Anderer, den ich unbedachtsam, in deine Nähe ge- bracht, mir diese Liebe geraubt hat. Jch liebe es nicht, mich über irgend Etwas zu täuschen," fuhr er nach einer Weile fort; "ich bin überhaupt nicht der Mann, den man hoffen dürfte, täuschen zu können, und so fordre ich auch von dir Wahrheit, Marie; so will ich, daß dein Mund, dein eigener Mund mir bestätigen soll, daß ich recht gesehen habe."
-- "Was willst du mit allem Diesen?" rief sie, in Thränen ausbrechend. "Bist du eifersüchtig, Joe? und wenn du es warst, weshalb versetztest du mich in eine Lage, bürdetest mir ein Verhältniß auf ......"
-- "Darin fehlte ich," unterbrach er sie, ihre Hand ergreifend und sie küssend; "da ich allein fehlte, will ich auch der allein Büßende seyn, und nicht ein- mal ein Vorwurf soll dich und den jungen Mann treffen, den ich unbedachtsam in deine Nähe führte. Du bist jung, schön, liebenswürdig; deine Reize hät- ten selbst einen Stoiker entflammen können, und die- ser Arnold hat Jugend vor mir voraus; er ist über- dies liebenswürdig, gebildet, achtungswerth sogar; er ist mehr hübsch als häßlich und so hätte ich mir sa- gen müssen, daß dieses Beisammenleben, und oben- drein in solcher Abgeschiedenheit, nothwendig die Folge haben müßte, die es, wie ich jetzt weiß, gehabt hat.
Anderer, den ich unbedachtſam, in deine Nähe ge- bracht, mir dieſe Liebe geraubt hat. Jch liebe es nicht, mich über irgend Etwas zu täuſchen,“ fuhr er nach einer Weile fort; „ich bin überhaupt nicht der Mann, den man hoffen dürfte, täuſchen zu können, und ſo fordre ich auch von dir Wahrheit, Marie; ſo will ich, daß dein Mund, dein eigener Mund mir beſtätigen ſoll, daß ich recht geſehen habe.“
— „Was willſt du mit allem Dieſen?“ rief ſie, in Thränen ausbrechend. „Biſt du eiferſüchtig, Joe? und wenn du es warſt, weshalb verſetzteſt du mich in eine Lage, bürdeteſt mir ein Verhältniß auf ......“
— „Darin fehlte ich,“ unterbrach er ſie, ihre Hand ergreifend und ſie küſſend; „da ich allein fehlte, will ich auch der allein Büßende ſeyn, und nicht ein- mal ein Vorwurf ſoll dich und den jungen Mann treffen, den ich unbedachtſam in deine Nähe führte. Du biſt jung, ſchön, liebenswürdig; deine Reize hät- ten ſelbſt einen Stoiker entflammen können, und die- ſer Arnold hat Jugend vor mir voraus; er iſt über- dies liebenswürdig, gebildet, achtungswerth ſogar; er iſt mehr hübſch als häßlich und ſo hätte ich mir ſa- gen müſſen, daß dieſes Beiſammenleben, und oben- drein in ſolcher Abgeſchiedenheit, nothwendig die Folge haben müßte, die es, wie ich jetzt weiß, gehabt hat.
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Anderer, den ich unbedachtſam, in deine Nähe ge-
bracht, mir dieſe Liebe geraubt hat. Jch liebe es
nicht, mich über irgend Etwas zu täuſchen,“ fuhr er
nach einer Weile fort; „ich bin überhaupt nicht der
Mann, den man hoffen dürfte, täuſchen zu können,
und ſo fordre ich auch von dir Wahrheit, Marie; ſo
will ich, daß dein Mund, dein eigener Mund mir
beſtätigen ſoll, daß ich recht geſehen habe.“
— „Was willſt du mit allem Dieſen?“ rief
ſie, in Thränen ausbrechend. „Biſt du eiferſüchtig,
Joe? und wenn du es warſt, weshalb verſetzteſt du
mich in eine Lage, bürdeteſt mir ein Verhältniß
auf ......“
— „Darin fehlte ich,“ unterbrach er ſie, ihre
Hand ergreifend und ſie küſſend; „da ich allein fehlte,
will ich auch der allein Büßende ſeyn, und nicht ein-
mal ein Vorwurf ſoll dich und den jungen Mann
treffen, den ich unbedachtſam in deine Nähe führte.
Du biſt jung, ſchön, liebenswürdig; deine Reize hät-
ten ſelbſt einen Stoiker entflammen können, und die-
ſer Arnold hat Jugend vor mir voraus; er iſt über-
dies liebenswürdig, gebildet, achtungswerth ſogar; er
iſt mehr hübſch als häßlich und ſo hätte ich mir ſa-
gen müſſen, daß dieſes Beiſammenleben, und oben-
drein in ſolcher Abgeſchiedenheit, nothwendig die Folge
haben müßte, die es, wie ich jetzt weiß, gehabt hat.
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/200>, abgerufen am 27.07.2024.
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