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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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1. JAHR. KÖRPERL. SEITE. AUSBILDUNG U. PFLEGE EINZELNER THEILE.
Kleinen haben, so darf, wenn diese im Bette liegen, Nichts der-
gleichen, z. B. ein Licht, so gestellt werden, dass es in den
Gesichtskreis fällt. Doppelt nachtheilig ist es, wenn ein leuch-
tender Gegenstand einen solchen Platz hat, dass er nur durch
eine schielende Richtung des Kindesauges erreichbar ist, denn
letztere wird dadurch sehr leicht zur bleibenden Gewohnheit.
Die in erster Lebenszeit reichlichere Absonderung der Augen,
welche beim Zusammentreffen mit Verunreinigungen der Luft
leicht gefährliche Augenkrankheiten hervorruft, macht ein täg-
lich öfteres Auswaschen der Augen mit einem weichen Schwämm-
chen nothwendig. -- Gehör und Geruch vertragen ebenfalls
sehr starke Eindrücke ohne Nachtheil noch nicht. Aus ähn-
lichem Grunde, wie die Augen, müssen auch die Ohren, Nase
und Mund öfter besonders gereinigt werden.

In einzelnen Fällen zeigt sich schon bei Kindern in der
zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres eine Spur von seitlicher
Rückgratsabweichung, namentlich da, wo erbliche Anlage
zu Rückgratsverkrümmungen vorhanden ist. Man entdeckt
dies leicht, wenn man, das Kind vor sich auf einen Tisch
setzend, den Rücken untersucht. Es ist sehr wichtig, gerade
bei diesen, ausserdem mit dem Wachsthume stark zunehmenden
Bildungsfehlern dem ersten Anfange auf die Spur zu kommen.
Wo man eine solche Entdeckung gemacht hat, ist folgendes
ganz einfache und sanfte Verfahren zu empfehlen, welches über
mehrere Monate beharrlich fortgesetzt in diesem zarten Alter
meistens zur Ausgleichung vollkommen hinreicht. So oft das
Kind in die liegende Stellung gebracht wird, schiebt man ein
kleines, der Grösse der Abweichung entsprechendes, straff ge-
stopftes Kisschen der abgewichenen Stelle so unter, dass durch
den sanften Gegendruck das Rückgrat an der abgewichenen
Stelle nach der geradlinigen Richtung hingedrängt wird. Nur
hat man hierbei darauf zu achten, dass das Kind die Gewohn-
heit der vollen Rückenlage beibehält, was in diesem Alter
keine Schwierigkeiten macht. Dieser sanfte, aber durch regel-
mässige Wiederholung und Dauer wirksame Gegendruck ist
Alles, worauf es hierbei ankommt. Ausserdem ist nur noch,
und zwar hier mit doppelter Sorgfalt, darüber zu wachen, dass

1. JAHR. KÖRPERL. SEITE. AUSBILDUNG U. PFLEGE EINZELNER THEILE.
Kleinen haben, so darf, wenn diese im Bette liegen, Nichts der-
gleichen, z. B. ein Licht, so gestellt werden, dass es in den
Gesichtskreis fällt. Doppelt nachtheilig ist es, wenn ein leuch-
tender Gegenstand einen solchen Platz hat, dass er nur durch
eine schielende Richtung des Kindesauges erreichbar ist, denn
letztere wird dadurch sehr leicht zur bleibenden Gewohnheit.
Die in erster Lebenszeit reichlichere Absonderung der Augen,
welche beim Zusammentreffen mit Verunreinigungen der Luft
leicht gefährliche Augenkrankheiten hervorruft, macht ein täg-
lich öfteres Auswaschen der Augen mit einem weichen Schwämm-
chen nothwendig. — Gehör und Geruch vertragen ebenfalls
sehr starke Eindrücke ohne Nachtheil noch nicht. Aus ähn-
lichem Grunde, wie die Augen, müssen auch die Ohren, Nase
und Mund öfter besonders gereinigt werden.

