Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Fe
im Noah zu finden. 221 S. Wir zweifelten,
ob Noah dadurch seine Absicht möchte erreichet
haben, in der Arche Licht zu schaffen. Wir glaub-
ten daher, es wäre besser gewesen, gläserne
Steine
oder steinerne Gläser zu machen. Wir
befanden uns auf eine angenehme Art überra-
schet, da uns folgender Vers in die Augen fiel:

Ueber den Ramen der gläsernen Steine befe-
stigte Noah
Zottichte Felle, das Kleid der Löwen u. scheckich-
ten Tyger,
Die man in Schleifen rollt, u. wieder entwi-
ckelnd herabließ etc.

Denn sind dieß nicht natürlich unsere Vorhänge?
Beym Kleide der Löwen
befürchte ich nur, daß,
weil man doch ein Kleid ausziehet, dem Löwen
sehr ungesund seyn möchte, sich zu entkleiden.
Doch bewunderten wir das niedliche die, als wel-
ches sowohl aufgerollte Tyger als Löwen zuwege
bringen kann; ungeachtet solch ein Vorhang uns
sehr fürchterlich zu seyn scheinet. Ein großer
Dichter ist über solche Pedantereyen weit weg.

Ferne eine dunkle, oder helle Weite.

So singet
der Geist Klopstock:

Darf sich die Dichtkunst auch wohl, aus dunkler
Ferne, dir nähern? Off. St. Klopst. 3 S.

Ein gemeiner und verwöhnter Geist würde gesaget
haben: Darf auch die Dichtkunst wohl in dei-
ne Geheimnisse dringen? Dich im Himmel
und auf der Erde herumtummeln?
Allein, da
würde weder Dunkel noch Ferne gewesen seyn.

Da

Fe
im Noah zu finden. 221 S. Wir zweifelten,
ob Noah dadurch ſeine Abſicht moͤchte erreichet
haben, in der Arche Licht zu ſchaffen. Wir glaub-
ten daher, es waͤre beſſer geweſen, glaͤſerne
Steine
oder ſteinerne Glaͤſer zu machen. Wir
befanden uns auf eine angenehme Art uͤberra-
ſchet, da uns folgender Vers in die Augen fiel:

Ueber den Ramen der glaͤſernen Steine befe-
ſtigte Noah
Zottichte Felle, das Kleid der Loͤwen u. ſcheckich-
ten Tyger,
Die man in Schleifen rollt, u. wieder entwi-
ckelnd herabließ ꝛc.

Denn ſind dieß nicht natuͤrlich unſere Vorhaͤnge?
Beym Kleide der Loͤwen
befuͤrchte ich nur, daß,
weil man doch ein Kleid ausziehet, dem Loͤwen
ſehr ungeſund ſeyn moͤchte, ſich zu entkleiden.
Doch bewunderten wir das niedliche die, als wel-
ches ſowohl aufgerollte Tyger als Loͤwen zuwege
bringen kann; ungeachtet ſolch ein Vorhang uns
ſehr fuͤrchterlich zu ſeyn ſcheinet. Ein großer
Dichter iſt uͤber ſolche Pedantereyen weit weg.

Ferne eine dunkle, oder helle Weite.

So ſinget
der Geiſt Klopſtock:

Darf ſich die Dichtkunſt auch wohl, aus dunkler
Ferne, dir naͤhern? Off. St. Klopſt. 3 S.

Ein gemeiner und verwoͤhnter Geiſt wuͤrde geſaget
haben: Darf auch die Dichtkunſt wohl in dei-
ne Geheimniſſe dringen? Dich im Himmel
und auf der Erde herumtummeln?
Allein, da
wuͤrde weder Dunkel noch Ferne geweſen ſeyn.

