Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

-- "Wir nahmen Abschied auf Nimmerwieder-
sehen," sagte endlich der Prophet, und zwang sich
zu einem spottenden Tone, von dem sein Herz nichts
wußte; denn seltsam genug, so schwer er auch von
Arnold gereizt worden war; so lebhaft er auch den
Wunsch gehegt hatte, denselben in seine Gewalt zu
bekommen, um sich an ihm zu rächen, so konnte
er sich doch beim Anblick der Leiden, denen dieser
so sichtbar unterlag, eines ihm selbst unerklärlichen
Mitleids nicht erwehren.

-- "Sie haben es anders gewollt, Sir," ver-
setzte Arnold, als Jener, sich in Gedanken vertie-
fend, seinen Redesatz unvollendet ließ. "Jch, für
meinen Theil, habe das Wiedersehen nicht gesucht,"
fügte er hinzu, "sondern hätte lieber für immer
mit Jhnen abgeschlossen gehabt."

-- "Jch glaube Jhnen das, Sir, ich glaube
es Jhnen! Jhre Lage, einem Manne gegenüber,
den Sie tödtlich beleidigt, dessen Güte Sie mit Un-
dank, dessen Wohlwollen Sie mit Haß erwidert ha-
ben, Jhre Lage, einem solchen Manne, als sein
Gefangener, gegenüber, kann nicht eben angenehm
seyn."

-- "Zu welchem Zwecke haben Sie mich hieher
kommen lassen, Sir?" fragte Arnold streng; "mich
zu tödten, mit eigner Hand zu tödten? dem Ge-

— „Wir nahmen Abſchied auf Nimmerwieder-
ſehen,“ ſagte endlich der Prophet, und zwang ſich
zu einem ſpottenden Tone, von dem ſein Herz nichts
wußte; denn ſeltſam genug, ſo ſchwer er auch von
Arnold gereizt worden war; ſo lebhaft er auch den
Wunſch gehegt hatte, denſelben in ſeine Gewalt zu
bekommen, um ſich an ihm zu rächen, ſo konnte
er ſich doch beim Anblick der Leiden, denen dieſer
ſo ſichtbar unterlag, eines ihm ſelbſt unerklärlichen
Mitleids nicht erwehren.

— „Sie haben es anders gewollt, Sir,“ ver-
ſetzte Arnold, als Jener, ſich in Gedanken vertie-
fend, ſeinen Redeſatz unvollendet ließ. „Jch, für
meinen Theil, habe das Wiederſehen nicht geſucht,“
fügte er hinzu, „ſondern hätte lieber für immer
mit Jhnen abgeſchloſſen gehabt.“

— „Jch glaube Jhnen das, Sir, ich glaube
es Jhnen! Jhre Lage, einem Manne gegenüber,
den Sie tödtlich beleidigt, deſſen Güte Sie mit Un-
dank, deſſen Wohlwollen Sie mit Haß erwidert ha-
ben, Jhre Lage, einem ſolchen Manne, als ſein
Gefangener, gegenüber, kann nicht eben angenehm
ſeyn.“

— „Zu welchem Zwecke haben Sie mich hieher
kommen laſſen, Sir?“ fragte Arnold ſtreng; „mich
zu tödten, mit eigner Hand zu tödten? dem Ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0093" n="87"/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Wir nahmen Ab&#x017F;chied auf Nimmerwieder-<lb/>
&#x017F;ehen,&#x201C; &#x017F;agte endlich der Prophet, und zwang &#x017F;ich<lb/>
zu einem &#x017F;pottenden Tone, von dem &#x017F;ein Herz nichts<lb/>
wußte; denn &#x017F;elt&#x017F;am genug, &#x017F;o &#x017F;chwer er auch von<lb/>
Arnold gereizt worden war; &#x017F;o lebhaft er auch den<lb/>
Wun&#x017F;ch gehegt hatte, den&#x017F;elben in &#x017F;eine Gewalt zu<lb/>
bekommen, um &#x017F;ich an ihm zu rächen, &#x017F;o konnte<lb/>
er &#x017F;ich doch beim Anblick der Leiden, denen die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ichtbar unterlag, eines ihm &#x017F;elb&#x017F;t unerklärlichen<lb/>
Mitleids nicht erwehren.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Sie haben es anders gewollt, Sir,&#x201C; ver-<lb/>
&#x017F;etzte Arnold, als Jener, &#x017F;ich in Gedanken vertie-<lb/>
fend, &#x017F;einen Rede&#x017F;atz unvollendet ließ. &#x201E;Jch, für<lb/>
meinen Theil, habe das Wieder&#x017F;ehen nicht ge&#x017F;ucht,&#x201C;<lb/>
fügte er hinzu, &#x201E;&#x017F;ondern hätte lieber für immer<lb/>
mit Jhnen abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en gehabt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Jch glaube Jhnen das, Sir, ich glaube<lb/>
es Jhnen! Jhre Lage, einem Manne gegenüber,<lb/>
den Sie tödtlich beleidigt, de&#x017F;&#x017F;en Güte Sie mit Un-<lb/>
dank, de&#x017F;&#x017F;en Wohlwollen Sie mit Haß erwidert ha-<lb/>
ben, Jhre Lage, einem &#x017F;olchen Manne, als &#x017F;ein<lb/>
Gefangener, gegenüber, kann nicht eben angenehm<lb/>
&#x017F;eyn.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Zu welchem Zwecke haben Sie mich hieher<lb/>
kommen la&#x017F;&#x017F;en, Sir?&#x201C; fragte Arnold &#x017F;treng; &#x201E;mich<lb/>
zu tödten, mit eigner Hand zu tödten? dem Ge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0093] — „Wir nahmen Abſchied auf Nimmerwieder- ſehen,“ ſagte endlich der Prophet, und zwang ſich zu einem ſpottenden Tone, von dem ſein Herz nichts wußte; denn ſeltſam genug, ſo ſchwer er auch von Arnold gereizt worden war; ſo lebhaft er auch den Wunſch gehegt hatte, denſelben in ſeine Gewalt zu bekommen, um ſich an ihm zu rächen, ſo konnte er ſich doch beim Anblick der Leiden, denen dieſer ſo ſichtbar unterlag, eines ihm ſelbſt unerklärlichen Mitleids nicht erwehren. — „Sie haben es anders gewollt, Sir,“ ver- ſetzte Arnold, als Jener, ſich in Gedanken vertie- fend, ſeinen Redeſatz unvollendet ließ. „Jch, für meinen Theil, habe das Wiederſehen nicht geſucht,“ fügte er hinzu, „ſondern hätte lieber für immer mit Jhnen abgeſchloſſen gehabt.“ — „Jch glaube Jhnen das, Sir, ich glaube es Jhnen! Jhre Lage, einem Manne gegenüber, den Sie tödtlich beleidigt, deſſen Güte Sie mit Un- dank, deſſen Wohlwollen Sie mit Haß erwidert ha- ben, Jhre Lage, einem ſolchen Manne, als ſein Gefangener, gegenüber, kann nicht eben angenehm ſeyn.“ — „Zu welchem Zwecke haben Sie mich hieher kommen laſſen, Sir?“ fragte Arnold ſtreng; „mich zu tödten, mit eigner Hand zu tödten? dem Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/93
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/93>, abgerufen am 27.04.2024.