Gewöhnung gut vertragen lernen. Man richte ja nicht die Be- kleidung der Kinder ängstlich nach jeder, auch der kleinsten Schwankung des Thermometers, sonst verfällt man in den Feh- ler der Verweichlichung. Vielmehr mache man die Kinder frühzeitig mit den eigenen natürlichen Waffen gegen die äusseren Einflüsse bekannt und ermuntere sie, dieselben wacker zu gebrauchen, z. B. bei Frostgefühl tüchtige Bewe- gung u. s. w.
Unter Beobachtung dieser Rücksichten wird das nach bei- den Seiten hin gleich richtige Maass der Bekleidung stets leicht zu treffen sein. Die individuellen Verschiedenheiten der Kin- der und die danach nöthigen Modificationen des Verfahrens müssen wie überall so auch hier immer im Auge behalten werden. Das Wärmebedürfniss der Erwachsenen wird inso- fern nicht als unbedingter Maassstab festgehalten werden kön- nen, da einestheils unter ihnen die Gewöhnung eine zu ver- schiedene ist, anderntheils aber der regere Stoffwechsel im kind- lichen Körper eine lebhaftere Wärmeerzeugung, mithin ein etwas geringeres Bedürfniss äusserer Erwärmung bedingt, als es bei Erwachsenen der Fall ist. Daher sind alle intensiv wärmenden Kleidungsstücke, namentlich alle Art Pelzwerk, vom kindlichen Körper durchaus fernzuhalten. Wollene Stoffe lasse man nicht unmittelbar auf der Haut tragen, sie wird dadurch zu empfindlich und verwöhnt. Für das ganze kindliche Alter halte man die Regel fest, den Hals consequent frei (vgl. S. 51) und den Kopf nur im Freien leicht bedeckt tragen zu lassen. Die Schleier der Mädchen sind zu missbilligen, theils weil sie Verwöhnungsmittel für alle Theile des Gesichtes sind, theils weil sie durch die feingitterigen Unterbrechungen des Sehfel- des der Sehkraft nachtheilig werden.
Da die Bekleidungsweise der Kinder dieses Alters hinsicht- lich ihres mechanischen Einflusses auf den Körper und ihrer danach zu bestimmenden gesundheitsgemässen Beschaffenheit, grösstentheils noch von ernstlichen Missbräuchen, namentlich dem Zwange der Modesucht verschont ist, so wollen wir alles hierauf Bezügliche erst im betreffenden Artikel des dritten Theiles dieser Schrift im Zusammenhange besprechen, woselbst
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2.—7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEKLEIDUNG.
Gewöhnung gut vertragen lernen. Man richte ja nicht die Be- kleidung der Kinder ängstlich nach jeder, auch der kleinsten Schwankung des Thermometers, sonst verfällt man in den Feh- ler der Verweichlichung. Vielmehr mache man die Kinder frühzeitig mit den eigenen natürlichen Waffen gegen die äusseren Einflüsse bekannt und ermuntere sie, dieselben wacker zu gebrauchen, z. B. bei Frostgefühl tüchtige Bewe- gung u. s. w.
Unter Beobachtung dieser Rücksichten wird das nach bei- den Seiten hin gleich richtige Maass der Bekleidung stets leicht zu treffen sein. Die individuellen Verschiedenheiten der Kin- der und die danach nöthigen Modificationen des Verfahrens müssen wie überall so auch hier immer im Auge behalten werden. Das Wärmebedürfniss der Erwachsenen wird inso- fern nicht als unbedingter Maassstab festgehalten werden kön- nen, da einestheils unter ihnen die Gewöhnung eine zu ver- schiedene ist, anderntheils aber der regere Stoffwechsel im kind- lichen Körper eine lebhaftere Wärmeerzeugung, mithin ein etwas geringeres Bedürfniss äusserer Erwärmung bedingt, als es bei Erwachsenen der Fall ist. Daher sind alle intensiv wärmenden Kleidungsstücke, namentlich alle Art Pelzwerk, vom kindlichen Körper durchaus fernzuhalten. Wollene Stoffe lasse man nicht unmittelbar auf der Haut tragen, sie wird dadurch zu empfindlich und verwöhnt. Für das ganze kindliche Alter halte man die Regel fest, den Hals consequent frei (vgl. S. 51) und den Kopf nur im Freien leicht bedeckt tragen zu lassen. Die Schleier der Mädchen sind zu missbilligen, theils weil sie Verwöhnungsmittel für alle Theile des Gesichtes sind, theils weil sie durch die feingitterigen Unterbrechungen des Sehfel- des der Sehkraft nachtheilig werden.
