Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.
Michael Coxcis erreichte in ununterbrochener
Michael Coxcis erreichte in ununterbrochener <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0232" n="220"/><lb/> mehrmals über die Schwere der getragenen Laſt<lb/> klagte, und wie wund ſie ihm auf dem langen Wege<lb/> den Rücken gedrückt habe, wandte ſich Michael<lb/> Coxcis plötzlich mit der Frage an ihn: Warum er<lb/> ſie nicht lieber und bequemer im Buſen mit ſich<lb/> getragen habe? Der junge Menſch erklärte ihm mit<lb/> großer Naivetät: wie das Paket dazu viel zu groß<lb/> geweſen ſey. So äuſſerlich hatte es der Meiſter<lb/> freilich nicht gemeint, wie die Anweſenden zur Be-<lb/> ſchämung des jungen Malers leicht einſahen.</p><lb/> <p>Michael Coxcis erreichte in ununterbrochener<lb/> Thätigkeit, in Glück und Wohlleben, die äußerſte<lb/> Gränze des menſchlichen Lebens. Als geſunder<lb/> rüſtiger Greis arbeitete er noch im fünf und neunzig-<lb/> ſten Jahre an einem Gemälde im Stadthauſe zu<lb/> Antwerpen, hatte aber das Unglück um dieſe Zeit<lb/> eine Treppe herunterzufallen, und ſtarb an den<lb/> Folgen davon im Jahr 1592.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [220/0232]
mehrmals über die Schwere der getragenen Laſt
klagte, und wie wund ſie ihm auf dem langen Wege
den Rücken gedrückt habe, wandte ſich Michael
Coxcis plötzlich mit der Frage an ihn: Warum er
ſie nicht lieber und bequemer im Buſen mit ſich
getragen habe? Der junge Menſch erklärte ihm mit
großer Naivetät: wie das Paket dazu viel zu groß
geweſen ſey. So äuſſerlich hatte es der Meiſter
freilich nicht gemeint, wie die Anweſenden zur Be-
ſchämung des jungen Malers leicht einſahen.
Michael Coxcis erreichte in ununterbrochener
Thätigkeit, in Glück und Wohlleben, die äußerſte
Gränze des menſchlichen Lebens. Als geſunder
rüſtiger Greis arbeitete er noch im fünf und neunzig-
ſten Jahre an einem Gemälde im Stadthauſe zu
Antwerpen, hatte aber das Unglück um dieſe Zeit
eine Treppe herunterzufallen, und ſtarb an den
Folgen davon im Jahr 1592.
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Zitationshilfe: | Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/232>, abgerufen am 27.07.2024. |