auch klares Anerkennen ihres hohen Werthes und innige Liebe zur vaterländischen Kunst. Überall sehen wir, wie er mit wahrhaft rührender Treue, oft mit unsäglicher Mühe, den kleinsten Einzelheiten aus dem Leben seiner großen Vorfahren nachforschte. Und dennoch konnte er die von ihnen so glorreich geöffnete Bahn verlassen, denn während in seinen Gemälden keine Spur ihres einfachen Geistes, ihres Bestrebens, der Natur treu zu folgen, blieb, er- kannte er es dennoch in seinem Buch mit Bewun- derung an. Er selbst tadelte darinnen Hemskerks Verirrungen, und sank noch tiefer als dieser. Dieß beweis't seine Darstellung der Sündfluth, eines seiner berühmtesten Gemälde, welches die Herren Boisseree als trauriges Denkmal des Verfalls der Kunst aufbewahren.
Dieses Bild ist nicht unrichtig gezeichnet, aber flach, todt, seelenlos, ohne Verstand gedacht und ausgeführt. Theatralisch Verzweiflende, unter ihnen der Borghesische Fechter, kleben an Felsen die aus dem Wasser ragen, hängen auf Dächern und Bäumen, in den unmöglichsten verzerrtesten
auch klares Anerkennen ihres hohen Werthes und innige Liebe zur vaterländiſchen Kunſt. Überall ſehen wir, wie er mit wahrhaft rührender Treue, oft mit unſäglicher Mühe, den kleinſten Einzelheiten aus dem Leben ſeiner großen Vorfahren nachforſchte. Und dennoch konnte er die von ihnen ſo glorreich geöffnete Bahn verlaſſen, denn während in ſeinen Gemälden keine Spur ihres einfachen Geiſtes, ihres Beſtrebens, der Natur treu zu folgen, blieb, er- kannte er es dennoch in ſeinem Buch mit Bewun- derung an. Er ſelbſt tadelte darinnen Hemskerks Verirrungen, und ſank noch tiefer als dieſer. Dieß beweiſ’t ſeine Darſtellung der Sündfluth, eines ſeiner berühmteſten Gemälde, welches die Herren Boiſſerée als trauriges Denkmal des Verfalls der Kunſt aufbewahren.
Dieſes Bild iſt nicht unrichtig gezeichnet, aber flach, todt, ſeelenlos, ohne Verſtand gedacht und ausgeführt. Theatraliſch Verzweiflende, unter ihnen der Borgheſiſche Fechter, kleben an Felſen die aus dem Waſſer ragen, hängen auf Dächern und Bäumen, in den unmöglichſten verzerrteſten
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[204/0212]
auch klares Anerkennen ihres hohen Werthes und
innige Liebe zur vaterländiſchen Kunſt. Überall
ſehen wir, wie er mit wahrhaft rührender Treue,
oft mit unſäglicher Mühe, den kleinſten Einzelheiten
aus dem Leben ſeiner großen Vorfahren nachforſchte.
Und dennoch konnte er die von ihnen ſo glorreich
geöffnete Bahn verlaſſen, denn während in ſeinen
Gemälden keine Spur ihres einfachen Geiſtes, ihres
Beſtrebens, der Natur treu zu folgen, blieb, er-
kannte er es dennoch in ſeinem Buch mit Bewun-
derung an. Er ſelbſt tadelte darinnen Hemskerks
Verirrungen, und ſank noch tiefer als dieſer. Dieß
beweiſ’t ſeine Darſtellung der Sündfluth, eines
ſeiner berühmteſten Gemälde, welches die Herren
Boiſſerée als trauriges Denkmal des Verfalls der
Kunſt aufbewahren.
Dieſes Bild iſt nicht unrichtig gezeichnet, aber
flach, todt, ſeelenlos, ohne Verſtand gedacht und
ausgeführt. Theatraliſch Verzweiflende, unter
ihnen der Borgheſiſche Fechter, kleben an Felſen
die aus dem Waſſer ragen, hängen auf Dächern
und Bäumen, in den unmöglichſten verzerrteſten
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/212>, abgerufen am 16.02.2025.
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