Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676.

Bild:
<< vorherige Seite
Nachdenkliche Beschreibung
LXXI.
WAs ist greulicher/ als sich selbsten grimmig-
lich zerbeissen/
Und sein' eigne Haut und Fleisch/ nagen und
zu stükken reissen?
Dieses thut der Höllenwurm/ O der Wurm/
so nimmer stirbt/
Der durch nagend-steten Biß seine Nahrung
fort erwirbt.


Sich selbsten grimmiglich zerbeissen) Jn
der Welt und in zeitlichen Martersachen hat man zwar
Exempel/ daß einer sich selbst grimmiglich zerbissen und
aufgefressen hat/ als in eusserster Hungersnoht/ da ein
solcher ausgehungerter ihm selbst das Fleisch von den Ar-
men abgebissen und verschlukket hat: Auch wol bei etzli-
chen gantz rasenden/ die sich selbst zerbissen haben: Auch
wol bei schreklichster Peinigung/ da man grosse Ubelthä-
ter langsam gebraten/ und sie selbst gezwungen hat/ das
mürbe und gebratene von ihrem Leibe abzufressen/ wie
dergleichen grausame Exempel in Ungern und Polen
vorgangen sein: Aber sich grimmiglich und stetiglich
selbsten zerbeissen/ und seine eigene Haut und Fleisch ab-
nagen und in stükken reissen/ davon hier der Reimtext
saget/ solches wird auf wunderbare Art in der Hölle von
den Verdamten geschehen.

Keine grössere Angst und Pein ist/ als die Ge-
wissensangst
und Gewissenspein/ wan nemlich ein je-
der selbst sein eigen Richter und Peiniger wird/ und
mit den Zähnen/ und durch das Gebiß des Gewissens/

sich
Nachdenkliche Beſchreibung
LXXI.
WAs iſt greulicher/ als ſich ſelbſten grimmig-
lich zerbeiſſen/
Und ſein’ eigne Haut und Fleiſch/ nagen und
zu ſtuͤkken reiſſen?
Dieſes thut der Hoͤllenwurm/ O der Wurm/
ſo nimmer ſtirbt/
Der durch nagend-ſteten Biß ſeine Nahrung
fort erwirbt.


Sich ſelbſten grimmiglich zerbeiſſen) Jn
der Welt und in zeitlichen Marterſachen hat man zwar
Exempel/ daß einer ſich ſelbſt grimmiglich zerbiſſen und
aufgefreſſen hat/ als in euſſerſter Hungersnoht/ da ein
ſolcher ausgehungerter ihm ſelbſt das Fleiſch von den Ar-
men abgebiſſen und verſchlukket hat: Auch wol bei etzli-
chen gantz raſenden/ die ſich ſelbſt zerbiſſen haben: Auch
wol bei ſchreklichſter Peinigung/ da man groſſe Ubelthaͤ-
ter langſam gebraten/ und ſie ſelbſt gezwungen hat/ das
muͤrbe und gebratene von ihrem Leibe abzufreſſen/ wie
dergleichen grauſame Exempel in Ungern und Polen
vorgangen ſein: Aber ſich grimmiglich und ſtetiglich
ſelbſten zerbeiſſen/ und ſeine eigene Haut und Fleiſch ab-
nagen und in ſtuͤkken reiſſen/ davon hier der Reimtext
ſaget/ ſolches wird auf wunderbare Art in der Hoͤlle von
den Verdamten geſchehen.

Keine groͤſſere Angſt und Pein iſt/ als die Ge-
wiſſensangſt
und Gewiſſenspein/ wan nemlich ein je-
der ſelbſt ſein eigen Richter und Peiniger wird/ und
mit den Zaͤhnen/ und durch das Gebiß des Gewiſſens/

