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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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8. -- 16. JAHR. KÖRPERL. SEITE. AUSBILDUNG U. PFLEGE EINZELNER THEILE.
gereinigt. Auf die zuvor in's Wasser getauchte Bürste
werden 1 -- 2 Tropfen Rum oder Kölnisches Wasser
oder einer passenden Zahntinctur geträufelt. Die ge-
wöhnlichen Zahnbürsten sind zu hart und scharf, grei-
fen in der Dauer den Schmelz der Zähne und das
Zahnfleisch an, ebenso fast aller Art Zahnpulver, Seife
und ähnliche Substanzen. Letztere sind nur für ge-
wisse Fälle und dann vorübergehend oder ab und zu
(nur nicht täglich) zu gebrauchen. Beim Reinigen
der Zähne wird das Zahnfleisch mit den Fingern von
allen Seiten angedrückt. Dies muss man den Kindern
durch Vormachen verdeutlichen. Das Ausspülen der
Zähne ist ausserdem auch nach jedem Genusse kau-
barer Speise empfehlenswerth. Weinstein-Ansatz bil-
det sich, wo einmal Neigung dazu vorhanden, trotz
harter Bürsten und Pulver und muss vom Zahnarzte
entfernt werden.

Die allergewöhnlichsten, die Zähne vor der Zeit ver-
nichtenden Schädlichkeiten sind: die Temperaturdiffe-
renzen der Speisen und Getränke, der Genuss von
scharfen Säuren und das häufige Beissen harter und
spröder Substanzen. In Ansehung der Temperaturdif-
ferenzen haben wir zu bedenken, dass die äussere
Schicht der Zahnsubstanz (der Schmelz) vermöge ihrer
Härte und Sprödigkeit durch starke und plötzlich sie
treffende Unterschiede der Temperatur leicht berstet,
und von den so entstandenen Risschen aus die Keime
der Zerstörung sich entwickeln. Besonders geschieht
dies durch die stark ausdehnende Wirkung eines hohen
Wärmegrades, durch heisse Speisen oder Getränke, am
allermeisten dann, wenn der Genuss derselben auf
den von kalten Stoffen schnell folgt. Die Temperatur
der Zähne ist durchschnittlich + 28° R. Nun sind
aber bei den meisten Menschen die Mundnerven durch
die Gewöhnung an heisses Essen und Trinken so ab-
gestumpft, dass sie Suppen, Gemüse, Getränke von
+ 45 -- 50° R. eben erst mundrecht finden. Ist nun

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gereinigt. Auf die zuvor in's Wasser getauchte Bürste
werden 1 — 2 Tropfen Rum oder Kölnisches Wasser
oder einer passenden Zahntinctur geträufelt. Die ge-
wöhnlichen Zahnbürsten sind zu hart und scharf, grei-
fen in der Dauer den Schmelz der Zähne und das
Zahnfleisch an, ebenso fast aller Art Zahnpulver, Seife
und ähnliche Substanzen. Letztere sind nur für ge-
wisse Fälle und dann vorübergehend oder ab und zu
(nur nicht täglich) zu gebrauchen. Beim Reinigen
der Zähne wird das Zahnfleisch mit den Fingern von
allen Seiten angedrückt. Dies muss man den Kindern
durch Vormachen verdeutlichen. Das Ausspülen der
Zähne ist ausserdem auch nach jedem Genusse kau-
barer Speise empfehlenswerth. Weinstein-Ansatz bil-
det sich, wo einmal Neigung dazu vorhanden, trotz
harter Bürsten und Pulver und muss vom Zahnarzte
entfernt werden.

Die allergewöhnlichsten, die Zähne vor der Zeit ver-
nichtenden Schädlichkeiten sind: die Temperaturdiffe-
renzen der Speisen und Getränke, der Genuss von
scharfen Säuren und das häufige Beissen harter und
spröder Substanzen. In Ansehung der Temperaturdif-
ferenzen haben wir zu bedenken, dass die äussere
Schicht der Zahnsubstanz (der Schmelz) vermöge ihrer
Härte und Sprödigkeit durch starke und plötzlich sie
treffende Unterschiede der Temperatur leicht berstet,
und von den so entstandenen Risschen aus die Keime
der Zerstörung sich entwickeln. Besonders geschieht
dies durch die stark ausdehnende Wirkung eines hohen
Wärmegrades, durch heisse Speisen oder Getränke, am
allermeisten dann, wenn der Genuss derselben auf
den von kalten Stoffen schnell folgt. Die Temperatur
der Zähne ist durchschnittlich + 28° R. Nun sind
aber bei den meisten Menschen die Mundnerven durch
die Gewöhnung an heisses Essen und Trinken so ab-
gestumpft, dass sie Suppen, Gemüse, Getränke von
+ 45 — 50° R. eben erst mundrecht finden. Ist nun

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[218/0222] 8. — 16. JAHR. KÖRPERL. SEITE. AUSBILDUNG U. PFLEGE EINZELNER THEILE. gereinigt. Auf die zuvor in's Wasser getauchte Bürste werden 1 — 2 Tropfen Rum oder Kölnisches Wasser oder einer passenden Zahntinctur geträufelt. Die ge- wöhnlichen Zahnbürsten sind zu hart und scharf, grei- fen in der Dauer den Schmelz der Zähne und das Zahnfleisch an, ebenso fast aller Art Zahnpulver, Seife und ähnliche Substanzen. Letztere sind nur für ge- wisse Fälle und dann vorübergehend oder ab und zu (nur nicht täglich) zu gebrauchen. Beim Reinigen der Zähne wird das Zahnfleisch mit den Fingern von allen Seiten angedrückt. Dies muss man den Kindern durch Vormachen verdeutlichen. Das Ausspülen der Zähne ist ausserdem auch nach jedem Genusse kau- barer Speise empfehlenswerth. Weinstein-Ansatz bil- det sich, wo einmal Neigung dazu vorhanden, trotz harter Bürsten und Pulver und muss vom Zahnarzte entfernt werden. Die allergewöhnlichsten, die Zähne vor der Zeit ver- nichtenden Schädlichkeiten sind: die Temperaturdiffe- renzen der Speisen und Getränke, der Genuss von scharfen Säuren und das häufige Beissen harter und spröder Substanzen. In Ansehung der Temperaturdif- ferenzen haben wir zu bedenken, dass die äussere Schicht der Zahnsubstanz (der Schmelz) vermöge ihrer Härte und Sprödigkeit durch starke und plötzlich sie treffende Unterschiede der Temperatur leicht berstet, und von den so entstandenen Risschen aus die Keime der Zerstörung sich entwickeln. Besonders geschieht dies durch die stark ausdehnende Wirkung eines hohen Wärmegrades, durch heisse Speisen oder Getränke, am allermeisten dann, wenn der Genuss derselben auf den von kalten Stoffen schnell folgt. Die Temperatur der Zähne ist durchschnittlich + 28° R. Nun sind aber bei den meisten Menschen die Mundnerven durch die Gewöhnung an heisses Essen und Trinken so ab- gestumpft, dass sie Suppen, Gemüse, Getränke von + 45 — 50° R. eben erst mundrecht finden. Ist nun

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/222>, abgerufen am 10.05.2024.