Da die Bekleidungsweise der Kinder dieses Alters hinsicht- lich ihres mechanischen Einflusses auf den Körper und ihrer danach zu bestimmenden gesundheitsgemässen Beschaffenheit, grösstentheils noch von ernstlichen Missbräuchen, namentlich dem Zwange der Modesucht verschont ist, so wollen wir alles hierauf Bezügliche erst im betreffenden Artikel des dritten Theiles dieser Schrift im Zusammenhange besprechen, woselbst
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2.—7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEKLEIDUNG.
Gewöhnung gut vertragen lernen. Man richte ja nicht die Be-
kleidung der Kinder ängstlich nach jeder, auch der kleinsten
Schwankung des Thermometers, sonst verfällt man in den Feh-
ler der Verweichlichung. Vielmehr mache man die Kinder
frühzeitig mit den eigenen natürlichen Waffen gegen die
äusseren Einflüsse bekannt und ermuntere sie, dieselben
wacker zu gebrauchen, z. B. bei Frostgefühl tüchtige Bewe-
gung u. s. w.
Unter Beobachtung dieser Rücksichten wird das nach bei-
den Seiten hin gleich richtige Maass der Bekleidung stets leicht
zu treffen sein. Die individuellen Verschiedenheiten der Kin-
der und die danach nöthigen Modificationen des Verfahrens
müssen wie überall so auch hier immer im Auge behalten
werden. Das Wärmebedürfniss der Erwachsenen wird inso-
fern nicht als unbedingter Maassstab festgehalten werden kön-
nen, da einestheils unter ihnen die Gewöhnung eine zu ver-
schiedene ist, anderntheils aber der regere Stoffwechsel im kind-
lichen Körper eine lebhaftere Wärmeerzeugung, mithin ein
etwas geringeres Bedürfniss äusserer Erwärmung bedingt, als
es bei Erwachsenen der Fall ist. Daher sind alle intensiv
wärmenden Kleidungsstücke, namentlich alle Art Pelzwerk, vom
kindlichen Körper durchaus fernzuhalten. Wollene Stoffe lasse
man nicht unmittelbar auf der Haut tragen, sie wird dadurch
zu empfindlich und verwöhnt. Für das ganze kindliche Alter
halte man die Regel fest, den Hals consequent frei (vgl. S. 51)
und den Kopf nur im Freien leicht bedeckt tragen zu lassen.
Die Schleier der Mädchen sind zu missbilligen, theils weil sie
Verwöhnungsmittel für alle Theile des Gesichtes sind, theils
weil sie durch die feingitterigen Unterbrechungen des Sehfel-
des der Sehkraft nachtheilig werden.
Da die Bekleidungsweise der Kinder dieses Alters hinsicht-
lich ihres mechanischen Einflusses auf den Körper und ihrer
danach zu bestimmenden gesundheitsgemässen Beschaffenheit,
grösstentheils noch von ernstlichen Missbräuchen, namentlich
dem Zwange der Modesucht verschont ist, so wollen wir alles
hierauf Bezügliche erst im betreffenden Artikel des dritten
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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/103>, abgerufen am 01.08.2024.
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