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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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2.--7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS.
Zahl und der Aufenthaltsdauer der Bewohner richten. Man
bedenke dabei, dass der Mensch in jeder Stunde durchschnitt-
lich 700--1000 Athemzüge macht, und man wird erkennen,
dass, wenn dieselbe schon geathmete Luft nicht gar zu oft
wieder eingezogen und dadurch immer unbrauchbarer gemacht
werden soll, die mehrmalige vollständige Durchlüftung eines
bewohnten Zimmers innerhalb eines 24 stündigen Zeitraumes
durchaus erforderlich ist. Das Wohnzimmer der Kinder werde
nie über + 14° R., das Schlafzimmer vom 6., 7. Lebensjahre
an gar nicht mehr geheizt.

Der Genuss der freien Luft ist mit derselben Consequenz,
wie sie für das erste Lebensjahr als nothwendig bereits (S.44.)
angegeben wurde, fortzuführen, und der dort gegebene Maass-
stab für die zur Erfüllung der Gesundheitsrücksicht geringste
Dauer des täglichen Aufenthaltes in freier Luft ein wenig zu
erweitern. An denjenigen Tagen, wo die Witterungsbeschaf-
fenheit das Ausgehen geradezu unthunlich macht, man also
auf den Luftgenuss bei geöffneten Fenstern angewiesen ist
(s. S. 45), lasse man die Kinder, die nunmehr zur selbststän-
digen Bewegungsfähigkeit gelangt sind, genügend warm be-
kleidet, sich beliebig mit Spielen u. dgl. während dieser Zeit
austummeln. Sind die Kinder schon etwas älter, etwa vom 4.
oder 5. Jahre an, so wird diese Zeit am zweckmässigsten aus-
gefüllt durch Vornahme der später unter 5) anzugebenden
gymnastischen Bewegungsformen.

Ein Punkt bedarf hier noch einer speciellen Erwähnung.
Da nämlich gerade dieser Lebensperiode eine grössere Reiz-
barkeit der Athmungsorgane, daher eine grössere Neigung zu
katarrhalischen Krankheiten aller Art eigen ist, als den übrigen
Lebensaltern, so sind die Meinungen der Aerzte darüber ge-
theilt, ob es rathsamer sei, die Consequenz des Genusses freier
Luft auch in dieser Altersperiode ununterbrochen zu lassen,
oder ob die Kinder jetzt vielmehr den kalten und trockenen
Nord- oder Ostwinden, die bekanntlich am reizendsten auf die
Athmungsorgane wirken, gänzlich zu entziehen seien. Urtheilt
man darin nicht nach einzelnen Fällen, die hinsichtlich des
ursächlichen Zusammenhanges vorgekommener Erkrankungen

2.—7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS.
Zahl und der Aufenthaltsdauer der Bewohner richten. Man
bedenke dabei, dass der Mensch in jeder Stunde durchschnitt-
lich 700—1000 Athemzüge macht, und man wird erkennen,
dass, wenn dieselbe schon geathmete Luft nicht gar zu oft
wieder eingezogen und dadurch immer unbrauchbarer gemacht
werden soll, die mehrmalige vollständige Durchlüftung eines
bewohnten Zimmers innerhalb eines 24 stündigen Zeitraumes
durchaus erforderlich ist. Das Wohnzimmer der Kinder werde
nie über + 14° R., das Schlafzimmer vom 6., 7. Lebensjahre
an gar nicht mehr geheizt.

Der Genuss der freien Luft ist mit derselben Consequenz,
wie sie für das erste Lebensjahr als nothwendig bereits (S.44.)
angegeben wurde, fortzuführen, und der dort gegebene Maass-
stab für die zur Erfüllung der Gesundheitsrücksicht geringste
Dauer des täglichen Aufenthaltes in freier Luft ein wenig zu
erweitern. An denjenigen Tagen, wo die Witterungsbeschaf-
fenheit das Ausgehen geradezu unthunlich macht, man also
auf den Luftgenuss bei geöffneten Fenstern angewiesen ist
(s. S. 45), lasse man die Kinder, die nunmehr zur selbststän-
digen Bewegungsfähigkeit gelangt sind, genügend warm be-
kleidet, sich beliebig mit Spielen u. dgl. während dieser Zeit
austummeln. Sind die Kinder schon etwas älter, etwa vom 4.
oder 5. Jahre an, so wird diese Zeit am zweckmässigsten aus-
gefüllt durch Vornahme der später unter 5) anzugebenden
gymnastischen Bewegungsformen.

