Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
Bo Br
Sie, diese Liebe, war der Menschen erste Kette;
Sie macht uns bürgerlich, und sammlet uns in
Städte.
Haller, 105 S.

Sie war der Menschen erste Kette; d. h. sie
verband uns zuerst mit einander. So wird
dann ein Gefangener, der die erste Kette auf sei-
nen Füßen fühlet, mit dem Kerkermeister verbun-
den. Bewundert doch die Gelindigkeit des Rei-
mes! Wie es so reimet sich!

Bogen.

Jch wasche meine Hände in Unschuld, und
läugne, daß der Reim diesen Bogen gemachet hat.

So tobten die empörten Wogen,
Da in des Schiffs gelöstem Bogen
Jhr Schöpfer seine Macht verbirgt.
Samml. Nicol. 109 S.

Herr Tenzel wird am besten wissen, wo des Schif-
fes Bogen
sey. Ein kleiner Commentar wür-
de diesen und den folgenden Vers erklären. Ei-
ne Stütze wecken,
wollen wir schenken:

Die Kleinmuth weckt die nahe Stütze.

Jn der Angst kann man freylich einen Baum für
einen Menschen ansehen.

Breitblättricht,

also auch schmalblättricht. Hier
erkennet man recht, wie trefflich sich unsere Spra-
che zu Zeugung neuer Wörter schicket.

Nachtläufer, Hüftesohn ist nichts dagegen.
Nimrod wollte das Wasser abschlagen:

Drum nahm er etwas zum Vorwand, und ging
aus der reinlichen Leimhütt',
Die der breitblättrichte Weinstock mit schläng-
lichten Reben umarmte. Nimr. 16 S.

So
F
Bo Br
Sie, dieſe Liebe, war der Menſchen erſte Kette;
Sie macht uns buͤrgerlich, und ſammlet uns in
Staͤdte.
Haller, 105 S.

Sie war der Menſchen erſte Kette; d. h. ſie
verband uns zuerſt mit einander. So wird
dann ein Gefangener, der die erſte Kette auf ſei-
nen Fuͤßen fuͤhlet, mit dem Kerkermeiſter verbun-
den. Bewundert doch die Gelindigkeit des Rei-
mes! Wie es ſo reimet ſich!

Bogen.

Jch waſche meine Haͤnde in Unſchuld, und
laͤugne, daß der Reim dieſen Bogen gemachet hat.

So tobten die empoͤrten Wogen,
Da in des Schiffs geloͤſtem Bogen
Jhr Schoͤpfer ſeine Macht verbirgt.
Samml. Nicol. 109 S.

Herr Tenzel wird am beſten wiſſen, wo des Schif-
fes Bogen
ſey. Ein kleiner Commentar wuͤr-
de dieſen und den folgenden Vers erklaͤren. Ei-
ne Stuͤtze wecken,
wollen wir ſchenken:

Die Kleinmuth weckt die nahe Stuͤtze.

Jn der Angſt kann man freylich einen Baum fuͤr
einen Menſchen anſehen.

Breitblaͤttricht,

alſo auch ſchmalblaͤttricht. Hier
erkennet man recht, wie trefflich ſich unſere Spra-
che zu Zeugung neuer Woͤrter ſchicket.

Nachtlaͤufer, Huͤfteſohn iſt nichts dagegen.
Nimrod wollte das Waſſer abſchlagen:

Drum nahm er etwas zum Vorwand, und ging
aus der reinlichen Leimhuͤtt’,
Die der breitblaͤttrichte Weinſtock mit ſchlaͤng-
lichten Reben umarmte. Nimr. 16 S.

