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Schnitzler, Arthur: Traumnovelle. Berlin, 1926.

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heraufklingen gehört hatte. "Also das warst du?" rief er aus.

"Wer denn als ich?" lachte Nachtigall.

Fridolin nickte. Natürlich, - dieser eigentümlich energische Anschlag, diese sonderbaren, etwas willkürlichen aber wohlklingenden Harmonien der linken Hand waren ihm ja gleich so bekannt vorgekommen. "Also du hast dich ganz darauf verlegt?" meinte er. Er erinnerte sich, daß Nachtigall das Studium der Medizin schon nach der zweiten, sogar geglückten, wenn auch mit siebenjähriger Verspätung abgelegten Vorprüfung in Zoologie, endgültig aufgegeben hatte. Doch noch durch geraume Zeit hatte er sich in Krankenhaus, Seziersaal, Laboratorien und Hörsälen herumgetrieben, wo er mit seinem blonden Künstlerkopf, seinem stets zerknitterten Kragen, der flatternden, einst weiß gewesenen Krawatte eine auffallende, im heiteren Sinn populäre und nicht nur bei Kollegen, sondern auch bei manchen Professoren geradezu beliebte Figur vorgestellt hatte. Sohn eines jüdischen Branntweinschenkers in einem polnischen Nest war er seinerzeit aus der Heimat nach Wien gekommen, um Medizin zu studieren. Die geringfügigen elterlichen Unterstützungen waren von Anfang an kaum der Rede wert gewesen und überdies bald gänzlich eingestellt worden, was ihn nicht hinderte, auch weiterhin im Riedhof an einem Stammtisch von

heraufklingen gehört hatte. „Also das warst du?“ rief er aus.

„Wer denn als ich?“ lachte Nachtigall.

Fridolin nickte. Natürlich, – dieser eigentümlich energische Anschlag, diese sonderbaren, etwas willkürlichen aber wohlklingenden Harmonien der linken Hand waren ihm ja gleich so bekannt vorgekommen. „Also du hast dich ganz darauf verlegt?“ meinte er. Er erinnerte sich, daß Nachtigall das Studium der Medizin schon nach der zweiten, sogar geglückten, wenn auch mit siebenjähriger Verspätung abgelegten Vorprüfung in Zoologie, endgültig aufgegeben hatte. Doch noch durch geraume Zeit hatte er sich in Krankenhaus, Seziersaal, Laboratorien und Hörsälen herumgetrieben, wo er mit seinem blonden Künstlerkopf, seinem stets zerknitterten Kragen, der flatternden, einst weiß gewesenen Krawatte eine auffallende, im heiteren Sinn populäre und nicht nur bei Kollegen, sondern auch bei manchen Professoren geradezu beliebte Figur vorgestellt hatte. Sohn eines jüdischen Branntweinschenkers in einem polnischen Nest war er seinerzeit aus der Heimat nach Wien gekommen, um Medizin zu studieren. Die geringfügigen elterlichen Unterstützungen waren von Anfang an kaum der Rede wert gewesen und überdies bald gänzlich eingestellt worden, was ihn nicht hinderte, auch weiterhin im Riedhof an einem Stammtisch von

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[39/0041] heraufklingen gehört hatte. „Also das warst du?“ rief er aus. „Wer denn als ich?“ lachte Nachtigall. Fridolin nickte. Natürlich, – dieser eigentümlich energische Anschlag, diese sonderbaren, etwas willkürlichen aber wohlklingenden Harmonien der linken Hand waren ihm ja gleich so bekannt vorgekommen. „Also du hast dich ganz darauf verlegt?“ meinte er. Er erinnerte sich, daß Nachtigall das Studium der Medizin schon nach der zweiten, sogar geglückten, wenn auch mit siebenjähriger Verspätung abgelegten Vorprüfung in Zoologie, endgültig aufgegeben hatte. Doch noch durch geraume Zeit hatte er sich in Krankenhaus, Seziersaal, Laboratorien und Hörsälen herumgetrieben, wo er mit seinem blonden Künstlerkopf, seinem stets zerknitterten Kragen, der flatternden, einst weiß gewesenen Krawatte eine auffallende, im heiteren Sinn populäre und nicht nur bei Kollegen, sondern auch bei manchen Professoren geradezu beliebte Figur vorgestellt hatte. Sohn eines jüdischen Branntweinschenkers in einem polnischen Nest war er seinerzeit aus der Heimat nach Wien gekommen, um Medizin zu studieren. Die geringfügigen elterlichen Unterstützungen waren von Anfang an kaum der Rede wert gewesen und überdies bald gänzlich eingestellt worden, was ihn nicht hinderte, auch weiterhin im Riedhof an einem Stammtisch von

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Zitationshilfe: Schnitzler, Arthur: Traumnovelle. Berlin, 1926, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_traumnovelle_1926/41>, abgerufen am 20.04.2024.