Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.müdung verschloß ich mein Zimmer und legte mich Jch verlebte so abwechselnd meine Tage zwischen Endlich kam er doch. Wie flog ihm meine ganze Er blieb nicht lange; aber er war unaussprech- müdung verſchloß ich mein Zimmer und legte mich Jch verlebte ſo abwechſelnd meine Tage zwiſchen Endlich kam er doch. Wie flog ihm meine ganze Er blieb nicht lange; aber er war unausſprech- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0138" n="132"/> müdung verſchloß ich mein Zimmer und legte mich<lb/> auf’s Bett, nicht um zu ſchlafen, ſondern um unge-<lb/> ſtört und ungeſehen weinen zu können.</p><lb/> <p>Jch verlebte ſo abwechſelnd meine Tage zwiſchen<lb/> Schmerz und mir bisher ganz neuen Genüſſen. Jch<lb/> war frei, ich durfte gehen, wohin ich wollte; meine<lb/> gute Wirthin war immer gleich freundlich, gleich lie-<lb/> bevoll und zuvorkommend gegen mich; ich genoß un-<lb/> geſtört der zugleich reizendſten und erhabenſten Aus-<lb/> ſicht; mir wurde kein unfreundliches Wort geſagt; ich<lb/> hatte mich vor keiner üblen Laune zu fürchten; aber<lb/><hi rendition="#g">Er</hi> fehlte mir, Er, der mir Alles war!</p><lb/> <p>Endlich kam er doch. Wie flog ihm meine ganze<lb/> Seele entgegen, und welches Glück, daß ich ihn ohne<lb/> läſtige Zeugen zuerſt begrüßen konnte; denn die Pach-<lb/> terin war in die mehre Stunden entfernte Stadt ge-<lb/> fahren, um einige Einkäufe zu beſorgen, und die<lb/> Magd auf dem Felde mit dem Melken der Kühe be-<lb/> ſchäftigt. Der Knabe meiner Wirthin, kaum zwei<lb/> Jahre alt, war nicht zu fürchten: ſo hatte ich Jhn<lb/> allein; ſo durfte ich vor Freude und Entzücken an<lb/> ſeinem Halſe weinen, ſo ihm alle die ſüßen Namen<lb/> geben, die ich ihm zu geben gewohnt war.</p><lb/> <p>Er blieb nicht lange; aber er war unausſprech-<lb/> lich freundlich und liebevoll gegen mich, auch tröſtete<lb/> er mich mit baldigem Wiederkommen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [132/0138]
müdung verſchloß ich mein Zimmer und legte mich
auf’s Bett, nicht um zu ſchlafen, ſondern um unge-
ſtört und ungeſehen weinen zu können.
Jch verlebte ſo abwechſelnd meine Tage zwiſchen
Schmerz und mir bisher ganz neuen Genüſſen. Jch
war frei, ich durfte gehen, wohin ich wollte; meine
gute Wirthin war immer gleich freundlich, gleich lie-
bevoll und zuvorkommend gegen mich; ich genoß un-
geſtört der zugleich reizendſten und erhabenſten Aus-
ſicht; mir wurde kein unfreundliches Wort geſagt; ich
hatte mich vor keiner üblen Laune zu fürchten; aber
Er fehlte mir, Er, der mir Alles war!
Endlich kam er doch. Wie flog ihm meine ganze
Seele entgegen, und welches Glück, daß ich ihn ohne
läſtige Zeugen zuerſt begrüßen konnte; denn die Pach-
terin war in die mehre Stunden entfernte Stadt ge-
fahren, um einige Einkäufe zu beſorgen, und die
Magd auf dem Felde mit dem Melken der Kühe be-
ſchäftigt. Der Knabe meiner Wirthin, kaum zwei
Jahre alt, war nicht zu fürchten: ſo hatte ich Jhn
allein; ſo durfte ich vor Freude und Entzücken an
ſeinem Halſe weinen, ſo ihm alle die ſüßen Namen
geben, die ich ihm zu geben gewohnt war.
Er blieb nicht lange; aber er war unausſprech-
lich freundlich und liebevoll gegen mich, auch tröſtete
er mich mit baldigem Wiederkommen.
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