Ein Punkt bedarf hier noch einer speciellen Erwähnung.
Da nämlich gerade dieser Lebensperiode eine grössere Reiz-
barkeit der Athmungsorgane, daher eine grössere Neigung zu
katarrhalischen Krankheiten aller Art eigen ist, als den übrigen
Lebensaltern, so sind die Meinungen der Aerzte darüber ge-
theilt, ob es rathsamer sei, die Consequenz des Genusses freier
Luft auch in dieser Altersperiode ununterbrochen zu lassen,
oder ob die Kinder jetzt vielmehr den kalten und trockenen
Nord- oder Ostwinden, die bekanntlich am reizendsten auf die
Athmungsorgane wirken, gänzlich zu entziehen seien. Urtheilt
man darin nicht nach einzelnen Fällen, die hinsichtlich des
ursächlichen Zusammenhanges vorgekommener Erkrankungen

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[78/0082] 2.—7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS. Zahl und der Aufenthaltsdauer der Bewohner richten. Man bedenke dabei, dass der Mensch in jeder Stunde durchschnitt- lich 700—1000 Athemzüge macht, und man wird erkennen, dass, wenn dieselbe schon geathmete Luft nicht gar zu oft wieder eingezogen und dadurch immer unbrauchbarer gemacht werden soll, die mehrmalige vollständige Durchlüftung eines bewohnten Zimmers innerhalb eines 24 stündigen Zeitraumes durchaus erforderlich ist. Das Wohnzimmer der Kinder werde nie über + 14° R., das Schlafzimmer vom 6., 7. Lebensjahre an gar nicht mehr geheizt. Der Genuss der freien Luft ist mit derselben Consequenz, wie sie für das erste Lebensjahr als nothwendig bereits (S.44.) angegeben wurde, fortzuführen, und der dort gegebene Maass- stab für die zur Erfüllung der Gesundheitsrücksicht geringste Dauer des täglichen Aufenthaltes in freier Luft ein wenig zu erweitern. An denjenigen Tagen, wo die Witterungsbeschaf- fenheit das Ausgehen geradezu unthunlich macht, man also auf den Luftgenuss bei geöffneten Fenstern angewiesen ist (s. S. 45), lasse man die Kinder, die nunmehr zur selbststän- digen Bewegungsfähigkeit gelangt sind, genügend warm be- kleidet, sich beliebig mit Spielen u. dgl. während dieser Zeit austummeln. Sind die Kinder schon etwas älter, etwa vom 4. oder 5. Jahre an, so wird diese Zeit am zweckmässigsten aus- gefüllt durch Vornahme der später unter 5) anzugebenden gymnastischen Bewegungsformen. Ein Punkt bedarf hier noch einer speciellen Erwähnung. Da nämlich gerade dieser Lebensperiode eine grössere Reiz- barkeit der Athmungsorgane, daher eine grössere Neigung zu katarrhalischen Krankheiten aller Art eigen ist, als den übrigen Lebensaltern, so sind die Meinungen der Aerzte darüber ge- theilt, ob es rathsamer sei, die Consequenz des Genusses freier Luft auch in dieser Altersperiode ununterbrochen zu lassen, oder ob die Kinder jetzt vielmehr den kalten und trockenen Nord- oder Ostwinden, die bekanntlich am reizendsten auf die Athmungsorgane wirken, gänzlich zu entziehen seien. Urtheilt man darin nicht nach einzelnen Fällen, die hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhanges vorgekommener Erkrankungen

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/82>, abgerufen am 28.04.2024.