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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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1. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. NAHRUNG.
führen, besonders Gemüthsruhe bewahren und eine einfache,
milde und nahrhafte Kost geniessen, vor allen Dingen eine
Kost, die dem mütterlichen Körper recht zusagt. Es ist sehr
zu widerrathen, dass sich eine Säugende Dieses oder Jenes ge-
waltsam aufzwingt in der Meinung, dem Kinde dadurch recht
viel Nahrung zufliessen zu lassen; denn mit anhaltendem Wider-
willen oder über das Bedürfniss aufgenommene Nahrung gedeiht
nicht oder macht die Milch für das Kind zu schwer.

Sehr wichtig für das Gedeihen des Kindes und für die
Ruhe der Mutter oder Wärterin ist es, gleich von Anfang an
das Kind an eine den Verhältnissen entsprechende Ordnung
seines Nahrungsgenusses zu gewöhnen. Das Kind befindet sich
dabei ungleich besser, als ohne dieselbe. Hat sich aber schon
eine Verwöhnug eingeschlichen, so wird die Rückkehr zur
Ordnung je später je schwieriger. Also säume man damit
nie. Es gilt auch hier schon die allgemeine diätetische Regel,
dass immer der eine Verdauungsact beendet sein soll, ehe der
nächstfolgende durch neues Zuführen von Nahrung beginnt;
entgegengesetzten Falles beeinträchtigt man die gesunde Ver-
dauung und Säftebereitung durch Ueberladung mit Nahrungs-
stoff und stört das ganze Gedeihen des Kindes auch noch da-
durch, dass ihm eine immer mehr und mehr sich steigernde
Unruhe, ein nachtheiliges Bedürfniss fortwährender Saugbewe-
gungen, eine unnütze Sauggier angewöhnt wird. Aus letzterem
Grunde ist auch jene Unsitte ganz verwerflich, dem Säuglinge
Zulpe zu reichen, die überdies noch durch die kaum zu ver-
meidende Säuerung ihres Inhaltes schädlich werden. -- Die
Rücksicht auf Einführung jener Ordnung macht die Regel noth-
wendig: dass zwischen den einzelnen Darreichungen der Nah-
rung in keinem Falle weniger als zwei volle Stunden liegen
müssen. Das Nahrungsbedürfniss des Säuglings ist je nach
den verschiedenen Tageszeiten, auch nach individuellen Ver-
hältnissen verschieden, wird oft, besonders zur Nachtzeit, erst
nach 4, 5, 6 Stunden und darüber sich erneuern. Von da an
also, wo mindestens zwei Stunden Pause verflossen sind, warte
man ruhig die Erinnerung des Kindes ab. In allen Fällen aber
kann man bei Festhaltung jener Minimalpause darüber sicher

1. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. NAHRUNG.
führen, besonders Gemüthsruhe bewahren und eine einfache,
milde und nahrhafte Kost geniessen, vor allen Dingen eine
Kost, die dem mütterlichen Körper recht zusagt. Es ist sehr
zu widerrathen, dass sich eine Säugende Dieses oder Jenes ge-
waltsam aufzwingt in der Meinung, dem Kinde dadurch recht
viel Nahrung zufliessen zu lassen; denn mit anhaltendem Wider-
willen oder über das Bedürfniss aufgenommene Nahrung gedeiht
nicht oder macht die Milch für das Kind zu schwer.