In einzelnen Fällen zeigt sich schon bei Kindern in der
zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres eine Spur von seitlicher
Rückgratsabweichung, namentlich da, wo erbliche Anlage
zu Rückgratsverkrümmungen vorhanden ist. Man entdeckt
dies leicht, wenn man, das Kind vor sich auf einen Tisch
setzend, den Rücken untersucht. Es ist sehr wichtig, gerade
bei diesen, ausserdem mit dem Wachsthume stark zunehmenden
Bildungsfehlern dem ersten Anfange auf die Spur zu kommen.
Wo man eine solche Entdeckung gemacht hat, ist folgendes
ganz einfache und sanfte Verfahren zu empfehlen, welches über
mehrere Monate beharrlich fortgesetzt in diesem zarten Alter
meistens zur Ausgleichung vollkommen hinreicht. So oft das
Kind in die liegende Stellung gebracht wird, schiebt man ein
kleines, der Grösse der Abweichung entsprechendes, straff ge-
stopftes Kisschen der abgewichenen Stelle so unter, dass durch
den sanften Gegendruck das Rückgrat an der abgewichenen
Stelle nach der geradlinigen Richtung hingedrängt wird. Nur
hat man hierbei darauf zu achten, dass das Kind die Gewohn-
heit der vollen Rückenlage beibehält, was in diesem Alter
keine Schwierigkeiten macht. Dieser sanfte, aber durch regel-
mässige Wiederholung und Dauer wirksame Gegendruck ist
Alles, worauf es hierbei ankommt. Ausserdem ist nur noch,
und zwar hier mit doppelter Sorgfalt, darüber zu wachen, dass

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[56/0060] 1. JAHR. KÖRPERL. SEITE. AUSBILDUNG U. PFLEGE EINZELNER THEILE. Kleinen haben, so darf, wenn diese im Bette liegen, Nichts der- gleichen, z. B. ein Licht, so gestellt werden, dass es in den Gesichtskreis fällt. Doppelt nachtheilig ist es, wenn ein leuch- tender Gegenstand einen solchen Platz hat, dass er nur durch eine schielende Richtung des Kindesauges erreichbar ist, denn letztere wird dadurch sehr leicht zur bleibenden Gewohnheit. Die in erster Lebenszeit reichlichere Absonderung der Augen, welche beim Zusammentreffen mit Verunreinigungen der Luft leicht gefährliche Augenkrankheiten hervorruft, macht ein täg- lich öfteres Auswaschen der Augen mit einem weichen Schwämm- chen nothwendig. — Gehör und Geruch vertragen ebenfalls sehr starke Eindrücke ohne Nachtheil noch nicht. Aus ähn- lichem Grunde, wie die Augen, müssen auch die Ohren, Nase und Mund öfter besonders gereinigt werden. In einzelnen Fällen zeigt sich schon bei Kindern in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres eine Spur von seitlicher Rückgratsabweichung, namentlich da, wo erbliche Anlage zu Rückgratsverkrümmungen vorhanden ist. Man entdeckt dies leicht, wenn man, das Kind vor sich auf einen Tisch setzend, den Rücken untersucht. Es ist sehr wichtig, gerade bei diesen, ausserdem mit dem Wachsthume stark zunehmenden Bildungsfehlern dem ersten Anfange auf die Spur zu kommen. Wo man eine solche Entdeckung gemacht hat, ist folgendes ganz einfache und sanfte Verfahren zu empfehlen, welches über mehrere Monate beharrlich fortgesetzt in diesem zarten Alter meistens zur Ausgleichung vollkommen hinreicht. So oft das Kind in die liegende Stellung gebracht wird, schiebt man ein kleines, der Grösse der Abweichung entsprechendes, straff ge- stopftes Kisschen der abgewichenen Stelle so unter, dass durch den sanften Gegendruck das Rückgrat an der abgewichenen Stelle nach der geradlinigen Richtung hingedrängt wird. Nur hat man hierbei darauf zu achten, dass das Kind die Gewohn- heit der vollen Rückenlage beibehält, was in diesem Alter keine Schwierigkeiten macht. Dieser sanfte, aber durch regel- mässige Wiederholung und Dauer wirksame Gegendruck ist Alles, worauf es hierbei ankommt. Ausserdem ist nur noch, und zwar hier mit doppelter Sorgfalt, darüber zu wachen, dass

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/60>, abgerufen am 28.04.2024.