Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite


sanften lieblichen Züge der heiligen Klara, so wie
alle Figuren auf diesen wundervollen Tafeln, vom
größten bis zum kleinsten, tragen das Gepräge der
edelsten Wahrheit und höchsten Vollendung. Figuren
von allen Dimensionen, so klein daß sie das unge-
waffnete Auge kaum zu entdecken vermag, bis zur
halben Lebensgröße hinauf, können bei der ge-
nauesten Betrachtung durch ein Vergrößerungsglas
nur gewinnen, weil durch dasselbe die Großheit der
Drapperien, der Ausdruck der Köpfchen in diesen
oft kaum einen Zoll hohen Figürchen, erst recht
sichtbar wird.

Die königliche Akademie zu Brügge bewahrt
die in ihrer hohen Einfachheit höchst bewunderns-
werthe Abbildung des heiligen Christophs, eines
Gegenstandes, den Hemling öfters und stets mit
großer Liebe behandelte. Gestützt auf den Baum,
der diesem Riesen-Heiligen bekanntlich zum Stabe
diente, trägt er den Herrn der Welt in Kindes-
gestalt durch die im Morgenroth glänzenden Wogen
eines breiten von hohen Felsenufern umgebnen
Stroms. Oben auf dem Felsen linker Hand steht

10


ſanften lieblichen Züge der heiligen Klara, ſo wie
alle Figuren auf dieſen wundervollen Tafeln, vom
größten bis zum kleinſten, tragen das Gepräge der
edelſten Wahrheit und höchſten Vollendung. Figuren
von allen Dimenſionen, ſo klein daß ſie das unge-
waffnete Auge kaum zu entdecken vermag, bis zur
halben Lebensgröße hinauf, können bei der ge-
naueſten Betrachtung durch ein Vergrößerungsglas
nur gewinnen, weil durch daſſelbe die Großheit der
Drapperien, der Ausdruck der Köpfchen in dieſen
oft kaum einen Zoll hohen Figürchen, erſt recht
ſichtbar wird.

Die königliche Akademie zu Brügge bewahrt
die in ihrer hohen Einfachheit höchſt bewunderns-
werthe Abbildung des heiligen Chriſtophs, eines
Gegenſtandes, den Hemling öfters und ſtets mit
großer Liebe behandelte. Geſtützt auf den Baum,
der dieſem Rieſen-Heiligen bekanntlich zum Stabe
diente, trägt er den Herrn der Welt in Kindes-
geſtalt durch die im Morgenroth glänzenden Wogen
eines breiten von hohen Felſenufern umgebnen
Stroms. Oben auf dem Felſen linker Hand ſteht

10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="145"/><lb/>
&#x017F;anften lieblichen Züge der heiligen Klara, &#x017F;o wie<lb/>
alle Figuren auf die&#x017F;en wundervollen Tafeln, vom<lb/>
größten bis zum klein&#x017F;ten, tragen das Gepräge der<lb/>
edel&#x017F;ten Wahrheit und höch&#x017F;ten Vollendung. Figuren<lb/>
von allen Dimen&#x017F;ionen, &#x017F;o klein daß &#x017F;ie das unge-<lb/>
waffnete Auge kaum zu entdecken vermag, bis zur<lb/>
halben Lebensgröße hinauf, können bei der ge-<lb/>
naue&#x017F;ten Betrachtung durch ein Vergrößerungsglas<lb/>
nur gewinnen, weil durch da&#x017F;&#x017F;elbe die Großheit der<lb/>
Drapperien, der Ausdruck der Köpfchen in die&#x017F;en<lb/>
oft kaum einen Zoll hohen Figürchen, er&#x017F;t recht<lb/>
&#x017F;ichtbar wird.</p><lb/>
        <p>Die königliche Akademie zu Brügge bewahrt<lb/>
die in ihrer hohen Einfachheit höch&#x017F;t bewunderns-<lb/>
werthe Abbildung des heiligen Chri&#x017F;tophs, eines<lb/>
Gegen&#x017F;tandes, den Hemling öfters und &#x017F;tets mit<lb/>
großer Liebe behandelte. Ge&#x017F;tützt auf den Baum,<lb/>
der die&#x017F;em Rie&#x017F;en-Heiligen bekanntlich zum Stabe<lb/>
diente, trägt er den Herrn der Welt in Kindes-<lb/>
ge&#x017F;talt durch die im Morgenroth glänzenden Wogen<lb/>
eines breiten von hohen Fel&#x017F;enufern umgebnen<lb/>
Stroms. Oben auf dem Fel&#x017F;en linker Hand &#x017F;teht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">10</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0157] ſanften lieblichen Züge der heiligen Klara, ſo wie alle Figuren auf dieſen wundervollen Tafeln, vom größten bis zum kleinſten, tragen das Gepräge der edelſten Wahrheit und höchſten Vollendung. Figuren von allen Dimenſionen, ſo klein daß ſie das unge- waffnete Auge kaum zu entdecken vermag, bis zur halben Lebensgröße hinauf, können bei der ge- naueſten Betrachtung durch ein Vergrößerungsglas nur gewinnen, weil durch daſſelbe die Großheit der Drapperien, der Ausdruck der Köpfchen in dieſen oft kaum einen Zoll hohen Figürchen, erſt recht ſichtbar wird. Die königliche Akademie zu Brügge bewahrt die in ihrer hohen Einfachheit höchſt bewunderns- werthe Abbildung des heiligen Chriſtophs, eines Gegenſtandes, den Hemling öfters und ſtets mit großer Liebe behandelte. Geſtützt auf den Baum, der dieſem Rieſen-Heiligen bekanntlich zum Stabe diente, trägt er den Herrn der Welt in Kindes- geſtalt durch die im Morgenroth glänzenden Wogen eines breiten von hohen Felſenufern umgebnen Stroms. Oben auf dem Felſen linker Hand ſteht 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/157
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/157>, abgerufen am 24.11.2024.