ſich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0296" n="228"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Nachdenkliche Be&#x017F;chreibung</hi> </fw><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">LXXI.</hi> </hi> </head><lb/>
        <lg type="poem">
          <l><hi rendition="#in">W</hi>As i&#x017F;t greulicher/ als &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten grimmig-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">lich zerbei&#x017F;&#x017F;en/</hi> </l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ein&#x2019; eigne Haut und Flei&#x017F;ch/ nagen und</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">zu &#x017F;tu&#x0364;kken rei&#x017F;&#x017F;en?</hi> </l><lb/>
          <l>Die&#x017F;es thut der Ho&#x0364;llenwurm/ O der Wurm/</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;o nimmer &#x017F;tirbt/</hi> </l><lb/>
          <l>Der durch nagend-&#x017F;teten Biß &#x017F;eine Nahrung</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">fort erwirbt.</hi> </l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Sich &#x017F;elb&#x017F;ten grimmiglich zerbei&#x017F;&#x017F;en</hi>) Jn<lb/>
der Welt und in zeitlichen Marter&#x017F;achen hat man zwar<lb/>
Exempel/ daß einer &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t grimmiglich zerbi&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
aufgefre&#x017F;&#x017F;en hat/ als in eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ter Hungersnoht/ da ein<lb/>
&#x017F;olcher ausgehungerter ihm &#x017F;elb&#x017F;t das Flei&#x017F;ch von den Ar-<lb/>
men abgebi&#x017F;&#x017F;en und ver&#x017F;chlukket hat: Auch wol bei etzli-<lb/>
chen gantz ra&#x017F;enden/ die &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zerbi&#x017F;&#x017F;en haben: Auch<lb/>
wol bei &#x017F;chreklich&#x017F;ter Peinigung/ da man gro&#x017F;&#x017F;e Ubeltha&#x0364;-<lb/>
ter lang&#x017F;am gebraten/ und &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t gezwungen hat/ das<lb/>
mu&#x0364;rbe und gebratene von ihrem Leibe abzufre&#x017F;&#x017F;en/ wie<lb/>
dergleichen grau&#x017F;ame Exempel in Ungern und Polen<lb/>
vorgangen &#x017F;ein: Aber &#x017F;ich grimmiglich und &#x017F;tetiglich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;ten zerbei&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;eine eigene Haut und Flei&#x017F;ch ab-<lb/>
nagen und in &#x017F;tu&#x0364;kken rei&#x017F;&#x017F;en/ davon hier der Reimtext<lb/>
&#x017F;aget/ &#x017F;olches wird auf wunderbare Art in der Ho&#x0364;lle von<lb/>
den Verdamten ge&#x017F;chehen.</p><lb/>
        <p>Keine gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Ang&#x017F;t und Pein i&#x017F;t/ als die <hi rendition="#fr">Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;ensang&#x017F;t</hi> und Gewi&#x017F;&#x017F;enspein/ wan nemlich ein je-<lb/>
der &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ein <hi rendition="#fr">eigen Richter</hi> und <hi rendition="#fr">Peiniger</hi> wird/ und<lb/>
mit den Za&#x0364;hnen/ und durch das Gebiß des Gewi&#x017F;&#x017F;ens/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0296] Nachdenkliche Beſchreibung LXXI. WAs iſt greulicher/ als ſich ſelbſten grimmig- lich zerbeiſſen/ Und ſein’ eigne Haut und Fleiſch/ nagen und zu ſtuͤkken reiſſen? Dieſes thut der Hoͤllenwurm/ O der Wurm/ ſo nimmer ſtirbt/ Der durch nagend-ſteten Biß ſeine Nahrung fort erwirbt. Sich ſelbſten grimmiglich zerbeiſſen) Jn der Welt und in zeitlichen Marterſachen hat man zwar Exempel/ daß einer ſich ſelbſt grimmiglich zerbiſſen und aufgefreſſen hat/ als in euſſerſter Hungersnoht/ da ein ſolcher ausgehungerter ihm ſelbſt das Fleiſch von den Ar- men abgebiſſen und verſchlukket hat: Auch wol bei etzli- chen gantz raſenden/ die ſich ſelbſt zerbiſſen haben: Auch wol bei ſchreklichſter Peinigung/ da man groſſe Ubelthaͤ- ter langſam gebraten/ und ſie ſelbſt gezwungen hat/ das muͤrbe und gebratene von ihrem Leibe abzufreſſen/ wie dergleichen grauſame Exempel in Ungern und Polen vorgangen ſein: Aber ſich grimmiglich und ſtetiglich ſelbſten zerbeiſſen/ und ſeine eigene Haut und Fleiſch ab- nagen und in ſtuͤkken reiſſen/ davon hier der Reimtext ſaget/ ſolches wird auf wunderbare Art in der Hoͤlle von den Verdamten geſchehen. Keine groͤſſere Angſt und Pein iſt/ als die Ge- wiſſensangſt und Gewiſſenspein/ wan nemlich ein je- der ſelbſt ſein eigen Richter und Peiniger wird/ und mit den Zaͤhnen/ und durch das Gebiß des Gewiſſens/ ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/296
Zitationshilfe: Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/296>, abgerufen am 24.11.2024.