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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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Blicke auf den mir gegenüber hangenden großen Spie-
gel. Jch hatte nie eine Ahnung davon gehabt, daß
ich schön sei und konnte sie nicht haben, da Keiner
es mir sagte und ich mich mit Andern auch nie hatte
vergleichen können.

-- "Ja, ja!" sagte er, mich lächelnd anblickend,
denn mein Blick in den Spiegel war ihm nicht ent-
gangen, "ja, Sie sind schön! Wie aber nenne ich
Sie, holde Göttin?"

-- "Dina," antwortete ich ihm tief erröthend.

-- "Ein hübscher Name," war seine Antwort;
"doch würde Cythere besser für Sie passen. Es ist
eine Albernheit, daß man den Kindern schon gleich
bei der Geburt einen Namen giebt; hätte man bei
Jhnen damit gewartet, so würde man Jhnen kei-
nen andern als den der Liebesgöttin haben geben
können."

Das war eine ziemlich triviale Schmeichelei, ich
aber, unbekannt mit allen solchen Dingen, gerieth in
die höchste Verlegenheit dadurch, denn aus der My-
thologie kannte ich die Venus und die ihr gegebenen
Beinamen.

Eine Bewegung, die der bis dahin wie in einem
tiefen Schlummer da liegende Kranke machte, unter-
brach das Gespräch und lenkte die Aufmerksamkeit des
Arztes wieder auf diesen. Er trat an's Bett und

Blicke auf den mir gegenüber hangenden großen Spie-
gel. Jch hatte nie eine Ahnung davon gehabt, daß
ich ſchön ſei und konnte ſie nicht haben, da Keiner
es mir ſagte und ich mich mit Andern auch nie hatte
vergleichen können.

— „Ja, ja!“ ſagte er, mich lächelnd anblickend,
denn mein Blick in den Spiegel war ihm nicht ent-
gangen, „ja, Sie ſind ſchön! Wie aber nenne ich
Sie, holde Göttin?“

— „Dina,“ antwortete ich ihm tief erröthend.

— „Ein hübſcher Name,“ war ſeine Antwort;
„doch würde Cythere beſſer für Sie paſſen. Es iſt
eine Albernheit, daß man den Kindern ſchon gleich
bei der Geburt einen Namen giebt; hätte man bei
Jhnen damit gewartet, ſo würde man Jhnen kei-
nen andern als den der Liebesgöttin haben geben
können.“

Das war eine ziemlich triviale Schmeichelei, ich
aber, unbekannt mit allen ſolchen Dingen, gerieth in
die höchſte Verlegenheit dadurch, denn aus der My-
thologie kannte ich die Venus und die ihr gegebenen
Beinamen.

Eine Bewegung, die der bis dahin wie in einem
tiefen Schlummer da liegende Kranke machte, unter-
brach das Geſpräch und lenkte die Aufmerkſamkeit des
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[106/0112] Blicke auf den mir gegenüber hangenden großen Spie- gel. Jch hatte nie eine Ahnung davon gehabt, daß ich ſchön ſei und konnte ſie nicht haben, da Keiner es mir ſagte und ich mich mit Andern auch nie hatte vergleichen können. — „Ja, ja!“ ſagte er, mich lächelnd anblickend, denn mein Blick in den Spiegel war ihm nicht ent- gangen, „ja, Sie ſind ſchön! Wie aber nenne ich Sie, holde Göttin?“ — „Dina,“ antwortete ich ihm tief erröthend. — „Ein hübſcher Name,“ war ſeine Antwort; „doch würde Cythere beſſer für Sie paſſen. Es iſt eine Albernheit, daß man den Kindern ſchon gleich bei der Geburt einen Namen giebt; hätte man bei Jhnen damit gewartet, ſo würde man Jhnen kei- nen andern als den der Liebesgöttin haben geben können.“ Das war eine ziemlich triviale Schmeichelei, ich aber, unbekannt mit allen ſolchen Dingen, gerieth in die höchſte Verlegenheit dadurch, denn aus der My- thologie kannte ich die Venus und die ihr gegebenen Beinamen. Eine Bewegung, die der bis dahin wie in einem tiefen Schlummer da liegende Kranke machte, unter- brach das Geſpräch und lenkte die Aufmerkſamkeit des Arztes wieder auf dieſen. Er trat an’s Bett und

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/112>, abgerufen am 05.12.2024.