Da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0162" n="136"/><fw place="top" type="header">Fe</fw><lb/>
im <hi rendition="#fr">Noah</hi> zu finden. 221 <hi rendition="#fr">S.</hi> Wir zweifelten,<lb/>
ob <hi rendition="#fr">Noah</hi> dadurch &#x017F;eine Ab&#x017F;icht mo&#x0364;chte erreichet<lb/>
haben, in der Arche Licht zu &#x017F;chaffen. Wir glaub-<lb/>
ten daher, es wa&#x0364;re be&#x017F;&#x017F;er gewe&#x017F;en, <hi rendition="#fr">gla&#x0364;&#x017F;erne<lb/>
Steine</hi> oder <hi rendition="#fr">&#x017F;teinerne Gla&#x0364;&#x017F;er</hi> zu machen. Wir<lb/>
befanden uns auf eine angenehme Art u&#x0364;berra-<lb/>
&#x017F;chet, da uns folgender Vers in die Augen fiel:</p><lb/>
            <cit>
              <quote>Ueber den <hi rendition="#fr">Ramen</hi> der <hi rendition="#fr">gla&#x0364;&#x017F;ernen Steine</hi> befe-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tigte <hi rendition="#fr">Noah</hi></hi><lb/>
Zottichte Felle, das <hi rendition="#fr">Kleid der Lo&#x0364;wen</hi> u. &#x017F;checkich-<lb/><hi rendition="#et">ten <hi rendition="#fr">Tyger,</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">Die man in Schleifen rollt,</hi> u. wieder <hi rendition="#fr">entwi-<lb/><hi rendition="#et">ckelnd herabließ &#xA75B;c.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Denn &#x017F;ind dieß nicht natu&#x0364;rlich un&#x017F;ere <hi rendition="#fr">Vorha&#x0364;nge?<lb/>
Beym Kleide der Lo&#x0364;wen</hi> befu&#x0364;rchte ich nur, daß,<lb/>
weil man doch <hi rendition="#fr">ein Kleid ausziehet,</hi> dem Lo&#x0364;wen<lb/>
&#x017F;ehr unge&#x017F;und &#x017F;eyn mo&#x0364;chte, &#x017F;ich zu <hi rendition="#fr">entkleiden.</hi><lb/>
Doch bewunderten wir das niedliche <hi rendition="#fr">die,</hi> als wel-<lb/>
ches &#x017F;owohl <hi rendition="#fr">aufgerollte Tyger</hi> als <hi rendition="#fr">Lo&#x0364;wen</hi> zuwege<lb/>
bringen kann; ungeachtet &#x017F;olch ein <hi rendition="#fr">Vorhang</hi> uns<lb/>
&#x017F;ehr fu&#x0364;rchterlich zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet. Ein großer<lb/>
Dichter i&#x017F;t u&#x0364;ber &#x017F;olche <hi rendition="#fr">Pedantereyen</hi> weit weg.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Ferne eine dunkle, oder helle Weite.</head>
            <p>So &#x017F;inget<lb/>
der <hi rendition="#fr">Gei&#x017F;t Klop&#x017F;tock:</hi></p><lb/>
            <cit>
              <quote>Darf &#x017F;ich die Dichtkun&#x017F;t auch wohl, aus <hi rendition="#fr">dunkler</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Ferne,</hi> dir na&#x0364;hern? <hi rendition="#fr">Off. St. Klop&#x017F;t. 3 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Ein gemeiner und verwo&#x0364;hnter Gei&#x017F;t wu&#x0364;rde ge&#x017F;aget<lb/>
haben: <hi rendition="#fr">Darf auch die Dichtkun&#x017F;t wohl in dei-<lb/>
ne Geheimni&#x017F;&#x017F;e dringen? Dich im Himmel<lb/>
und auf der Erde herumtummeln?</hi> Allein, da<lb/>
wu&#x0364;rde weder <hi rendition="#fr">Dunkel</hi> noch <hi rendition="#fr">Ferne</hi> gewe&#x017F;en &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0162] Fe im Noah zu finden. 221 S. Wir zweifelten, ob Noah dadurch ſeine Abſicht moͤchte erreichet haben, in der Arche Licht zu ſchaffen. Wir glaub- ten daher, es waͤre beſſer geweſen, glaͤſerne Steine oder ſteinerne Glaͤſer zu machen. Wir befanden uns auf eine angenehme Art uͤberra- ſchet, da uns folgender Vers in die Augen fiel: Ueber den Ramen der glaͤſernen Steine befe- ſtigte Noah Zottichte Felle, das Kleid der Loͤwen u. ſcheckich- ten Tyger, Die man in Schleifen rollt, u. wieder entwi- ckelnd herabließ ꝛc. Denn ſind dieß nicht natuͤrlich unſere Vorhaͤnge? Beym Kleide der Loͤwen befuͤrchte ich nur, daß, weil man doch ein Kleid ausziehet, dem Loͤwen ſehr ungeſund ſeyn moͤchte, ſich zu entkleiden. Doch bewunderten wir das niedliche die, als wel- ches ſowohl aufgerollte Tyger als Loͤwen zuwege bringen kann; ungeachtet ſolch ein Vorhang uns ſehr fuͤrchterlich zu ſeyn ſcheinet. Ein großer Dichter iſt uͤber ſolche Pedantereyen weit weg. Ferne eine dunkle, oder helle Weite. So ſinget der Geiſt Klopſtock: Darf ſich die Dichtkunſt auch wohl, aus dunkler Ferne, dir naͤhern? Off. St. Klopſt. 3 S. Ein gemeiner und verwoͤhnter Geiſt wuͤrde geſaget haben: Darf auch die Dichtkunſt wohl in dei- ne Geheimniſſe dringen? Dich im Himmel und auf der Erde herumtummeln? Allein, da wuͤrde weder Dunkel noch Ferne geweſen ſeyn. Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/162
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/162>, abgerufen am 18.12.2024.