Jedoch wir werden blinde Luftstreiche thun, die keinen Körper treffen, und aus Sande Stricke drehen, wenn wir den Beweis nicht beysetzen.
Arrige aures Pamphile! Ein harter Kunstrich- ter würde diese Periode ausstreichen. Er würde sagen, ein Luftstreich sey schon ein blinder Streich, wie ein Feldstein ein steinerner Stein. Aber du guter lieber Mann! deine Kritik ist zu zeitig. Wir wissen ja nunmehr, daß die Luft in ihrem Flusse unzählige Körper mit sich herum führet, die alle um unser Gesicht herum fließen. Ein blin- der Luftstreich ist also ein solcher Streich, der keinem von diesen herumfließenden und flaternden Körpern einiges Leid thut. Jch gestehe es gerne: diese Erklärung ist luftich. Desto körnicher ist der zweyte Ausdruck. Er kann einem Redner ge- doppelt nützen; je nachdem seine Zuhörer gelehrt, oder ungelehrt sind. Der gelehrte Zuhörer mer- ket so gleich, daß der Redner kein Fremdling in den Schriften der Alten ist. Suidas hat dieses herr- liche Sprichwort aufbehalten: ex ammou skoi- nion plekeis.
Hat der Redner einmal das Vorurtheil für sich, daß ihn der Zuhörer für einen gelehrten Mann hält: so rede er getrost in den Tag hinein. Was Hiero von dem Archimedes sagte, wird auch bey dem Redner eintreffen: man wird ihm nämlich glau- ben, er rede auch von einer Sache wie er kann und will. Dieser Glückseligkeit erfreuen sich besonders die Dichter. Man sagt z. E. Haller ist ein
großer
Sa
Jedoch wir werden blinde Luftſtreiche thun, die keinen Koͤrper treffen, und aus Sande Stricke drehen, wenn wir den Beweis nicht beyſetzen.
Arrige aures Pamphile! Ein harter Kunſtrich- ter wuͤrde dieſe Periode ausſtreichen. Er wuͤrde ſagen, ein Luftſtreich ſey ſchon ein blinder Streich, wie ein Feldſtein ein ſteinerner Stein. Aber du guter lieber Mann! deine Kritik iſt zu zeitig. Wir wiſſen ja nunmehr, daß die Luft in ihrem Fluſſe unzaͤhlige Koͤrper mit ſich herum fuͤhret, die alle um unſer Geſicht herum fließen. Ein blin- der Luftſtreich iſt alſo ein ſolcher Streich, der keinem von dieſen herumfließenden und flaternden Koͤrpern einiges Leid thut. Jch geſtehe es gerne: dieſe Erklaͤrung iſt luftich. Deſto koͤrnicher iſt der zweyte Ausdruck. Er kann einem Redner ge- doppelt nuͤtzen; je nachdem ſeine Zuhoͤrer gelehrt, oder ungelehrt ſind. Der gelehrte Zuhoͤrer mer- ket ſo gleich, daß der Redner kein Fremdling in den Schriften der Alten iſt. Suidas hat dieſes herr- liche Sprichwort aufbehalten: εξ αμμου σϰοι- νιον πλεϰεις.
Hat der Redner einmal das Vorurtheil fuͤr ſich, daß ihn der Zuhoͤrer fuͤr einen gelehrten Mann haͤlt: ſo rede er getroſt in den Tag hinein. Was Hiero von dem Archimedes ſagte, wird auch bey dem Redner eintreffen: man wird ihm naͤmlich glau- ben, er rede auch von einer Sache wie er kann und will. Dieſer Gluͤckſeligkeit erfreuen ſich beſonders die Dichter. Man ſagt z. E. Haller iſt ein
großer
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Jedoch wir werden blinde Luftſtreiche thun,
die keinen Koͤrper treffen, und aus Sande
Stricke drehen, wenn wir den Beweis nicht
beyſetzen.
Arrige aures Pamphile! Ein harter Kunſtrich-
ter wuͤrde dieſe Periode ausſtreichen. Er wuͤrde
ſagen, ein Luftſtreich ſey ſchon ein blinder Streich,
wie ein Feldſtein ein ſteinerner Stein. Aber
du guter lieber Mann! deine Kritik iſt zu zeitig.
Wir wiſſen ja nunmehr, daß die Luft in ihrem
Fluſſe unzaͤhlige Koͤrper mit ſich herum fuͤhret, die
alle um unſer Geſicht herum fließen. Ein blin-
der Luftſtreich iſt alſo ein ſolcher Streich, der keinem
von dieſen herumfließenden und flaternden
Koͤrpern einiges Leid thut. Jch geſtehe es gerne:
dieſe Erklaͤrung iſt luftich. Deſto koͤrnicher iſt
der zweyte Ausdruck. Er kann einem Redner ge-
doppelt nuͤtzen; je nachdem ſeine Zuhoͤrer gelehrt,
oder ungelehrt ſind. Der gelehrte Zuhoͤrer mer-
ket ſo gleich, daß der Redner kein Fremdling in den
Schriften der Alten iſt. Suidas hat dieſes herr-
liche Sprichwort aufbehalten: εξ αμμου σϰοι-
νιον πλεϰεις.
Hat der Redner einmal das Vorurtheil fuͤr ſich,
daß ihn der Zuhoͤrer fuͤr einen gelehrten Mann haͤlt:
ſo rede er getroſt in den Tag hinein. Was Hiero
von dem Archimedes ſagte, wird auch bey dem
Redner eintreffen: man wird ihm naͤmlich glau-
ben, er rede auch von einer Sache wie er kann und
will. Dieſer Gluͤckſeligkeit erfreuen ſich beſonders
die Dichter. Man ſagt z. E. Haller iſt ein
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/388>, abgerufen am 22.11.2024.
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