Jn dem Augenblick, wo Joe diese letzten Worte sprach, trat Die, von der man geredet hatte, mit ei- nem silbernen Präsentirteller, worauf sie den Kaffee trug, wieder in das Zimmer. Arnold, welcher der Thür gerade gegenüber saß, durch die Dina zu Jhnen ein- trat, erblickte einen Ausdruck von fast himmlischer Zufriedenheit, ja, von Beglückung, in ihren edlen Gesichtszügen, und zugleich war ihm, als hefte sie ei- nen Blick inniger Dankbarkeit auf den Propheten. Das Roth auf ihren Wangen war lebhafter gewor- den, der Blick ihres tiefblauen Auges strahlte wie von einem himmlischen Feuer und ein sanftes Lächeln umschwebte ihren schöngeformten Mund. Sie war schön, noch einmal hinreißend schön in diesem Augen- blick, ja schöner als Marie in ihrer Jugend und Fri- sche. Arnold konnte den Blick nicht von ihr abwen- den und fühlte sich, dieser Sterbenden gegenüber, wie in einem magischen Netze gefangen.
Bald aber schwand der Anschein von Leben und die erlogene Jugend wieder von Dinas Antlitze: sie wurde wieder bleicher, durchsichtiger als zuvor; der Blick ihres Auges verlor alles Feuer, das Lächeln um den Mund machte einem schmerzgepaarten Ernste Platz, große Schweißtropfen perlten auf der hohen, schneeweißen Stirn und ihre eben zuvor noch hoch- aufgerichtete Gestalt verlor die Haltung: sie war in
Jn dem Augenblick, wo Joe dieſe letzten Worte ſprach, trat Die, von der man geredet hatte, mit ei- nem ſilbernen Präſentirteller, worauf ſie den Kaffee trug, wieder in das Zimmer. Arnold, welcher der Thür gerade gegenüber ſaß, durch die Dina zu Jhnen ein- trat, erblickte einen Ausdruck von faſt himmliſcher Zufriedenheit, ja, von Beglückung, in ihren edlen Geſichtszügen, und zugleich war ihm, als hefte ſie ei- nen Blick inniger Dankbarkeit auf den Propheten. Das Roth auf ihren Wangen war lebhafter gewor- den, der Blick ihres tiefblauen Auges ſtrahlte wie von einem himmliſchen Feuer und ein ſanftes Lächeln umſchwebte ihren ſchöngeformten Mund. Sie war ſchön, noch einmal hinreißend ſchön in dieſem Augen- blick, ja ſchöner als Marie in ihrer Jugend und Fri- ſche. Arnold konnte den Blick nicht von ihr abwen- den und fühlte ſich, dieſer Sterbenden gegenüber, wie in einem magiſchen Netze gefangen.
Bald aber ſchwand der Anſchein von Leben und die erlogene Jugend wieder von Dinas Antlitze: ſie wurde wieder bleicher, durchſichtiger als zuvor; der Blick ihres Auges verlor alles Feuer, das Lächeln um den Mund machte einem ſchmerzgepaarten Ernſte Platz, große Schweißtropfen perlten auf der hohen, ſchneeweißen Stirn und ihre eben zuvor noch hoch- aufgerichtete Geſtalt verlor die Haltung: ſie war in
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0124"n="116"/><p>Jn dem Augenblick, wo Joe dieſe letzten Worte<lb/>ſprach, trat Die, von der man geredet hatte, mit ei-<lb/>
nem ſilbernen Präſentirteller, worauf ſie den Kaffee<lb/>
trug, wieder in das Zimmer. Arnold, welcher der Thür<lb/>
gerade gegenüber ſaß, durch die Dina zu Jhnen ein-<lb/>
trat, erblickte einen Ausdruck von faſt himmliſcher<lb/>
Zufriedenheit, ja, von Beglückung, in ihren edlen<lb/>
Geſichtszügen, und zugleich war ihm, als hefte ſie ei-<lb/>
nen Blick inniger Dankbarkeit auf den Propheten.<lb/>
Das Roth auf ihren Wangen war lebhafter gewor-<lb/>
den, der Blick ihres tiefblauen Auges ſtrahlte wie<lb/>
von einem himmliſchen Feuer und ein ſanftes Lächeln<lb/>
umſchwebte ihren ſchöngeformten Mund. Sie war<lb/>ſchön, noch einmal hinreißend ſchön in dieſem Augen-<lb/>
blick, ja ſchöner als Marie in ihrer Jugend und Fri-<lb/>ſche. Arnold konnte den Blick nicht von ihr abwen-<lb/>
den und fühlte ſich, dieſer Sterbenden gegenüber, wie<lb/>
in einem magiſchen Netze gefangen.</p><lb/><p>Bald aber ſchwand der Anſchein von Leben und<lb/>
die erlogene Jugend wieder von Dinas Antlitze: ſie<lb/>
wurde wieder bleicher, durchſichtiger als zuvor; der<lb/>
Blick ihres Auges verlor alles Feuer, das Lächeln<lb/>
um den Mund machte einem ſchmerzgepaarten Ernſte<lb/>
Platz, große Schweißtropfen perlten auf der hohen,<lb/>ſchneeweißen Stirn und ihre eben zuvor noch hoch-<lb/>
aufgerichtete Geſtalt verlor die Haltung: ſie war in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[116/0124]
Jn dem Augenblick, wo Joe dieſe letzten Worte
ſprach, trat Die, von der man geredet hatte, mit ei-
nem ſilbernen Präſentirteller, worauf ſie den Kaffee
trug, wieder in das Zimmer. Arnold, welcher der Thür
gerade gegenüber ſaß, durch die Dina zu Jhnen ein-
trat, erblickte einen Ausdruck von faſt himmliſcher
Zufriedenheit, ja, von Beglückung, in ihren edlen
Geſichtszügen, und zugleich war ihm, als hefte ſie ei-
nen Blick inniger Dankbarkeit auf den Propheten.
Das Roth auf ihren Wangen war lebhafter gewor-
den, der Blick ihres tiefblauen Auges ſtrahlte wie
von einem himmliſchen Feuer und ein ſanftes Lächeln
umſchwebte ihren ſchöngeformten Mund. Sie war
ſchön, noch einmal hinreißend ſchön in dieſem Augen-
blick, ja ſchöner als Marie in ihrer Jugend und Fri-
ſche. Arnold konnte den Blick nicht von ihr abwen-
den und fühlte ſich, dieſer Sterbenden gegenüber, wie
in einem magiſchen Netze gefangen.
Bald aber ſchwand der Anſchein von Leben und
die erlogene Jugend wieder von Dinas Antlitze: ſie
wurde wieder bleicher, durchſichtiger als zuvor; der
Blick ihres Auges verlor alles Feuer, das Lächeln
um den Mund machte einem ſchmerzgepaarten Ernſte
Platz, große Schweißtropfen perlten auf der hohen,
ſchneeweißen Stirn und ihre eben zuvor noch hoch-
aufgerichtete Geſtalt verlor die Haltung: ſie war in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/124>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.