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Schnitzler, Arthur: Traumnovelle. Berlin, 1926.

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er seine Arztenstasche in der Hand trug, als er aus dem Haustor trat; so würde man ihn wohl nicht für einen Bewohner dieses Hotels halten, sondern für eine Amtsperson. Mit Nachtigall war es also vorderhand nichts. Man war recht vorsichtig gewesen und hatte wohl allen Anlaß dazu.

Nun fuhr er zur Maskenverleihanstalt. Herr Gibiser öffnete selbst. "Hier bringe ich das entliehene Kostüm zurück", sagte Fridolin, "und wünsche meine Schuld zu begleichen." Herr Gibiser nannte einen mäßigen Betrag, nahm das Geld in Empfang, machte eine Eintragung in ein großes Geschäftsbuch und sah vom Bürotisch einigermaßen verwundert zu Fridolin auf, der keine Miene machte, sich zu entfernen.

"Ich bin ferner hier," sagte Fridolin im Ton eines Untersuchungsrichters, "um ein Wort wegen ihres Fräulein Tochter mit Ihnen zu reden."

Irgend etwas zuckte um die Nasenflügel des Herrn Gibiser; - Unbehagen, Spott oder Ärger, es war nicht recht zu entscheiden.

"Wie meinen der Herr?" fragte er in einem gleichfalls völlig unbestimmbaren Ton.

"Sie bemerkten gestern," sagte Fridolin, die eine Hand mit gespreizten Fingern auf den Bürotisch gestützt, "daß Ihr Fräulein Tochter geistig nicht ganz normal sei. Die Situation, in der wir sie betrafen, legte diese Vermutung tatsächlich nahe. Und da mich

er seine Arztenstasche in der Hand trug, als er aus dem Haustor trat; so würde man ihn wohl nicht für einen Bewohner dieses Hotels halten, sondern für eine Amtsperson. Mit Nachtigall war es also vorderhand nichts. Man war recht vorsichtig gewesen und hatte wohl allen Anlaß dazu.

Nun fuhr er zur Maskenverleihanstalt. Herr Gibiser öffnete selbst. „Hier bringe ich das entliehene Kostüm zurück“, sagte Fridolin, „und wünsche meine Schuld zu begleichen.“ Herr Gibiser nannte einen mäßigen Betrag, nahm das Geld in Empfang, machte eine Eintragung in ein großes Geschäftsbuch und sah vom Bürotisch einigermaßen verwundert zu Fridolin auf, der keine Miene machte, sich zu entfernen.

„Ich bin ferner hier,“ sagte Fridolin im Ton eines Untersuchungsrichters, „um ein Wort wegen ihres Fräulein Tochter mit Ihnen zu reden.“

Irgend etwas zuckte um die Nasenflügel des Herrn Gibiser; – Unbehagen, Spott oder Ärger, es war nicht recht zu entscheiden.

„Wie meinen der Herr?“ fragte er in einem gleichfalls völlig unbestimmbaren Ton.

„Sie bemerkten gestern,“ sagte Fridolin, die eine Hand mit gespreizten Fingern auf den Bürotisch gestützt, „daß Ihr Fräulein Tochter geistig nicht ganz normal sei. Die Situation, in der wir sie betrafen, legte diese Vermutung tatsächlich nahe. Und da mich

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[96/0098] er seine Arztenstasche in der Hand trug, als er aus dem Haustor trat; so würde man ihn wohl nicht für einen Bewohner dieses Hotels halten, sondern für eine Amtsperson. Mit Nachtigall war es also vorderhand nichts. Man war recht vorsichtig gewesen und hatte wohl allen Anlaß dazu. Nun fuhr er zur Maskenverleihanstalt. Herr Gibiser öffnete selbst. „Hier bringe ich das entliehene Kostüm zurück“, sagte Fridolin, „und wünsche meine Schuld zu begleichen.“ Herr Gibiser nannte einen mäßigen Betrag, nahm das Geld in Empfang, machte eine Eintragung in ein großes Geschäftsbuch und sah vom Bürotisch einigermaßen verwundert zu Fridolin auf, der keine Miene machte, sich zu entfernen. „Ich bin ferner hier,“ sagte Fridolin im Ton eines Untersuchungsrichters, „um ein Wort wegen ihres Fräulein Tochter mit Ihnen zu reden.“ Irgend etwas zuckte um die Nasenflügel des Herrn Gibiser; – Unbehagen, Spott oder Ärger, es war nicht recht zu entscheiden. „Wie meinen der Herr?“ fragte er in einem gleichfalls völlig unbestimmbaren Ton. „Sie bemerkten gestern,“ sagte Fridolin, die eine Hand mit gespreizten Fingern auf den Bürotisch gestützt, „daß Ihr Fräulein Tochter geistig nicht ganz normal sei. Die Situation, in der wir sie betrafen, legte diese Vermutung tatsächlich nahe. Und da mich

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Zitationshilfe: Schnitzler, Arthur: Traumnovelle. Berlin, 1926, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_traumnovelle_1926/98>, abgerufen am 27.04.2024.