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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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Tagen Christi naher Vorzeit, sie tragen so ganz
den Stempel einfacher Wahrheitsliebe, daß es
beinahe unmöglich wird, ihnen in der Hauptsache
allen Glauben zu versagen, wenn gleich sich Gründe
finden, die es mehr als zweifelhaft machen, daß
zum Beispiel folgender Brief gerade vom Consul
Lentulus geschrieben sey, welcher fünf und zwanzig
Jahre nach Christi Geburt lebte, und ihn persönlich
gekannt haben konnte. Jch lasse diesen Brief um
so lieber hier folgen, als er die Hauptzüge des
Hemlingschen Christuskopfes weit besser beschreibt
als ich es vermöchte.

Brief des Consul Lentulus.

Es hat sich bei uns hervorgethan und lebt
noch ein Mensch von vielen Tugenden, den man
Jesus nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet
der Wahrheit, von seinen Jüngern aber Sohn
Gottes genannt wird. Dieser erwecket die Todten
und heilet die Kranken. Er ist ansehnlich, lang
von Wuchs und von solchem Ansehen, daß ihn
Jedermann liebet und fürchtet. Er hat bräunliche


Tagen Chriſti naher Vorzeit, ſie tragen ſo ganz
den Stempel einfacher Wahrheitsliebe, daß es
beinahe unmöglich wird, ihnen in der Hauptſache
allen Glauben zu verſagen, wenn gleich ſich Gründe
finden, die es mehr als zweifelhaft machen, daß
zum Beiſpiel folgender Brief gerade vom Conſul
Lentulus geſchrieben ſey, welcher fünf und zwanzig
Jahre nach Chriſti Geburt lebte, und ihn perſönlich
gekannt haben konnte. Jch laſſe dieſen Brief um
ſo lieber hier folgen, als er die Hauptzüge des
Hemlingſchen Chriſtuskopfes weit beſſer beſchreibt
als ich es vermöchte.

Brief des Conſul Lentulus.

Es hat ſich bei uns hervorgethan und lebt
noch ein Menſch von vielen Tugenden, den man
Jeſus nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet
der Wahrheit, von ſeinen Jüngern aber Sohn
Gottes genannt wird. Dieſer erwecket die Todten
und heilet die Kranken. Er iſt anſehnlich, lang
von Wuchs und von ſolchem Anſehen, daß ihn
Jedermann liebet und fürchtet. Er hat bräunliche

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[190/0202] Tagen Chriſti naher Vorzeit, ſie tragen ſo ganz den Stempel einfacher Wahrheitsliebe, daß es beinahe unmöglich wird, ihnen in der Hauptſache allen Glauben zu verſagen, wenn gleich ſich Gründe finden, die es mehr als zweifelhaft machen, daß zum Beiſpiel folgender Brief gerade vom Conſul Lentulus geſchrieben ſey, welcher fünf und zwanzig Jahre nach Chriſti Geburt lebte, und ihn perſönlich gekannt haben konnte. Jch laſſe dieſen Brief um ſo lieber hier folgen, als er die Hauptzüge des Hemlingſchen Chriſtuskopfes weit beſſer beſchreibt als ich es vermöchte. Brief des Conſul Lentulus. Es hat ſich bei uns hervorgethan und lebt noch ein Menſch von vielen Tugenden, den man Jeſus nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet der Wahrheit, von ſeinen Jüngern aber Sohn Gottes genannt wird. Dieſer erwecket die Todten und heilet die Kranken. Er iſt anſehnlich, lang von Wuchs und von ſolchem Anſehen, daß ihn Jedermann liebet und fürchtet. Er hat bräunliche

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/202>, abgerufen am 28.03.2024.