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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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Puls zwischen seinen Fingern; die Sonne warf ihre
Strahlen auf sein verdüstertes Antlitz; ich erschrak
vor seinem Anblick, denn so hatte ich ihn nie zuvor
gesehen. Schaudernd zog ich meine Hand aus der
seinigen zurück und doch wußte ich nicht weshalb, da
ich in dem Augenblick jegliche Erinnerung an die Ver-
gangenheit verloren hatte. Vielleicht erschreckte mich
nun sein todtenbleiches Gesicht, seine zugleich finstre
und erschrockene Miene.

-- "Unglückliche!" flüsterte er mir zu, als er
sah, daß ich die Augen öffnete und ihn starr anblickte,
"Unglückliche, wo hast du dein Kind gelassen?"

-- "Mein Kind?" fragte ich und sah ihn mit
Blicken des Wahnsinns an; "mein Kind?" wieder-
holte ich.

-- "Mächte des Himmels!" rief er, verzweif-
lungsvoll die Hände zusammenschlagend, "sie ist wahn-
sinnig!"

Er sank in sich zusammen und blieb lange in
dieser Stellung. Dann richtete er sich plötzlich wie-
der empor, sah mich mit zärtlichen Blicken an und
sprach mit jenem Tone der Stimme, der mein Herz
so oft mit Seligkeit, mit unaussprechlichem Entzücken
erfüllt hatte:

-- "Dina, geliebte Dina, wo ist dein, wo ist
unser Kind?"

10 *

Puls zwiſchen ſeinen Fingern; die Sonne warf ihre
Strahlen auf ſein verdüſtertes Antlitz; ich erſchrak
vor ſeinem Anblick, denn ſo hatte ich ihn nie zuvor
geſehen. Schaudernd zog ich meine Hand aus der
ſeinigen zurück und doch wußte ich nicht weshalb, da
ich in dem Augenblick jegliche Erinnerung an die Ver-
gangenheit verloren hatte. Vielleicht erſchreckte mich
nun ſein todtenbleiches Geſicht, ſeine zugleich finſtre
und erſchrockene Miene.

— „Unglückliche!“ flüſterte er mir zu, als er
ſah, daß ich die Augen öffnete und ihn ſtarr anblickte,
„Unglückliche, wo haſt du dein Kind gelaſſen?“

— „Mein Kind?“ fragte ich und ſah ihn mit
Blicken des Wahnſinns an; „mein Kind?“ wieder-
holte ich.

— „Mächte des Himmels!“ rief er, verzweif-
lungsvoll die Hände zuſammenſchlagend, „ſie iſt wahn-
ſinnig!“

Er ſank in ſich zuſammen und blieb lange in
dieſer Stellung. Dann richtete er ſich plötzlich wie-
der empor, ſah mich mit zärtlichen Blicken an und
ſprach mit jenem Tone der Stimme, der mein Herz
ſo oft mit Seligkeit, mit unausſprechlichem Entzücken
erfüllt hatte:

— „Dina, geliebte Dina, wo iſt dein, wo iſt
unſer Kind?“

10 *
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[147/0153] Puls zwiſchen ſeinen Fingern; die Sonne warf ihre Strahlen auf ſein verdüſtertes Antlitz; ich erſchrak vor ſeinem Anblick, denn ſo hatte ich ihn nie zuvor geſehen. Schaudernd zog ich meine Hand aus der ſeinigen zurück und doch wußte ich nicht weshalb, da ich in dem Augenblick jegliche Erinnerung an die Ver- gangenheit verloren hatte. Vielleicht erſchreckte mich nun ſein todtenbleiches Geſicht, ſeine zugleich finſtre und erſchrockene Miene. — „Unglückliche!“ flüſterte er mir zu, als er ſah, daß ich die Augen öffnete und ihn ſtarr anblickte, „Unglückliche, wo haſt du dein Kind gelaſſen?“ — „Mein Kind?“ fragte ich und ſah ihn mit Blicken des Wahnſinns an; „mein Kind?“ wieder- holte ich. — „Mächte des Himmels!“ rief er, verzweif- lungsvoll die Hände zuſammenſchlagend, „ſie iſt wahn- ſinnig!“ Er ſank in ſich zuſammen und blieb lange in dieſer Stellung. Dann richtete er ſich plötzlich wie- der empor, ſah mich mit zärtlichen Blicken an und ſprach mit jenem Tone der Stimme, der mein Herz ſo oft mit Seligkeit, mit unausſprechlichem Entzücken erfüllt hatte: — „Dina, geliebte Dina, wo iſt dein, wo iſt unſer Kind?“ 10 *

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/153>, abgerufen am 24.11.2024.