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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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EINLEITUNG.
zustande der Menschheit (dem Seinkönnen und Seinsollen)
sich Dessen klar bewusst zu machen, was überhaupt, und
vorzüglich Dessen, was zunächst und am dringendsten
zu thun nöthig ist, um auf der Bahn allseitiger Fortbildung
und Veredelung vorzuschreiten.

Bei diesem Vergleiche des menschlichen Lebenszustandes
haben wir den Maassstab an diejenigen Völker zu legen, welche
auf der Entwickelungsbahn zum allgemeinen Humanitätsziele
in den vordersten Reihen stehen.

Wir erblicken da neben hochbedeutenden Lichtseiten doch
auch sehr ernste Schattenseiten, recht tiefgreifende Mängel und
Lücken. Denn hat auch die neuere Culturgeschichte der so-
genannten civilisirten Welt mächtige Fortschritte der intellec-
tuellen Seite der Menschennatur aufzuweisen, so ist das Gleiche
doch nicht, ja eher das Gegentheil, der Fall, einestheils in
Bezug auf die körperliche Entwickelung, anderntheils in Be-
zug auf die Entwickelung Dessen, was man Charakter,
Geistesstärke, edle Willenskraft
nennt. Beides --
die
physische und moralische Lebenskräftigkeit -- sind
aber gerade die wesentlichsten Grundlagen einer
harmonischen Gesammtentwickelung und allseitigen
Veredelung der menschlichen Natur, mithin die Grund-
bedingungen zur Erreichung des bestimmungsgemässen
Lebenszieles und des wahren Lebensglückes.

Mögen wir unseren Blick auf das Ganze oder auf das
Einzelne des Menschenlebens der Gegenwart richten, immer
gelangen wir zu dem Resultate, dass gerade unter denjenigen
Völkern, welche an intellectueller Ausbildung am weitesten
vorgeschritten sind, der überwiegenden Mehrzahl der Menschen
die harmonische Vereinigung jenes wahren körperlichen und
geistigen Lebenskernes mehr oder weniger abgeht. Kräftige,
gestählte Naturen und charakterstarke Individualitäten sind --
wir können das nicht läugnen -- in der Minderzahl. Fragt
man nach Beweisen, -- nun sie bieten sich dem gründlich
prüfenden Blicke allerwärts, sogar als der fast durchgehend
gewöhnliche Zustand der gegenwärtigen Menschheit.

Zuerst in physischer Hinsicht offenbart sich Herab-

EINLEITUNG.
zustande der Menschheit (dem Seinkönnen und Seinsollen)
sich Dessen klar bewusst zu machen, was überhaupt, und
vorzüglich Dessen, was zunächst und am dringendsten
zu thun nöthig ist, um auf der Bahn allseitiger Fortbildung
und Veredelung vorzuschreiten.

Bei diesem Vergleiche des menschlichen Lebenszustandes
haben wir den Maassstab an diejenigen Völker zu legen, welche
auf der Entwickelungsbahn zum allgemeinen Humanitätsziele
in den vordersten Reihen stehen.

Wir erblicken da neben hochbedeutenden Lichtseiten doch
auch sehr ernste Schattenseiten, recht tiefgreifende Mängel und
Lücken. Denn hat auch die neuere Culturgeschichte der so-
genannten civilisirten Welt mächtige Fortschritte der intellec-
tuellen Seite der Menschennatur aufzuweisen, so ist das Gleiche
doch nicht, ja eher das Gegentheil, der Fall, einestheils in
Bezug auf die körperliche Entwickelung, anderntheils in Be-
zug auf die Entwickelung Dessen, was man Charakter,
Geistesstärke, edle Willenskraft
nennt. Beides —
die
physische und moralische Lebenskräftigkeit — sind
aber gerade die wesentlichsten Grundlagen einer
harmonischen Gesammtentwickelung und allseitigen
Veredelung der menschlichen Natur, mithin die Grund-
bedingungen zur Erreichung des bestimmungsgemässen
Lebenszieles und des wahren Lebensglückes.

Mögen wir unseren Blick auf das Ganze oder auf das
Einzelne des Menschenlebens der Gegenwart richten, immer
gelangen wir zu dem Resultate, dass gerade unter denjenigen
Völkern, welche an intellectueller Ausbildung am weitesten
vorgeschritten sind, der überwiegenden Mehrzahl der Menschen
die harmonische Vereinigung jenes wahren körperlichen und
geistigen Lebenskernes mehr oder weniger abgeht. Kräftige,
gestählte Naturen und charakterstarke Individualitäten sind —
wir können das nicht läugnen — in der Minderzahl. Fragt
man nach Beweisen, — nun sie bieten sich dem gründlich
prüfenden Blicke allerwärts, sogar als der fast durchgehend
gewöhnliche Zustand der gegenwärtigen Menschheit.

Zuerst in physischer Hinsicht offenbart sich Herab-

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[18/0022] EINLEITUNG. zustande der Menschheit (dem Seinkönnen und Seinsollen) sich Dessen klar bewusst zu machen, was überhaupt, und vorzüglich Dessen, was zunächst und am dringendsten zu thun nöthig ist, um auf der Bahn allseitiger Fortbildung und Veredelung vorzuschreiten. Bei diesem Vergleiche des menschlichen Lebenszustandes haben wir den Maassstab an diejenigen Völker zu legen, welche auf der Entwickelungsbahn zum allgemeinen Humanitätsziele in den vordersten Reihen stehen. Wir erblicken da neben hochbedeutenden Lichtseiten doch auch sehr ernste Schattenseiten, recht tiefgreifende Mängel und Lücken. Denn hat auch die neuere Culturgeschichte der so- genannten civilisirten Welt mächtige Fortschritte der intellec- tuellen Seite der Menschennatur aufzuweisen, so ist das Gleiche doch nicht, ja eher das Gegentheil, der Fall, einestheils in Bezug auf die körperliche Entwickelung, anderntheils in Be- zug auf die Entwickelung Dessen, was man Charakter, Geistesstärke, edle Willenskraft nennt. Beides — die physische und moralische Lebenskräftigkeit — sind aber gerade die wesentlichsten Grundlagen einer harmonischen Gesammtentwickelung und allseitigen Veredelung der menschlichen Natur, mithin die Grund- bedingungen zur Erreichung des bestimmungsgemässen Lebenszieles und des wahren Lebensglückes. Mögen wir unseren Blick auf das Ganze oder auf das Einzelne des Menschenlebens der Gegenwart richten, immer gelangen wir zu dem Resultate, dass gerade unter denjenigen Völkern, welche an intellectueller Ausbildung am weitesten vorgeschritten sind, der überwiegenden Mehrzahl der Menschen die harmonische Vereinigung jenes wahren körperlichen und geistigen Lebenskernes mehr oder weniger abgeht. Kräftige, gestählte Naturen und charakterstarke Individualitäten sind — wir können das nicht läugnen — in der Minderzahl. Fragt man nach Beweisen, — nun sie bieten sich dem gründlich prüfenden Blicke allerwärts, sogar als der fast durchgehend gewöhnliche Zustand der gegenwärtigen Menschheit. Zuerst in physischer Hinsicht offenbart sich Herab-

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/22>, abgerufen am 23.11.2024.