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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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zunehmenden Verschlimmerung ihrer Kurzsichtigkeit preisge-
geben sind. Hier muss der Grundsatz festgehalten werden,
dass der Gegenstand dem Auge soweit als eben zum Erken-
[Abbildung] Fig. 68.
nen durchaus nothwendig
genähert wird, nicht aber
umgekehrt das Auge dem
Gegenstande. Dies geschieht
am besten durch den Mit-
gebrauch eines transportab-
len und beliebig stellbaren
hölzernen Pultchens, wel-
ches durch Fig. 68 in ver-
grössertem Maassstabe an-
schaulich gemacht ist. Ach-
tet man darauf, dass der
Gegenstand stets auf dem
äussersten Punkte der
deutlichen Erkennbarkeit ge-
halten, und das Pultchen
nach Maassgabe der etwaigen Besserung des Auges immer
flacher gestellt wird, so kann man auch meistens bei Kindern
hoffen, dass durch diese stufenweise Uebung das Auge nach
und nach seine normale Sehweite wiedergewinnen werde.

Durch den regelmässigen Gebrauch dieses Geradhalters
werden der Beaufsichtigung der Kinder alle jene verdriessli-
chen und doch fruchtlosen Sorgen und Mühen, welche dieser
Punkt ausserdem verursacht, erspart. Ein halbes oder höch-
stens ganzes Jahr des ausnahmslosen Gebrauches ist in der
Regel ausreichend, um die Gewohnheit einer regelrechten Hal-
tung bei allen Beschäftigungen im Sitzen so fest zu begrün-
den, dass fernerhin jede künstliche Vorkehrung entbehrlich
ist, und nur für die Möglichkeit einer rückfälligen Neigung die
Maassregel in Bereitschaft bleibt.

Nächst der Berücksichtigung der Art ist aber auch die
der Dauer des Sitzens erforderlich. Das Sitzen ist nur eine
halb ruhende Körperstellung. Die damit nothwendig verbun-
dene Gleichgewichtserhaltung des Rumpfes und Kopfes ver-

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zunehmenden Verschlimmerung ihrer Kurzsichtigkeit preisge-
geben sind. Hier muss der Grundsatz festgehalten werden,
dass der Gegenstand dem Auge soweit als eben zum Erken-
[Abbildung] Fig. 68.
nen durchaus nothwendig
genähert wird, nicht aber
umgekehrt das Auge dem
Gegenstande. Dies geschieht
am besten durch den Mit-
gebrauch eines transportab-
len und beliebig stellbaren
hölzernen Pultchens, wel-
ches durch Fig. 68 in ver-
grössertem Maassstabe an-
schaulich gemacht ist. Ach-
tet man darauf, dass der
Gegenstand stets auf dem
äussersten Punkte der
deutlichen Erkennbarkeit ge-
halten, und das Pultchen
nach Maassgabe der etwaigen Besserung des Auges immer
flacher gestellt wird, so kann man auch meistens bei Kindern
hoffen, dass durch diese stufenweise Uebung das Auge nach
und nach seine normale Sehweite wiedergewinnen werde.

Durch den regelmässigen Gebrauch dieses Geradhalters
werden der Beaufsichtigung der Kinder alle jene verdriessli-
chen und doch fruchtlosen Sorgen und Mühen, welche dieser
Punkt ausserdem verursacht, erspart. Ein halbes oder höch-
stens ganzes Jahr des ausnahmslosen Gebrauches ist in der
Regel ausreichend, um die Gewohnheit einer regelrechten Hal-
tung bei allen Beschäftigungen im Sitzen so fest zu begrün-
den, dass fernerhin jede künstliche Vorkehrung entbehrlich
ist, und nur für die Möglichkeit einer rückfälligen Neigung die
Maassregel in Bereitschaft bleibt.

Nächst der Berücksichtigung der Art ist aber auch die
der Dauer des Sitzens erforderlich. Das Sitzen ist nur eine
halb ruhende Körperstellung. Die damit nothwendig verbun-
dene Gleichgewichtserhaltung des Rumpfes und Kopfes ver-

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[206/0210] 8. — 16. JAHR. KÖRPERL. SEITE. KÖRPER-FORM, HALTUNGEN U. GEWOHNHEITEN. zunehmenden Verschlimmerung ihrer Kurzsichtigkeit preisge- geben sind. Hier muss der Grundsatz festgehalten werden, dass der Gegenstand dem Auge soweit als eben zum Erken- [Abbildung Fig. 68.] nen durchaus nothwendig genähert wird, nicht aber umgekehrt das Auge dem Gegenstande. Dies geschieht am besten durch den Mit- gebrauch eines transportab- len und beliebig stellbaren hölzernen Pultchens, wel- ches durch Fig. 68 in ver- grössertem Maassstabe an- schaulich gemacht ist. Ach- tet man darauf, dass der Gegenstand stets auf dem äussersten Punkte der deutlichen Erkennbarkeit ge- halten, und das Pultchen nach Maassgabe der etwaigen Besserung des Auges immer flacher gestellt wird, so kann man auch meistens bei Kindern hoffen, dass durch diese stufenweise Uebung das Auge nach und nach seine normale Sehweite wiedergewinnen werde. Durch den regelmässigen Gebrauch dieses Geradhalters werden der Beaufsichtigung der Kinder alle jene verdriessli- chen und doch fruchtlosen Sorgen und Mühen, welche dieser Punkt ausserdem verursacht, erspart. Ein halbes oder höch- stens ganzes Jahr des ausnahmslosen Gebrauches ist in der Regel ausreichend, um die Gewohnheit einer regelrechten Hal- tung bei allen Beschäftigungen im Sitzen so fest zu begrün- den, dass fernerhin jede künstliche Vorkehrung entbehrlich ist, und nur für die Möglichkeit einer rückfälligen Neigung die Maassregel in Bereitschaft bleibt. Nächst der Berücksichtigung der Art ist aber auch die der Dauer des Sitzens erforderlich. Das Sitzen ist nur eine halb ruhende Körperstellung. Die damit nothwendig verbun- dene Gleichgewichtserhaltung des Rumpfes und Kopfes ver-

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/210>, abgerufen am 25.11.2024.