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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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8.--16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.

Naht die Zeit der Mannbarkeitsentwickelung heran, so ist
es eine unerlässliche Pflicht der Aeltern oder deren Stellver-
treter, durch angemessene Belehrung alle die vielen Gefahren
des zufälligen und gelegentlichen Bekanntwerdens mit den
geschlechtlichen Verhältnissen abzuschneiden. Es bedarf wahr-
lich keiner hohen Beredtsamkeit, um das Kind zu geeigneter
Stunde und unter vier Augen in einfach würdiger und erhe-
bender Weise über das Wesentlichste aufzuklären. Der Ein-
druck ist dann immer ein nur segensvoller. Durch das damit
dem Kinde bewiesene Vertrauen wird sein ganzes Ehrgefühl
dafür gewonnen, an welchem die unberechenbaren Lockungen
der Zukunft zurückprallen. Die Erfahrung lehrt, dass bei wei-
tem der grösste Theil Derer, welche auf die eine oder die
andere Weise der Wollust verfallen, durch anfängliches Nicht-
kennen der Gefahr fast unmerklich hinabgesunken ist. Es
liegt in den Lebensverhältnissen der beiderlei Geschlechter,
dass diese aufklärenden Ermahnungen bei den Knaben in einer
ausführlicheren und nachdrucksvolleren Weise (besonders mit
Hinblick auf die herrschende Grundsatzlosigkeit der männ-
lichen Jugend) erforderlich sind, als bei Mädchen.



Mit dem Herrannahen der nächsten Lebensstufe rückt die
Nothwendigkeit der Berufswahl immer mehr in den Vor-
dergrund. Während für das Mädchen die Häuslichkeit mit
allen ihren verschiedenen Aufgaben der allgemeine Zielpunkt
bleiben muss, auf welchen neben der übrigen Ausbildung
schon jetzt immer durch vorbereitendes Einschulen recht zweck-
mässig hingearbeitet werden kann, so öffnet sich für den Kna-
ben eine unendliche Vielseitigkeit der Zielpunkte. Sein der-
einstiger Berufskreis soll bestimmungsgemäss ein doppelter
sein, dessen einen Mittelpunkt er irgendwo im grossen Kreise
des Lebens zu suchen hat, bevor er zum anderen im engen
Kreise der Familie gelangt. Er muss also wählen.

Da nun die Wahl gewöhnlich in einer Altersperiode ge-
schehen muss, wo der nöthige Ueberblick des Lebens und
der verschiedenen Berufsarten mangelt, so würden die Aeltern

Schreber, Kallipädie. 17

8.—16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.

Naht die Zeit der Mannbarkeitsentwickelung heran, so ist
es eine unerlässliche Pflicht der Aeltern oder deren Stellver-
treter, durch angemessene Belehrung alle die vielen Gefahren
des zufälligen und gelegentlichen Bekanntwerdens mit den
geschlechtlichen Verhältnissen abzuschneiden. Es bedarf wahr-
lich keiner hohen Beredtsamkeit, um das Kind zu geeigneter
Stunde und unter vier Augen in einfach würdiger und erhe-
bender Weise über das Wesentlichste aufzuklären. Der Ein-
druck ist dann immer ein nur segensvoller. Durch das damit
dem Kinde bewiesene Vertrauen wird sein ganzes Ehrgefühl
dafür gewonnen, an welchem die unberechenbaren Lockungen
der Zukunft zurückprallen. Die Erfahrung lehrt, dass bei wei-
tem der grösste Theil Derer, welche auf die eine oder die
andere Weise der Wollust verfallen, durch anfängliches Nicht-
kennen der Gefahr fast unmerklich hinabgesunken ist. Es
liegt in den Lebensverhältnissen der beiderlei Geschlechter,
dass diese aufklärenden Ermahnungen bei den Knaben in einer
ausführlicheren und nachdrucksvolleren Weise (besonders mit
Hinblick auf die herrschende Grundsatzlosigkeit der männ-
lichen Jugend) erforderlich sind, als bei Mädchen.



Mit dem Herrannahen der nächsten Lebensstufe rückt die
Nothwendigkeit der Berufswahl immer mehr in den Vor-
dergrund. Während für das Mädchen die Häuslichkeit mit
allen ihren verschiedenen Aufgaben der allgemeine Zielpunkt
bleiben muss, auf welchen neben der übrigen Ausbildung
schon jetzt immer durch vorbereitendes Einschulen recht zweck-
mässig hingearbeitet werden kann, so öffnet sich für den Kna-
ben eine unendliche Vielseitigkeit der Zielpunkte. Sein der-
einstiger Berufskreis soll bestimmungsgemäss ein doppelter
sein, dessen einen Mittelpunkt er irgendwo im grossen Kreise
des Lebens zu suchen hat, bevor er zum anderen im engen
Kreise der Familie gelangt. Er muss also wählen.

Da nun die Wahl gewöhnlich in einer Altersperiode ge-
schehen muss, wo der nöthige Ueberblick des Lebens und
der verschiedenen Berufsarten mangelt, so würden die Aeltern

Schreber, Kallipädie. 17
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[257/0261] 8.—16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN. Naht die Zeit der Mannbarkeitsentwickelung heran, so ist es eine unerlässliche Pflicht der Aeltern oder deren Stellver- treter, durch angemessene Belehrung alle die vielen Gefahren des zufälligen und gelegentlichen Bekanntwerdens mit den geschlechtlichen Verhältnissen abzuschneiden. Es bedarf wahr- lich keiner hohen Beredtsamkeit, um das Kind zu geeigneter Stunde und unter vier Augen in einfach würdiger und erhe- bender Weise über das Wesentlichste aufzuklären. Der Ein- druck ist dann immer ein nur segensvoller. Durch das damit dem Kinde bewiesene Vertrauen wird sein ganzes Ehrgefühl dafür gewonnen, an welchem die unberechenbaren Lockungen der Zukunft zurückprallen. Die Erfahrung lehrt, dass bei wei- tem der grösste Theil Derer, welche auf die eine oder die andere Weise der Wollust verfallen, durch anfängliches Nicht- kennen der Gefahr fast unmerklich hinabgesunken ist. Es liegt in den Lebensverhältnissen der beiderlei Geschlechter, dass diese aufklärenden Ermahnungen bei den Knaben in einer ausführlicheren und nachdrucksvolleren Weise (besonders mit Hinblick auf die herrschende Grundsatzlosigkeit der männ- lichen Jugend) erforderlich sind, als bei Mädchen. Mit dem Herrannahen der nächsten Lebensstufe rückt die Nothwendigkeit der Berufswahl immer mehr in den Vor- dergrund. Während für das Mädchen die Häuslichkeit mit allen ihren verschiedenen Aufgaben der allgemeine Zielpunkt bleiben muss, auf welchen neben der übrigen Ausbildung schon jetzt immer durch vorbereitendes Einschulen recht zweck- mässig hingearbeitet werden kann, so öffnet sich für den Kna- ben eine unendliche Vielseitigkeit der Zielpunkte. Sein der- einstiger Berufskreis soll bestimmungsgemäss ein doppelter sein, dessen einen Mittelpunkt er irgendwo im grossen Kreise des Lebens zu suchen hat, bevor er zum anderen im engen Kreise der Familie gelangt. Er muss also wählen. Da nun die Wahl gewöhnlich in einer Altersperiode ge- schehen muss, wo der nöthige Ueberblick des Lebens und der verschiedenen Berufsarten mangelt, so würden die Aeltern Schreber, Kallipädie. 17

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/261>, abgerufen am 25.11.2024.