt sich beim Gehen passiv der mechanischen Gewalt der Schiene, so wird der dadurch verstärkte Druck des Ledergurtes am Unterschenkel sehr bald durch das unangenehme Gefühl zum Mitgebrauche der Muskeln auffordern. Ist die falsche Fussstellung noch nicht sehr ein- gewurzelt und ungewöhnlich hartnäckig, so sind in der Regel wenige Monate eines consequenten Gebrauches der Schiene zur Erreichung des Zieles hinlänglich. Nur mache man im Anfange in dem Grade, wie man die Schiene wirken lässt, allmälige unmerkliche Uebergänge, denn ausserdem wird die Einwirkung schmerzhaft, dadurch Unterbrechung des Gebrauches veran- lasst, und somit die Erreichung des erwünschten Zieles ver- zögert und mehrfach erschwert. Eine andere, wiewohl ungleich seltnere, fehlerhafte Fuss- stellung ist die, wobei der Fuss zu sehr nach aussen ge- wendet ist und vorzugsweise mit seiner inneren Kante sich auf den Boden aufsetzt. Die äussere Fusskante ist neben ih- rer Richtung nach aussen zugleich nach oben gewendet. Die falsche Fussstellung ist jener bei Einwärtsstellung der Füsse gerade entgegengesetzt. Wo diese falsche Stellung nicht durch wirkliche Bildungsfehler des Fusses bedingt, sondern eben nur Haltungsfehler ist, wird man ebenfalls zuerst das entsprechende häufige Stellen und Manipuliren des Fusses, Gehübungen in der oben bemerkten Weise, oder die Anwendung stärkerer Ledersteifen an dem äusseren Rande des Schuhwerkes versu- chen können. Kommt man damit nicht zum Ziele, so muss auch hier ein Schienchen, und zwar in der, Figur 4 angegebe- nen Weise angebracht werden. Es ist eine parabolisch und ohne jene Winkelbiegung ge- formte Schiene, welche ebenfalls mit der äusseren Kante der Sohle verbunden, aber nicht wie jene in der Fläche der Sohle

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/94>, abgerufen am 28.04.2024.