noch frischen Glanzes in Kirchen und Pallästen ent- gegen strahlten. Nach seiner Ankunft in Rom be- nutzte er jede Stunde mit gewissenhafter Treue für seine Kunst, nebenher zeichnete er Alles, was ihm bemerkenswerth erschien, in seinem Tagebuche auf, besonders die Beschreibung der vielen Feierlich- keiten, von welchen er im Jahr 1575 bei der seltnen Feier des päpstlichen Jubiläums Augenzeuge war. Aus all' diesem bildete er späterhin eine Reise-Be- schreibung, welche auch im Druck erschienen ist. Er zeichnete viel nach der Anticke, malte sehr fleißig, und that sich besonders durch große Landschaften hervor, die er auf frischen Kalk in den Pallästen einiger Kardinäle malte, denen er bekannt gewor- den war.
Doch leider sank die Kunst in seinen Tagen immer tiefer und tiefer, artete immer mehr und mehr in Manier und Künstelei aus. Die über- triebenste Unnatur in Form und Ausdruck, über- spannt hervortretende Muskeln, wunderliche Ver- drehungen der menschlichen Körper, erkünstelte Farbenreflexe, verdrängten allmälig Natur, Wahr-
noch friſchen Glanzes in Kirchen und Palläſten ent- gegen ſtrahlten. Nach ſeiner Ankunft in Rom be- nutzte er jede Stunde mit gewiſſenhafter Treue für ſeine Kunſt, nebenher zeichnete er Alles, was ihm bemerkenswerth erſchien, in ſeinem Tagebuche auf, beſonders die Beſchreibung der vielen Feierlich- keiten, von welchen er im Jahr 1575 bei der ſeltnen Feier des päpſtlichen Jubiläums Augenzeuge war. Aus all’ dieſem bildete er ſpäterhin eine Reiſe-Be- ſchreibung, welche auch im Druck erſchienen iſt. Er zeichnete viel nach der Anticke, malte ſehr fleißig, und that ſich beſonders durch große Landſchaften hervor, die er auf friſchen Kalk in den Palläſten einiger Kardinäle malte, denen er bekannt gewor- den war.
Doch leider ſank die Kunſt in ſeinen Tagen immer tiefer und tiefer, artete immer mehr und mehr in Manier und Künſtelei aus. Die über- triebenſte Unnatur in Form und Ausdruck, über- ſpannt hervortretende Muskeln, wunderliche Ver- drehungen der menſchlichen Körper, erkünſtelte Farbenreflexe, verdrängten allmälig Natur, Wahr-
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noch friſchen Glanzes in Kirchen und Palläſten ent-
gegen ſtrahlten. Nach ſeiner Ankunft in Rom be-
nutzte er jede Stunde mit gewiſſenhafter Treue für
ſeine Kunſt, nebenher zeichnete er Alles, was ihm
bemerkenswerth erſchien, in ſeinem Tagebuche auf,
beſonders die Beſchreibung der vielen Feierlich-
keiten, von welchen er im Jahr 1575 bei der ſeltnen
Feier des päpſtlichen Jubiläums Augenzeuge war.
Aus all’ dieſem bildete er ſpäterhin eine Reiſe-Be-
ſchreibung, welche auch im Druck erſchienen iſt. Er
zeichnete viel nach der Anticke, malte ſehr fleißig,
und that ſich beſonders durch große Landſchaften
hervor, die er auf friſchen Kalk in den Palläſten
einiger Kardinäle malte, denen er bekannt gewor-
den war.
Doch leider ſank die Kunſt in ſeinen Tagen
immer tiefer und tiefer, artete immer mehr und
mehr in Manier und Künſtelei aus. Die über-
triebenſte Unnatur in Form und Ausdruck, über-
ſpannt hervortretende Muskeln, wunderliche Ver-
drehungen der menſchlichen Körper, erkünſtelte
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/197>, abgerufen am 07.07.2024.
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