So
F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0107" n="81"/>
            <fw place="top" type="header">Bo Br</fw><lb/>
            <cit>
              <quote>
                <lg type="poem">
                  <l>Sie, die&#x017F;e Liebe, war der Men&#x017F;chen <hi rendition="#fr">er&#x017F;te Kette;</hi></l><lb/>
                  <l>Sie macht uns <hi rendition="#fr">bu&#x0364;rgerlich,</hi> und &#x017F;ammlet uns in<lb/><hi rendition="#et">Sta&#x0364;dte. </hi></l>
                </lg> <hi rendition="#fr">Haller, 105 S.</hi> </quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Sie war der Men&#x017F;chen er&#x017F;te Kette;</hi> d. h. &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#fr">verband uns zuer&#x017F;t mit einander.</hi> So wird<lb/>
dann ein Gefangener, der die <hi rendition="#fr">er&#x017F;te Kette</hi> auf &#x017F;ei-<lb/>
nen Fu&#x0364;ßen fu&#x0364;hlet, mit dem Kerkermei&#x017F;ter verbun-<lb/>
den. Bewundert doch die Gelindigkeit des Rei-<lb/>
mes! <hi rendition="#fr">Wie es &#x017F;o reimet &#x017F;ich!</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Bogen.</head>
            <p>Jch wa&#x017F;che meine Ha&#x0364;nde in Un&#x017F;chuld, und<lb/>
la&#x0364;ugne, daß der Reim die&#x017F;en <hi rendition="#fr">Bogen</hi> gemachet hat.</p><lb/>
            <cit>
              <quote>
                <lg type="poem">
                  <l>So tobten die empo&#x0364;rten Wogen,</l><lb/>
                  <l>Da in des Schiffs <hi rendition="#fr">gelo&#x0364;&#x017F;tem Bogen</hi></l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#fr">Jhr Scho&#x0364;pfer &#x017F;eine Macht verbirgt.</hi> </l>
                </lg><lb/> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Samml. Nicol. 109 S.</hi> </hi> </quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Herr <hi rendition="#fr">Tenzel</hi> wird am be&#x017F;ten wi&#x017F;&#x017F;en, wo des <hi rendition="#fr">Schif-<lb/>
fes Bogen</hi> &#x017F;ey. Ein kleiner <hi rendition="#fr">Commentar</hi> wu&#x0364;r-<lb/>
de die&#x017F;en und den folgenden Vers erkla&#x0364;ren. <hi rendition="#fr">Ei-<lb/>
ne Stu&#x0364;tze wecken,</hi> wollen wir &#x017F;chenken:</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#c">Die Kleinmuth <hi rendition="#fr">weckt</hi> die nahe <hi rendition="#fr">Stu&#x0364;tze.</hi></hi> </p><lb/>
            <p>Jn der Ang&#x017F;t kann man freylich einen <hi rendition="#fr">Baum</hi> fu&#x0364;r<lb/>
einen <hi rendition="#fr">Men&#x017F;chen</hi> an&#x017F;ehen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Breitbla&#x0364;ttricht,</head>
            <p>al&#x017F;o auch <hi rendition="#fr">&#x017F;chmalbla&#x0364;ttricht.</hi> Hier<lb/>
erkennet man recht, wie trefflich &#x017F;ich un&#x017F;ere Spra-<lb/>
che zu Zeugung neuer Wo&#x0364;rter &#x017F;chicket.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Nachtla&#x0364;ufer, Hu&#x0364;fte&#x017F;ohn</hi> i&#x017F;t nichts dagegen.<lb/><hi rendition="#fr">Nimrod</hi> wollte das Wa&#x017F;&#x017F;er ab&#x017F;chlagen:</p><lb/>
            <cit>
              <quote>Drum nahm er etwas zum Vorwand, und ging<lb/><hi rendition="#et">aus der reinlichen <hi rendition="#fr">Leimhu&#x0364;tt&#x2019;,</hi></hi><lb/>
Die der <hi rendition="#fr">breitbla&#x0364;ttrichte</hi> Wein&#x017F;tock mit <hi rendition="#fr">&#x017F;chla&#x0364;ng-</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">lichten</hi> Reben umarmte. <hi rendition="#fr">Nimr. 16 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">F</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0107] Bo Br Sie, dieſe Liebe, war der Menſchen erſte Kette; Sie macht uns buͤrgerlich, und ſammlet uns in Staͤdte. Haller, 105 S. Sie war der Menſchen erſte Kette; d. h. ſie verband uns zuerſt mit einander. So wird dann ein Gefangener, der die erſte Kette auf ſei- nen Fuͤßen fuͤhlet, mit dem Kerkermeiſter verbun- den. Bewundert doch die Gelindigkeit des Rei- mes! Wie es ſo reimet ſich! Bogen. Jch waſche meine Haͤnde in Unſchuld, und laͤugne, daß der Reim dieſen Bogen gemachet hat. So tobten die empoͤrten Wogen, Da in des Schiffs geloͤſtem Bogen Jhr Schoͤpfer ſeine Macht verbirgt. Samml. Nicol. 109 S. Herr Tenzel wird am beſten wiſſen, wo des Schif- fes Bogen ſey. Ein kleiner Commentar wuͤr- de dieſen und den folgenden Vers erklaͤren. Ei- ne Stuͤtze wecken, wollen wir ſchenken: Die Kleinmuth weckt die nahe Stuͤtze. Jn der Angſt kann man freylich einen Baum fuͤr einen Menſchen anſehen. Breitblaͤttricht, alſo auch ſchmalblaͤttricht. Hier erkennet man recht, wie trefflich ſich unſere Spra- che zu Zeugung neuer Woͤrter ſchicket. Nachtlaͤufer, Huͤfteſohn iſt nichts dagegen. Nimrod wollte das Waſſer abſchlagen: Drum nahm er etwas zum Vorwand, und ging aus der reinlichen Leimhuͤtt’, Die der breitblaͤttrichte Weinſtock mit ſchlaͤng- lichten Reben umarmte. Nimr. 16 S. So F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/107
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/107>, abgerufen am 13.05.2024.