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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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den entsetzlichsten Qualen des endlich erwachten
Gewissens im Jahr 1547 so schrecklich endete wie
er gelebt hatte. Sieben Jahre später, während
welchen Holbein ruhig in London fortlebte, wan-
delte im Jahr 1554 eine furchtbare pestartige
Krankheit die ganze lebensreiche Stadt zur schrek-
kenvollsten Einöde um. Tausende fielen ihr zum
Opfer, und unter ihnen auch, im sechs und sech-
zigsten Jahre seines Lebens, der edle Meister
Hans Holbein selbst. Wahrscheinlich starb er ver-
lassen und allein, in einer Zeit, wo die allge-
meine entsetzliche Noth alle Bande auflös'te, und
Jeder nur sich selbst zu retten bedacht war.
Sein entseelter Körper ward mit andern an der
Pest Verstorbnen in eines jener weiten Gräber
geworfen, die damals immer offen standen, ohne
Unterschied Alle aufnahmen, und Niemand weiß
den Ort wo seine Gebeine ruhen.

Graf Arundel war zu Anfange des siebzehn-
ten Jahrhunderts einer der wärmsten Verehrer
der Kunst, besonders aber Holbeins, dessen Werke,

den entſetzlichſten Qualen des endlich erwachten
Gewiſſens im Jahr 1547 ſo ſchrecklich endete wie
er gelebt hatte. Sieben Jahre ſpäter, während
welchen Holbein ruhig in London fortlebte, wan-
delte im Jahr 1554 eine furchtbare peſtartige
Krankheit die ganze lebensreiche Stadt zur ſchrek-
kenvollſten Einöde um. Tauſende fielen ihr zum
Opfer, und unter ihnen auch, im ſechs und ſech-
zigſten Jahre ſeines Lebens, der edle Meiſter
Hans Holbein ſelbſt. Wahrſcheinlich ſtarb er ver-
laſſen und allein, in einer Zeit, wo die allge-
meine entſetzliche Noth alle Bande auflöſ’te, und
Jeder nur ſich ſelbſt zu retten bedacht war.
Sein entſeelter Körper ward mit andern an der
Peſt Verſtorbnen in eines jener weiten Gräber
geworfen, die damals immer offen ſtanden, ohne
Unterſchied Alle aufnahmen, und Niemand weiß
den Ort wo ſeine Gebeine ruhen.

Graf Arundel war zu Anfange des ſiebzehn-
ten Jahrhunderts einer der wärmſten Verehrer
der Kunſt, beſonders aber Holbeins, deſſen Werke,

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[105/0115] den entſetzlichſten Qualen des endlich erwachten Gewiſſens im Jahr 1547 ſo ſchrecklich endete wie er gelebt hatte. Sieben Jahre ſpäter, während welchen Holbein ruhig in London fortlebte, wan- delte im Jahr 1554 eine furchtbare peſtartige Krankheit die ganze lebensreiche Stadt zur ſchrek- kenvollſten Einöde um. Tauſende fielen ihr zum Opfer, und unter ihnen auch, im ſechs und ſech- zigſten Jahre ſeines Lebens, der edle Meiſter Hans Holbein ſelbſt. Wahrſcheinlich ſtarb er ver- laſſen und allein, in einer Zeit, wo die allge- meine entſetzliche Noth alle Bande auflöſ’te, und Jeder nur ſich ſelbſt zu retten bedacht war. Sein entſeelter Körper ward mit andern an der Peſt Verſtorbnen in eines jener weiten Gräber geworfen, die damals immer offen ſtanden, ohne Unterſchied Alle aufnahmen, und Niemand weiß den Ort wo ſeine Gebeine ruhen. Graf Arundel war zu Anfange des ſiebzehn- ten Jahrhunderts einer der wärmſten Verehrer der Kunſt, beſonders aber Holbeins, deſſen Werke,

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/115>, abgerufen am 22.11.2024.