Als ich im Frühling des Jahres 1820 nach einer langen Reihe von Jahren meine Vaterstadt wieder besuchte, eilte ich, sobald ich es konnte, auch dieses Gemälde wieder zu sehen. Wenige Tage vorher hatte ich die Genter Tafeln in Berlin aufmerksam betrachtet, im Herbste des Jahres zuvor mich in der Boissereeschen Sammlung an den Mei- sterwerken Johann van Eycks aufs neue erfreut, und alle diese Gemälde schwebten noch hell und deutlich vor meinem innern Auge. Die Ähnlichkeit des Danziger Bildes mit jenen mir unvergeßlichen, besonders mit denen in Berlin, trat mir im ersten Moment auf das bestimmteste und erfreulichste ent- gegen. Die Ueberzeugung, daß dieses Danziger Bild unter van Eycks schöpferischen Händen ent- stand, begründete sich immer fester, je öfter und je länger ich es betrachtete, und ich glaube in der That daß auch bei Andern jeder Zweifel schwinden würde, sobald man nur die Genter Tafeln in Berlin diesem Bilde gegen über stellen könnte, um sie mit einander genau zu vergleichen. Übrigens stammen diese Tafeln gewiß aus der
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Als ich im Frühling des Jahres 1820 nach einer langen Reihe von Jahren meine Vaterſtadt wieder beſuchte, eilte ich, ſobald ich es konnte, auch dieſes Gemälde wieder zu ſehen. Wenige Tage vorher hatte ich die Genter Tafeln in Berlin aufmerkſam betrachtet, im Herbſte des Jahres zuvor mich in der Boiſſeréeſchen Sammlung an den Mei- ſterwerken Johann van Eycks aufs neue erfreut, und alle dieſe Gemälde ſchwebten noch hell und deutlich vor meinem innern Auge. Die Ähnlichkeit des Danziger Bildes mit jenen mir unvergeßlichen, beſonders mit denen in Berlin, trat mir im erſten Moment auf das beſtimmteſte und erfreulichſte ent- gegen. Die Ueberzeugung, daß dieſes Danziger Bild unter van Eycks ſchöpferiſchen Händen ent- ſtand, begründete ſich immer feſter, je öfter und je länger ich es betrachtete, und ich glaube in der That daß auch bei Andern jeder Zweifel ſchwinden würde, ſobald man nur die Genter Tafeln in Berlin dieſem Bilde gegen über ſtellen könnte, um ſie mit einander genau zu vergleichen. Übrigens ſtammen dieſe Tafeln gewiß aus der
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Als ich im Frühling des Jahres 1820 nach
einer langen Reihe von Jahren meine Vaterſtadt
wieder beſuchte, eilte ich, ſobald ich es konnte,
auch dieſes Gemälde wieder zu ſehen. Wenige
Tage vorher hatte ich die Genter Tafeln in Berlin
aufmerkſam betrachtet, im Herbſte des Jahres zuvor
mich in der Boiſſeréeſchen Sammlung an den Mei-
ſterwerken Johann van Eycks aufs neue erfreut,
und alle dieſe Gemälde ſchwebten noch hell und
deutlich vor meinem innern Auge. Die Ähnlichkeit
des Danziger Bildes mit jenen mir unvergeßlichen,
beſonders mit denen in Berlin, trat mir im erſten
Moment auf das beſtimmteſte und erfreulichſte ent-
gegen. Die Ueberzeugung, daß dieſes Danziger
Bild unter van Eycks ſchöpferiſchen Händen ent-
ſtand, begründete ſich immer feſter, je öfter und
je länger ich es betrachtete, und ich glaube in
der That daß auch bei Andern jeder Zweifel
ſchwinden würde, ſobald man nur die Genter
Tafeln in Berlin dieſem Bilde gegen über ſtellen
könnte, um ſie mit einander genau zu vergleichen.
Übrigens ſtammen dieſe Tafeln gewiß aus der
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/109>, abgerufen am 25.11.2024.
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