schaft wie in jeder Kunst, sich, ohne zu erröthen, neben alle gebildete Völker des Erdbodens stellen darf, und es schon seit Jahrhunderten durfte. Herzliche, sonst weniger deutlich empfundene Liebe zu deutscher Art und Kunst ist unter uns erwacht, mit ihr ein rühmliches Streben Allem nachzuforschen was die letzte dunkle undankbare Zeit mit sich in Schutt und Trümmer hinabriß.
Dieses Wiedererwachen zum lebendigen Gefühl unsres bessern Daseyns verdankten wir anfangs nur wenigen hochherzigen, talentvollen, unterrichteten Männern, deren Zahl sich aber täglich vermehrte. Seit kaum zwanzig Jahren bieten sie einander überall in Deutschland zum rühmlichsten Forschen die Hand, und der glänzendste Erfolg lohnt ihr schönes ernstes Streben. Das Niebelungen-Lied entstieg durch sie dem staubbedeckten Dunkel in welches die Barbarei un- wissender Afterbildung es versenkt hatte, und mit ihm erstand eine große Zahl deutscher Dichter und Min- nesänger. Vergessen und verklungen waren ihre einst hochgefeierten preiswürdigen Namen noch vor kurzem, nur hie und da von gelehrten Geschichtsforschern ge-
ſchaft wie in jeder Kunſt, ſich, ohne zu erröthen, neben alle gebildete Völker des Erdbodens ſtellen darf, und es ſchon ſeit Jahrhunderten durfte. Herzliche, ſonſt weniger deutlich empfundene Liebe zu deutſcher Art und Kunſt iſt unter uns erwacht, mit ihr ein rühmliches Streben Allem nachzuforſchen was die letzte dunkle undankbare Zeit mit ſich in Schutt und Trümmer hinabriß.
Dieſes Wiedererwachen zum lebendigen Gefühl unſres beſſern Daſeyns verdankten wir anfangs nur wenigen hochherzigen, talentvollen, unterrichteten Männern, deren Zahl ſich aber täglich vermehrte. Seit kaum zwanzig Jahren bieten ſie einander überall in Deutſchland zum rühmlichſten Forſchen die Hand, und der glänzendſte Erfolg lohnt ihr ſchönes ernſtes Streben. Das Niebelungen-Lied entſtieg durch ſie dem ſtaubbedeckten Dunkel in welches die Barbarei un- wiſſender Afterbildung es verſenkt hatte, und mit ihm erſtand eine große Zahl deutſcher Dichter und Min- neſänger. Vergeſſen und verklungen waren ihre einſt hochgefeierten preiswürdigen Namen noch vor kurzem, nur hie und da von gelehrten Geſchichtsforſchern ge-
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ſchaft wie in jeder Kunſt, ſich, ohne zu erröthen,
neben alle gebildete Völker des Erdbodens ſtellen
darf, und es ſchon ſeit Jahrhunderten durfte.
Herzliche, ſonſt weniger deutlich empfundene Liebe
zu deutſcher Art und Kunſt iſt unter uns erwacht,
mit ihr ein rühmliches Streben Allem nachzuforſchen
was die letzte dunkle undankbare Zeit mit ſich in
Schutt und Trümmer hinabriß.
Dieſes Wiedererwachen zum lebendigen Gefühl
unſres beſſern Daſeyns verdankten wir anfangs nur
wenigen hochherzigen, talentvollen, unterrichteten
Männern, deren Zahl ſich aber täglich vermehrte.
Seit kaum zwanzig Jahren bieten ſie einander überall
in Deutſchland zum rühmlichſten Forſchen die Hand,
und der glänzendſte Erfolg lohnt ihr ſchönes ernſtes
Streben. Das Niebelungen-Lied entſtieg durch ſie dem
ſtaubbedeckten Dunkel in welches die Barbarei un-
wiſſender Afterbildung es verſenkt hatte, und mit ihm
erſtand eine große Zahl deutſcher Dichter und Min-
neſänger. Vergeſſen und verklungen waren ihre einſt
hochgefeierten preiswürdigen Namen noch vor kurzem,
nur hie und da von gelehrten Geſchichtsforſchern ge-
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/14>, abgerufen am 23.11.2024.
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