Sehr wichtig für das Gedeihen des Kindes und für die
Ruhe der Mutter oder Wärterin ist es, gleich von Anfang an
das Kind an eine den Verhältnissen entsprechende Ordnung
seines Nahrungsgenusses zu gewöhnen. Das Kind befindet sich
dabei ungleich besser, als ohne dieselbe. Hat sich aber schon
eine Verwöhnug eingeschlichen, so wird die Rückkehr zur
Ordnung je später je schwieriger. Also säume man damit
nie. Es gilt auch hier schon die allgemeine diätetische Regel,
dass immer der eine Verdauungsact beendet sein soll, ehe der
nächstfolgende durch neues Zuführen von Nahrung beginnt;
entgegengesetzten Falles beeinträchtigt man die gesunde Ver-
dauung und Säftebereitung durch Ueberladung mit Nahrungs-
stoff und stört das ganze Gedeihen des Kindes auch noch da-
durch, dass ihm eine immer mehr und mehr sich steigernde
Unruhe, ein nachtheiliges Bedürfniss fortwährender Saugbewe-
gungen, eine unnütze Sauggier angewöhnt wird. Aus letzterem
Grunde ist auch jene Unsitte ganz verwerflich, dem Säuglinge
Zulpe zu reichen, die überdies noch durch die kaum zu ver-
meidende Säuerung ihres Inhaltes schädlich werden. — Die
Rücksicht auf Einführung jener Ordnung macht die Regel noth-
wendig: dass zwischen den einzelnen Darreichungen der Nah-
rung in keinem Falle weniger als zwei volle Stunden liegen
müssen. Das Nahrungsbedürfniss des Säuglings ist je nach
den verschiedenen Tageszeiten, auch nach individuellen Ver-
hältnissen verschieden, wird oft, besonders zur Nachtzeit, erst
nach 4, 5, 6 Stunden und darüber sich erneuern. Von da an
also, wo mindestens zwei Stunden Pause verflossen sind, warte
man ruhig die Erinnerung des Kindes ab. In allen Fällen aber
kann man bei Festhaltung jener Minimalpause darüber sicher

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[38/0042] 1. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. NAHRUNG. führen, besonders Gemüthsruhe bewahren und eine einfache, milde und nahrhafte Kost geniessen, vor allen Dingen eine Kost, die dem mütterlichen Körper recht zusagt. Es ist sehr zu widerrathen, dass sich eine Säugende Dieses oder Jenes ge- waltsam aufzwingt in der Meinung, dem Kinde dadurch recht viel Nahrung zufliessen zu lassen; denn mit anhaltendem Wider- willen oder über das Bedürfniss aufgenommene Nahrung gedeiht nicht oder macht die Milch für das Kind zu schwer. Sehr wichtig für das Gedeihen des Kindes und für die Ruhe der Mutter oder Wärterin ist es, gleich von Anfang an das Kind an eine den Verhältnissen entsprechende Ordnung seines Nahrungsgenusses zu gewöhnen. Das Kind befindet sich dabei ungleich besser, als ohne dieselbe. Hat sich aber schon eine Verwöhnug eingeschlichen, so wird die Rückkehr zur Ordnung je später je schwieriger. Also säume man damit nie. Es gilt auch hier schon die allgemeine diätetische Regel, dass immer der eine Verdauungsact beendet sein soll, ehe der nächstfolgende durch neues Zuführen von Nahrung beginnt; entgegengesetzten Falles beeinträchtigt man die gesunde Ver- dauung und Säftebereitung durch Ueberladung mit Nahrungs- stoff und stört das ganze Gedeihen des Kindes auch noch da- durch, dass ihm eine immer mehr und mehr sich steigernde Unruhe, ein nachtheiliges Bedürfniss fortwährender Saugbewe- gungen, eine unnütze Sauggier angewöhnt wird. Aus letzterem Grunde ist auch jene Unsitte ganz verwerflich, dem Säuglinge Zulpe zu reichen, die überdies noch durch die kaum zu ver- meidende Säuerung ihres Inhaltes schädlich werden. — Die Rücksicht auf Einführung jener Ordnung macht die Regel noth- wendig: dass zwischen den einzelnen Darreichungen der Nah- rung in keinem Falle weniger als zwei volle Stunden liegen müssen. Das Nahrungsbedürfniss des Säuglings ist je nach den verschiedenen Tageszeiten, auch nach individuellen Ver- hältnissen verschieden, wird oft, besonders zur Nachtzeit, erst nach 4, 5, 6 Stunden und darüber sich erneuern. Von da an also, wo mindestens zwei Stunden Pause verflossen sind, warte man ruhig die Erinnerung des Kindes ab. In allen Fällen aber kann man bei Festhaltung jener Minimalpause darüber sicher

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/42>, abgerufen am 23.11.2024.