get ja in den Worten: aus Sande Stricke dre- hen. Verlohnte es sich der Mühe, solches von dem Hanfe zu bejahen?
Der beste Redner belustiget. So einfältig ist kein Bauer, der in seiner Seele überzeuget wäre, daß man auch aus Sande Stricke machen könne. Er lacht also in seinem Herzen darüber. Delecta- tur! Bey dieser guten Gelegenheit gebe ich den neuen Rednern den wohlgemeynten und weisen Rath, in geistlichen Reden immer etwas lustiges und aufgewecktes anzubringen, damit die theolo- gischen Wahrheiten durch den trocknen und ernst- haften Vortrag die Zuhörer nicht einschläfern. Die Einwürfe, die mir viele hier machen könnten, will ich meiner deutschen ästhetischen Patholo- gie, die ich zum Nutzen der angehenden Redner und Dichter heraus zu geben, und mit schönen Exempeln zu erläutern gedenke, getreulich beant- worten.
Drittens erfodert Cicero, daß auch ein Redner bewege. Auch diese pflicht erfüllet mein Held. Der gelehrte Zuhörer wird bewegt. Warum? und wodurch? Er denket an die erasmischen Chilia- den. Der Einfältige wird beweget: denn er sie- het die Unmöglichkeit vor Augen gemalet. Man sage daher getrost: Ein Christ, der bey einem gottlosen Lebens- wandel, durch die Reinigkeit der gefaßten Glaubenslehren, den Himmel zu errin- gen sich einbildet, der thut blinde Luftstrei-
che,
Sa
get ja in den Worten: aus Sande Stricke dre- hen. Verlohnte es ſich der Muͤhe, ſolches von dem Hanfe zu bejahen?
Der beſte Redner beluſtiget. So einfaͤltig iſt kein Bauer, der in ſeiner Seele uͤberzeuget waͤre, daß man auch aus Sande Stricke machen koͤnne. Er lacht alſo in ſeinem Herzen daruͤber. Delecta- tur! Bey dieſer guten Gelegenheit gebe ich den neuen Rednern den wohlgemeynten und weiſen Rath, in geiſtlichen Reden immer etwas luſtiges und aufgewecktes anzubringen, damit die theolo- giſchen Wahrheiten durch den trocknen und ernſt- haften Vortrag die Zuhoͤrer nicht einſchlaͤfern. Die Einwuͤrfe, die mir viele hier machen koͤnnten, will ich meiner deutſchen aͤſthetiſchen Patholo- gie, die ich zum Nutzen der angehenden Redner und Dichter heraus zu geben, und mit ſchoͤnen Exempeln zu erlaͤutern gedenke, getreulich beant- worten.
Drittens erfodert Cicero, daß auch ein Redner bewege. Auch dieſe pflicht erfuͤllet mein Held. Der gelehrte Zuhoͤrer wird bewegt. Warum? und wodurch? Er denket an die eraſmiſchen Chilia- den. Der Einfaͤltige wird beweget: denn er ſie- het die Unmoͤglichkeit vor Augen gemalet. Man ſage daher getroſt: Ein Chriſt, der bey einem gottloſen Lebens- wandel, durch die Reinigkeit der gefaßten Glaubenslehren, den Himmel zu errin- gen ſich einbildet, der thut blinde Luftſtrei-
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get ja in den Worten: aus Sande Stricke dre-
hen. Verlohnte es ſich der Muͤhe, ſolches
von dem Hanfe zu bejahen?
Der beſte Redner beluſtiget. So einfaͤltig iſt
kein Bauer, der in ſeiner Seele uͤberzeuget waͤre,
daß man auch aus Sande Stricke machen koͤnne.
Er lacht alſo in ſeinem Herzen daruͤber. Delecta-
tur! Bey dieſer guten Gelegenheit gebe ich den
neuen Rednern den wohlgemeynten und weiſen
Rath, in geiſtlichen Reden immer etwas luſtiges
und aufgewecktes anzubringen, damit die theolo-
giſchen Wahrheiten durch den trocknen und ernſt-
haften Vortrag die Zuhoͤrer nicht einſchlaͤfern.
Die Einwuͤrfe, die mir viele hier machen koͤnnten,
will ich meiner deutſchen aͤſthetiſchen Patholo-
gie, die ich zum Nutzen der angehenden Redner
und Dichter heraus zu geben, und mit ſchoͤnen
Exempeln zu erlaͤutern gedenke, getreulich beant-
worten.
Drittens erfodert Cicero, daß auch ein Redner
bewege. Auch dieſe pflicht erfuͤllet mein Held. Der
gelehrte Zuhoͤrer wird bewegt. Warum? und
wodurch? Er denket an die eraſmiſchen Chilia-
den. Der Einfaͤltige wird beweget: denn er ſie-
het die Unmoͤglichkeit vor Augen gemalet. Man
ſage daher getroſt:
Ein Chriſt, der bey einem gottloſen Lebens-
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/390>, abgerufen am 22.11.2024.
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