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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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Freund und Gönner, White-hawk, aufzusuchen, der
ihm immer die leckersten Bissen zugeworfen hatte und
deshalb hoch in seiner Zuneigung stand. Es war über-
haupt eine auffallende Erscheinung, daß der Hund
unter den Wilden weit fröhlicher und unbefangener,
als unter den Weißen war, welche letztere, mit Aus-
nahme seines Herrn, sich ihm kaum ohne Gefahr nä-
hern durften, und denen er gleich knurrend sein schar-
fes Gebiß zeigte, während er gegen die Sioux fromm
wie ein Lamm und so zutraulich war, daß Keiner et-
was von ihm zu befürchten hatte; auch liebten Alle
das schöne, treue Thier. Es war, als fühlte er sich
den Wilden näher stehend als den Menschen aus der
civilisirten Welt; oder lehrte ihn vielleicht sein wun-
derbarer Jnstinct, daß jene besser wären, als diese?

Der östliche Himmel hatte sich indeß mit immer
höheren Tinten gefärbt und ein so brennendes Roth,
daß es das Auge kaum ertrug, verkündete den nahen
Aufgang der Sonne.

Wieder stieß jetzt der Träger des Horns in das-
selbe und wenige Seeunden darauf antwortete ein an-
deres auf diesen Zuruf. Auf dieses Zeichen flog ein
Gemurmel durch die Schaar der Sioux und zugleich
verdoppelte der Allen vorauf schreitende White-hawk
seine Schritte, denn jetzt wußte man die Chippewas
nahe und es galt, vor ihnen die Hügelkette zu er-

Freund und Gönner, White-hawk, aufzuſuchen, der
ihm immer die leckerſten Biſſen zugeworfen hatte und
deshalb hoch in ſeiner Zuneigung ſtand. Es war über-
haupt eine auffallende Erſcheinung, daß der Hund
unter den Wilden weit fröhlicher und unbefangener,
als unter den Weißen war, welche letztere, mit Aus-
nahme ſeines Herrn, ſich ihm kaum ohne Gefahr nä-
hern durften, und denen er gleich knurrend ſein ſchar-
fes Gebiß zeigte, während er gegen die Sioux fromm
wie ein Lamm und ſo zutraulich war, daß Keiner et-
was von ihm zu befürchten hatte; auch liebten Alle
das ſchöne, treue Thier. Es war, als fühlte er ſich
den Wilden näher ſtehend als den Menſchen aus der
civiliſirten Welt; oder lehrte ihn vielleicht ſein wun-
derbarer Jnſtinct, daß jene beſſer wären, als dieſe?

Der öſtliche Himmel hatte ſich indeß mit immer
höheren Tinten gefärbt und ein ſo brennendes Roth,
daß es das Auge kaum ertrug, verkündete den nahen
Aufgang der Sonne.

Wieder ſtieß jetzt der Träger des Horns in daſ-
ſelbe und wenige Seeunden darauf antwortete ein an-
deres auf dieſen Zuruf. Auf dieſes Zeichen flog ein
Gemurmel durch die Schaar der Sioux und zugleich
verdoppelte der Allen vorauf ſchreitende White-hawk
ſeine Schritte, denn jetzt wußte man die Chippewas
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[34/0042] Freund und Gönner, White-hawk, aufzuſuchen, der ihm immer die leckerſten Biſſen zugeworfen hatte und deshalb hoch in ſeiner Zuneigung ſtand. Es war über- haupt eine auffallende Erſcheinung, daß der Hund unter den Wilden weit fröhlicher und unbefangener, als unter den Weißen war, welche letztere, mit Aus- nahme ſeines Herrn, ſich ihm kaum ohne Gefahr nä- hern durften, und denen er gleich knurrend ſein ſchar- fes Gebiß zeigte, während er gegen die Sioux fromm wie ein Lamm und ſo zutraulich war, daß Keiner et- was von ihm zu befürchten hatte; auch liebten Alle das ſchöne, treue Thier. Es war, als fühlte er ſich den Wilden näher ſtehend als den Menſchen aus der civiliſirten Welt; oder lehrte ihn vielleicht ſein wun- derbarer Jnſtinct, daß jene beſſer wären, als dieſe? Der öſtliche Himmel hatte ſich indeß mit immer höheren Tinten gefärbt und ein ſo brennendes Roth, daß es das Auge kaum ertrug, verkündete den nahen Aufgang der Sonne. Wieder ſtieß jetzt der Träger des Horns in daſ- ſelbe und wenige Seeunden darauf antwortete ein an- deres auf dieſen Zuruf. Auf dieſes Zeichen flog ein Gemurmel durch die Schaar der Sioux und zugleich verdoppelte der Allen vorauf ſchreitende White-hawk ſeine Schritte, denn jetzt wußte man die Chippewas nahe und es galt, vor ihnen die Hügelkette zu er-

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/42>, abgerufen am 25.04.2024.