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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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man es einem Manne zum größesten Schimpfe an-
rechnen, wenn er seine körperliche Ueberlegenheit dem
schwächeren Weibe gegenüber mißbrauchte. Hier weiß
man nichts von den Erniedrigungen und Mißhand-
lungen, denen die Frauen des Orients größtentheils
ausgesetzt sind. Nur das ist der Vorzug, den der
Mann vor der Frau hat, daß er in den Krieg gehen
darf, während sie zu Haus bleiben und sich der
Wirthschaft widmen, für die Bereitung der Speisen,
für die Kleidung, die Kindererziehung und die Ord-
nung im Wigwam sorgen muß.

Der große Pelikan, Arnolds Gastfreund, konnte
nicht müde werden, sich bei diesem nach europäischen
Sitten und Gebräuchen zu erkundigen, denn er war
ein überaus wißbegieriger Mann und wollte gern Al-
les wissen. Jm Laufe eines ihrer Gespräche erkun-
digte er sich auch nach Arnolds Beschäftigungen, wenn
er daheim wäre, und dieser suchte sie ihm, so weit
es anging, begreiflich zu machen.

-- "Nimm es mir nicht übel, mein bleicher
Bruder," sagte der große Pelikan bei dieser Gelegen-
heit zu ihm, "aber es scheint mir, du könntest Nütz-
licheres und Besseres thun, als die große Erde, die
der gute Geist ja allen seinen Menschen gemeinschaft-
lich verliehen hat, auszumessen und in kleine Theile
zu theilen, wodurch Jeder arm wird oder wobei, was

man es einem Manne zum größeſten Schimpfe an-
rechnen, wenn er ſeine körperliche Ueberlegenheit dem
ſchwächeren Weibe gegenüber mißbrauchte. Hier weiß
man nichts von den Erniedrigungen und Mißhand-
lungen, denen die Frauen des Orients größtentheils
ausgeſetzt ſind. Nur das iſt der Vorzug, den der
Mann vor der Frau hat, daß er in den Krieg gehen
darf, während ſie zu Haus bleiben und ſich der
Wirthſchaft widmen, für die Bereitung der Speiſen,
für die Kleidung, die Kindererziehung und die Ord-
nung im Wigwam ſorgen muß.

Der große Pelikan, Arnolds Gaſtfreund, konnte
nicht müde werden, ſich bei dieſem nach europäiſchen
Sitten und Gebräuchen zu erkundigen, denn er war
ein überaus wißbegieriger Mann und wollte gern Al-
les wiſſen. Jm Laufe eines ihrer Geſpräche erkun-
digte er ſich auch nach Arnolds Beſchäftigungen, wenn
er daheim wäre, und dieſer ſuchte ſie ihm, ſo weit
es anging, begreiflich zu machen.

— „Nimm es mir nicht übel, mein bleicher
Bruder,“ ſagte der große Pelikan bei dieſer Gelegen-
heit zu ihm, „aber es ſcheint mir, du könnteſt Nütz-
licheres und Beſſeres thun, als die große Erde, die
der gute Geiſt ja allen ſeinen Menſchen gemeinſchaft-
lich verliehen hat, auszumeſſen und in kleine Theile
zu theilen, wodurch Jeder arm wird oder wobei, was

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[27/0033] man es einem Manne zum größeſten Schimpfe an- rechnen, wenn er ſeine körperliche Ueberlegenheit dem ſchwächeren Weibe gegenüber mißbrauchte. Hier weiß man nichts von den Erniedrigungen und Mißhand- lungen, denen die Frauen des Orients größtentheils ausgeſetzt ſind. Nur das iſt der Vorzug, den der Mann vor der Frau hat, daß er in den Krieg gehen darf, während ſie zu Haus bleiben und ſich der Wirthſchaft widmen, für die Bereitung der Speiſen, für die Kleidung, die Kindererziehung und die Ord- nung im Wigwam ſorgen muß. Der große Pelikan, Arnolds Gaſtfreund, konnte nicht müde werden, ſich bei dieſem nach europäiſchen Sitten und Gebräuchen zu erkundigen, denn er war ein überaus wißbegieriger Mann und wollte gern Al- les wiſſen. Jm Laufe eines ihrer Geſpräche erkun- digte er ſich auch nach Arnolds Beſchäftigungen, wenn er daheim wäre, und dieſer ſuchte ſie ihm, ſo weit es anging, begreiflich zu machen. — „Nimm es mir nicht übel, mein bleicher Bruder,“ ſagte der große Pelikan bei dieſer Gelegen- heit zu ihm, „aber es ſcheint mir, du könnteſt Nütz- licheres und Beſſeres thun, als die große Erde, die der gute Geiſt ja allen ſeinen Menſchen gemeinſchaft- lich verliehen hat, auszumeſſen und in kleine Theile zu theilen, wodurch Jeder arm wird oder wobei, was

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/33>, abgerufen am 21.11.2024.