Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.SCHLUSSWORT AN DIE LEHRER. heiten. Wir haben nur die allerwärts abstellbaren Mängel desSchulwesens im Sinne. Die wesentlichsten derselben (vgl. S. 117, 123, 142, 154, 199, 207 u. f., 214, 225 u. ff.) wurzeln gemeinschaftlich darin, dass man die Gesetze und Einrichtun- gen der Schule nicht durchgängig auf das Gesetzbuch der Natur gebaut, dass mithin noch weniger der einzelne Lehrer bei der speciellen Ausübung seines Amtes dasselbe als oberste Richtschnur in sich aufgenommen hat. Die Menschheit ist schon längst aus jenem rohen Lebens- SCHLUSSWORT AN DIE LEHRER. heiten. Wir haben nur die allerwärts abstellbaren Mängel desSchulwesens im Sinne. Die wesentlichsten derselben (vgl. S. 117, 123, 142, 154, 199, 207 u. f., 214, 225 u. ff.) wurzeln gemeinschaftlich darin, dass man die Gesetze und Einrichtun- gen der Schule nicht durchgängig auf das Gesetzbuch der Natur gebaut, dass mithin noch weniger der einzelne Lehrer bei der speciellen Ausübung seines Amtes dasselbe als oberste Richtschnur in sich aufgenommen hat. Die Menschheit ist schon längst aus jenem rohen Lebens- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0312" n="308"/><fw place="top" type="header">SCHLUSSWORT AN DIE LEHRER.</fw><lb/> heiten. Wir haben nur die allerwärts abstellbaren Mängel des<lb/> Schulwesens im Sinne. Die wesentlichsten derselben (vgl. S.<lb/> 117, 123, 142, 154, 199, 207 u. f., 214, 225 u. ff.) wurzeln<lb/> gemeinschaftlich darin, dass man die Gesetze und Einrichtun-<lb/> gen der Schule nicht durchgängig auf das Gesetzbuch der<lb/> Natur gebaut, dass mithin noch weniger der einzelne Lehrer<lb/> bei der speciellen Ausübung seines Amtes dasselbe als oberste<lb/> Richtschnur in sich aufgenommen hat.</p><lb/> <p>Die Menschheit ist schon längst aus jenem rohen Lebens-<lb/> zustande herausgetreten, wo man bei der Erziehung mit ein-<lb/> facher Erstrebung der nächstvorliegenden Zielpunkte sich be-<lb/> gnügen und im Uebrigen das an sich auf klippenfreiere Bah-<lb/> nen angewiesene Lebensschiff dem Treiben des Windes über-<lb/> lassen konnte, ohne auf genaue Erkenntniss aller auf eine<lb/> glückliche Fahrt möglicher Weise Einfluss habenden tiefer lie-<lb/> genden Bedingungen und Gesetze zu achten. Je höher aber<lb/> das Leben mit seinen ganzen Verhältnissen und Anforderun-<lb/> gen steigt, um so mehr muss es ein bewusstes, durchdachtes<lb/> sein, um auf jeder Stufe des Fortschrittes den Menschen zur<lb/> Entscheidung <hi rendition="#g">der</hi> Frage zu befähigen: ob der Einklang des<lb/> fortgerückten Lebenszustandes mit den allgebietenden Gesetzen<lb/> der Natur und Weltordnung noch bestehe und, wenn nicht,<lb/> auf welche Weise er herzustellen sei. Wem nun wird diese<lb/> Befähigung unentbehrlicher sein, als Denjenigen, welchen es<lb/> obliegt, das auftauchende junge Leben so zu leiten und auszubil-<lb/> den, dass es gleicher Weise zeit- <hi rendition="#g">und</hi> naturgemäss seine Bahn<lb/> durchlaufen könne, — wem mehr, als den Erziehern und Leh-<lb/> rern? Es ist nicht genug, dass Ihr den Lauf und die Gesetze<lb/> des grossen Lebens kennt, das Gebiet des abstracten Wissens<lb/> nach allen Richtungen durchwandert, Ihr müsst vor Allem die<lb/> Einrichtungen, Kräfte und Gesetze des menschlichen Organis-<lb/> mus, den Ihr eben bilden wollt, gründlich kennen: <hi rendition="#g">Ihr müsst</hi>,<lb/> wenigstens bis zu einem klaren Ueberblicke des Ganzen, <hi rendition="#b">Ana-<lb/> tomie</hi> und <hi rendition="#b">Physiologie</hi> <hi rendition="#g">des kindlichen Organismus und<lb/> auf dieser Grundlage die</hi> <hi rendition="#b">Psychologie des Kindes in seinen<lb/> verschiedenen Entwickelungsstufen</hi> <hi rendition="#g">gründlich studiren</hi>. Denn<lb/> die Gesetze des kindlichen Geisteslebens, die Euch am direc-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [308/0312]
SCHLUSSWORT AN DIE LEHRER.
heiten. Wir haben nur die allerwärts abstellbaren Mängel des
Schulwesens im Sinne. Die wesentlichsten derselben (vgl. S.
117, 123, 142, 154, 199, 207 u. f., 214, 225 u. ff.) wurzeln
gemeinschaftlich darin, dass man die Gesetze und Einrichtun-
gen der Schule nicht durchgängig auf das Gesetzbuch der
Natur gebaut, dass mithin noch weniger der einzelne Lehrer
bei der speciellen Ausübung seines Amtes dasselbe als oberste
Richtschnur in sich aufgenommen hat.
Die Menschheit ist schon längst aus jenem rohen Lebens-
zustande herausgetreten, wo man bei der Erziehung mit ein-
facher Erstrebung der nächstvorliegenden Zielpunkte sich be-
gnügen und im Uebrigen das an sich auf klippenfreiere Bah-
nen angewiesene Lebensschiff dem Treiben des Windes über-
lassen konnte, ohne auf genaue Erkenntniss aller auf eine
glückliche Fahrt möglicher Weise Einfluss habenden tiefer lie-
genden Bedingungen und Gesetze zu achten. Je höher aber
das Leben mit seinen ganzen Verhältnissen und Anforderun-
gen steigt, um so mehr muss es ein bewusstes, durchdachtes
sein, um auf jeder Stufe des Fortschrittes den Menschen zur
Entscheidung der Frage zu befähigen: ob der Einklang des
fortgerückten Lebenszustandes mit den allgebietenden Gesetzen
der Natur und Weltordnung noch bestehe und, wenn nicht,
auf welche Weise er herzustellen sei. Wem nun wird diese
Befähigung unentbehrlicher sein, als Denjenigen, welchen es
obliegt, das auftauchende junge Leben so zu leiten und auszubil-
den, dass es gleicher Weise zeit- und naturgemäss seine Bahn
durchlaufen könne, — wem mehr, als den Erziehern und Leh-
rern? Es ist nicht genug, dass Ihr den Lauf und die Gesetze
des grossen Lebens kennt, das Gebiet des abstracten Wissens
nach allen Richtungen durchwandert, Ihr müsst vor Allem die
Einrichtungen, Kräfte und Gesetze des menschlichen Organis-
mus, den Ihr eben bilden wollt, gründlich kennen: Ihr müsst,
wenigstens bis zu einem klaren Ueberblicke des Ganzen, Ana-
tomie und Physiologie des kindlichen Organismus und
auf dieser Grundlage die Psychologie des Kindes in seinen
verschiedenen Entwickelungsstufen gründlich studiren. Denn
die Gesetze des kindlichen Geisteslebens, die Euch am direc-
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