helfen? Antwort: man vermeide die bekannten Namen der Sachen; man umschreibe sie figürlich, und brauche ein Dutzend Wörter, wo man mit vie- ren auskommen könnte. Z. E. Ein Redner will in seiner heiligen Rede sagen: Lasset uns Gott um einen fruchtbaren Regen bitten. Ein Bauer, der die Nothdurft seines Ackers beherziget, würde den Redner zwar verstehen; aber deswegen ist ein Redner, der den schönen Vorsatz hat, seine Beredsamkeit auszukramen, mit einem so matten Ausdrucke nicht zufrieden. Ein solcher Mann sagt lieber: Lasset uns Gott flehentlich angehen, daß er die Dünste, welche die Sonne von der Er- de auf hebet, und in Wolken zusammen bindet, und die die Erde zur Empfängniß der Früchte bequehm machen, über uns herab schütte.
Wenn diese Periode nicht ästhetisch und malerisch ist, so weiß ich nicht, was es sonst seyn kann. Eine Sonne, die Dünste aufhebt, und in Wol- ken zusammen bindet, ist ja recht sinnlich. Eben so schön ist der Ausdruck des Herrn B-ttst-tts.
Der Mensch ist aus Staub und Asche zu- sammen gebunden.
Eine solche staubichte Materie lässet sich schwer zusammen binden: darum ist auch der Ausdruck wunderbar. Man darf solche Ausdrücke nicht gering schätzen, oder glauben, daß sie ihren Ver- fassern aus dem Aermel fallen. Ach nein! Man siehet es ihnen wohl an, daß sie mit Aengsten und
Wehen
Re
helfen? Antwort: man vermeide die bekannten Namen der Sachen; man umſchreibe ſie figuͤrlich, und brauche ein Dutzend Woͤrter, wo man mit vie- ren auskommen koͤnnte. Z. E. Ein Redner will in ſeiner heiligen Rede ſagen: Laſſet uns Gott um einen fruchtbaren Regen bitten. Ein Bauer, der die Nothdurft ſeines Ackers beherziget, wuͤrde den Redner zwar verſtehen; aber deswegen iſt ein Redner, der den ſchoͤnen Vorſatz hat, ſeine Beredſamkeit auszukramen, mit einem ſo matten Ausdrucke nicht zufrieden. Ein ſolcher Mann ſagt lieber: Laſſet uns Gott flehentlich angehen, daß er die Duͤnſte, welche die Sonne von der Er- de auf hebet, und in Wolken zuſammen bindet, und die die Erde zur Empfaͤngniß der Fruͤchte bequehm machen, uͤber uns herab ſchuͤtte.
Wenn dieſe Periode nicht aͤſthetiſch und maleriſch iſt, ſo weiß ich nicht, was es ſonſt ſeyn kann. Eine Sonne, die Duͤnſte aufhebt, und in Wol- ken zuſammen bindet, iſt ja recht ſinnlich. Eben ſo ſchoͤn iſt der Ausdruck des Herrn B-ttſt-tts.
Der Menſch iſt aus Staub und Aſche zu- ſammen gebunden.
Eine ſolche ſtaubichte Materie laͤſſet ſich ſchwer zuſammen binden: darum iſt auch der Ausdruck wunderbar. Man darf ſolche Ausdruͤcke nicht gering ſchaͤtzen, oder glauben, daß ſie ihren Ver- faſſern aus dem Aermel fallen. Ach nein! Man ſiehet es ihnen wohl an, daß ſie mit Aengſten und
Wehen
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helfen? Antwort: man vermeide die bekannten
Namen der Sachen; man umſchreibe ſie figuͤrlich,
und brauche ein Dutzend Woͤrter, wo man mit vie-
ren auskommen koͤnnte. Z. E. Ein Redner will
in ſeiner heiligen Rede ſagen: Laſſet uns Gott
um einen fruchtbaren Regen bitten. Ein
Bauer, der die Nothdurft ſeines Ackers beherziget,
wuͤrde den Redner zwar verſtehen; aber deswegen
iſt ein Redner, der den ſchoͤnen Vorſatz hat, ſeine
Beredſamkeit auszukramen, mit einem ſo matten
Ausdrucke nicht zufrieden. Ein ſolcher Mann
ſagt lieber:
Laſſet uns Gott flehentlich angehen, daß er
die Duͤnſte, welche die Sonne von der Er-
de auf hebet, und in Wolken zuſammen
bindet, und die die Erde zur Empfaͤngniß
der Fruͤchte bequehm machen, uͤber uns
herab ſchuͤtte.
Wenn dieſe Periode nicht aͤſthetiſch und maleriſch
iſt, ſo weiß ich nicht, was es ſonſt ſeyn kann.
Eine Sonne, die Duͤnſte aufhebt, und in Wol-
ken zuſammen bindet, iſt ja recht ſinnlich.
Eben ſo ſchoͤn iſt der Ausdruck des Herrn B-ttſt-tts.
Der Menſch iſt aus Staub und Aſche zu-
ſammen gebunden.
Eine ſolche ſtaubichte Materie laͤſſet ſich ſchwer
zuſammen binden: darum iſt auch der Ausdruck
wunderbar. Man darf ſolche Ausdruͤcke nicht
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/378>, abgerufen am 16.02.2025.
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