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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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Fünftes Kapitel.
Dina's Geständnisse
.


Jch muß, so sehr sich auch mein Glaube an die
Gerechtigkeit Gottes dagegen sträubt, an Prädestina-
tion glauben.

Schon meine Geburt bestimmte mich zum Un-
glück und dieses ist nicht müde geworden, mich bis
zum Rande des Grabes, an dem ich jetzt stehe, zu
verfolgen.

Bevor ich in dasselbe hinabsteige, will ich noch
einen Blick auf die Erlebnisse meines unglückseligen
Lebens, auf mein eigenes Herz, auf seine Verirrun-
gen und meine Sünden werfen, denn dieses Wühlen
in den eigenen tiefen Wunden wird ja auch ein Werk
der Buße seyn, und ich will mir keins ersparen, will
den Gallenbecher des Schmerzes bis auf den letzten
Tropfen leeren, um mit mehr Hoffnung, mit größe-
rem Vertrauen der ewigen Vergeltung entgegengehen
zu können.

Dann ist auch dem Menschen zugleich mit dem
Vermögen der Sprache das Bedürfniß der Mitthei-
lung gegeben, und ich, die ich längst alle Bande, die

Fünftes Kapitel.
Dina’s Geſtändniſſe
.


Jch muß, ſo ſehr ſich auch mein Glaube an die
Gerechtigkeit Gottes dagegen ſträubt, an Prädeſtina-
tion glauben.

Schon meine Geburt beſtimmte mich zum Un-
glück und dieſes iſt nicht müde geworden, mich bis
zum Rande des Grabes, an dem ich jetzt ſtehe, zu
verfolgen.

Bevor ich in daſſelbe hinabſteige, will ich noch
einen Blick auf die Erlebniſſe meines unglückſeligen
Lebens, auf mein eigenes Herz, auf ſeine Verirrun-
gen und meine Sünden werfen, denn dieſes Wühlen
in den eigenen tiefen Wunden wird ja auch ein Werk
der Buße ſeyn, und ich will mir keins erſparen, will
den Gallenbecher des Schmerzes bis auf den letzten
Tropfen leeren, um mit mehr Hoffnung, mit größe-
rem Vertrauen der ewigen Vergeltung entgegengehen
zu können.

Dann iſt auch dem Menſchen zugleich mit dem
Vermögen der Sprache das Bedürfniß der Mitthei-
lung gegeben, und ich, die ich längſt alle Bande, die

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[92/0098] Fünftes Kapitel. Dina’s Geſtändniſſe. Jch muß, ſo ſehr ſich auch mein Glaube an die Gerechtigkeit Gottes dagegen ſträubt, an Prädeſtina- tion glauben. Schon meine Geburt beſtimmte mich zum Un- glück und dieſes iſt nicht müde geworden, mich bis zum Rande des Grabes, an dem ich jetzt ſtehe, zu verfolgen. Bevor ich in daſſelbe hinabſteige, will ich noch einen Blick auf die Erlebniſſe meines unglückſeligen Lebens, auf mein eigenes Herz, auf ſeine Verirrun- gen und meine Sünden werfen, denn dieſes Wühlen in den eigenen tiefen Wunden wird ja auch ein Werk der Buße ſeyn, und ich will mir keins erſparen, will den Gallenbecher des Schmerzes bis auf den letzten Tropfen leeren, um mit mehr Hoffnung, mit größe- rem Vertrauen der ewigen Vergeltung entgegengehen zu können. Dann iſt auch dem Menſchen zugleich mit dem Vermögen der Sprache das Bedürfniß der Mitthei- lung gegeben, und ich, die ich längſt alle Bande, die

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/98>, abgerufen am 23.11.2024.