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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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wallonisches und ein deutsches Regiment lagen in der
Nachbarschaft, die größten Frevel wurden unge-
straft verübt, und der Landmann erlag unter den
fürchterlichsten Lasten. Kaum war Karl von Mander
zum Dorfe hinaus, so fiel eine Rotte plündernder
Wallonen in das Haus seiner Eltern. Der alte
Vater lag gefährlich krank, und der jüngste, damals
achtzehnjährige Sohn Adam sah wohl ein, daß er
allein dem Unheil nicht wehren könne. Mit großer
Geistesgegenwart griff er also nach einem Degen,
den er verborgen hatte, und mischte sich unter die
Plünderer, die ihn, da er sehr geläufig ihre Sprache
redete, für einen von den Jhrigen hielten. Adam
machte unsäglichen Lärm, fluchte wie besessen, brach
Kisten und Kasten auf, wo er wußte daß die besten
Sachen verborgen lagen, und machte so die reichste
Beute, mehr als er tragen konnte. Dann wandte
er sich zur Mutter und zwang ihr mit den entsetz-
lichsten Drohungen das Geld ab, welches sie mit
verstelltem Widerstande ihm gab, und sich dabei
im Herzen der wohlgelungnen List ihres Sohnes
freute, durch welche dieser zugleich seine vermein-

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walloniſches und ein deutſches Regiment lagen in der
Nachbarſchaft, die größten Frevel wurden unge-
ſtraft verübt, und der Landmann erlag unter den
fürchterlichſten Laſten. Kaum war Karl von Mander
zum Dorfe hinaus, ſo fiel eine Rotte plündernder
Wallonen in das Haus ſeiner Eltern. Der alte
Vater lag gefährlich krank, und der jüngſte, damals
achtzehnjährige Sohn Adam ſah wohl ein, daß er
allein dem Unheil nicht wehren könne. Mit großer
Geiſtesgegenwart griff er alſo nach einem Degen,
den er verborgen hatte, und miſchte ſich unter die
Plünderer, die ihn, da er ſehr geläufig ihre Sprache
redete, für einen von den Jhrigen hielten. Adam
machte unſäglichen Lärm, fluchte wie beſeſſen, brach
Kiſten und Kaſten auf, wo er wußte daß die beſten
Sachen verborgen lagen, und machte ſo die reichſte
Beute, mehr als er tragen konnte. Dann wandte
er ſich zur Mutter und zwang ihr mit den entſetz-
lichſten Drohungen das Geld ab, welches ſie mit
verſtelltem Widerſtande ihm gab, und ſich dabei
im Herzen der wohlgelungnen Liſt ihres Sohnes
freute, durch welche dieſer zugleich ſeine vermein-

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[195/0203] walloniſches und ein deutſches Regiment lagen in der Nachbarſchaft, die größten Frevel wurden unge- ſtraft verübt, und der Landmann erlag unter den fürchterlichſten Laſten. Kaum war Karl von Mander zum Dorfe hinaus, ſo fiel eine Rotte plündernder Wallonen in das Haus ſeiner Eltern. Der alte Vater lag gefährlich krank, und der jüngſte, damals achtzehnjährige Sohn Adam ſah wohl ein, daß er allein dem Unheil nicht wehren könne. Mit großer Geiſtesgegenwart griff er alſo nach einem Degen, den er verborgen hatte, und miſchte ſich unter die Plünderer, die ihn, da er ſehr geläufig ihre Sprache redete, für einen von den Jhrigen hielten. Adam machte unſäglichen Lärm, fluchte wie beſeſſen, brach Kiſten und Kaſten auf, wo er wußte daß die beſten Sachen verborgen lagen, und machte ſo die reichſte Beute, mehr als er tragen konnte. Dann wandte er ſich zur Mutter und zwang ihr mit den entſetz- lichſten Drohungen das Geld ab, welches ſie mit verſtelltem Widerſtande ihm gab, und ſich dabei im Herzen der wohlgelungnen Liſt ihres Sohnes freute, durch welche dieſer zugleich ſeine vermein- 13 *

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/203>, abgerufen am 21.11.2024.