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Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893.

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Neues war, wer weiß, ob wir an einander nicht achtlos vor-
übergegangen wären? ... Oh, schüttle den Kopf nicht, Ana-
tol; es ist so, und Du selbst hast es einmal gesagt --
Anatol. Ich selbst --?
Emilie. Vielleicht ist es gut so, so sprachst Du, und wir
mußten Beide erst reif werden für diese Höhe der Leidenschaft!
Anatol. Ja, ... wir haben immer irgend einen Trost
solcher Art bereit, wenn wir eine Gefallene lieben.
Emilie. Dieser Rubin, ich bin ganz offen mit Dir, be-
deutet die Erinnerung an den Tag ...
Anatol ... So sag's, ... sag's ...
Emilie. -- Du weißt es schon ... ja ... Anatol ...
die Erinnerung an jenen Tag ... Ach, ... ich war ein
dummes Ding ... sechzehn Jahre!
Anatol. Und er zwanzig -- und groß und schwarz! ...
Emilie. (unschuldig). Ich weiß es nicht mehr, mein Ge-
liebter ... Nur an den Wald erinnere ich mich, der uns
umrauschte, an den Frühlingstag, der über den Bäumen
lachte ... ach, an einen Sonnenstrahl erinnere ich mich, der
zwischen dem Gesträuche hervorkam und über einen Haufen
gelber Blumen glitzerte --
Anatol. Und Du verfluchst diesen Tag nicht, der Dich
mir nahm, bevor ich dich kannte?
Emilie. Vielleicht gab er mich Dir ...!
Nein, Anatol ... wie immer es sei, ich fluche jenem Tage
nicht, und verschmähe auch. Dir vorzulügen, daß ich es jemals
that ... Anatol, daß ich Dich liebe, wie keinen je --
und so wie Du nie geliebt worden -- Du weißt es ja ...
Neues war, wer weiß, ob wir an einander nicht achtlos vor-
übergegangen wären? … Oh, ſchüttle den Kopf nicht, Ana-
tol; es iſt ſo, und Du ſelbſt haſt es einmal geſagt —
Anatol. Ich ſelbſt —?
Emilie. Vielleicht iſt es gut ſo, ſo ſprachſt Du, und wir
mußten Beide erſt reif werden für dieſe Höhe der Leidenſchaft!
Anatol. Ja, … wir haben immer irgend einen Troſt
ſolcher Art bereit, wenn wir eine Gefallene lieben.
Emilie. Dieſer Rubin, ich bin ganz offen mit Dir, be-
deutet die Erinnerung an den Tag …
Anatol … So ſag’s, … ſag’s …
Emilie. — Du weißt es ſchon … ja … Anatol …
die Erinnerung an jenen Tag … Ach, … ich war ein
dummes Ding … ſechzehn Jahre!
Anatol. Und er zwanzig — und groß und ſchwarz! …
Emilie. (unſchuldig). Ich weiß es nicht mehr, mein Ge-
liebter … Nur an den Wald erinnere ich mich, der uns
umrauſchte, an den Frühlingstag, der über den Bäumen
lachte … ach, an einen Sonnenſtrahl erinnere ich mich, der
zwiſchen dem Geſträuche hervorkam und über einen Haufen
gelber Blumen glitzerte —
Anatol. Und Du verfluchſt dieſen Tag nicht, der Dich
mir nahm, bevor ich dich kannte?
Emilie. Vielleicht gab er mich Dir …!
Nein, Anatol … wie immer es ſei, ich fluche jenem Tage
nicht, und verſchmähe auch. Dir vorzulügen, daß ich es jemals
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[71/0081] Neues war, wer weiß, ob wir an einander nicht achtlos vor- übergegangen wären? … Oh, ſchüttle den Kopf nicht, Ana- tol; es iſt ſo, und Du ſelbſt haſt es einmal geſagt — Anatol. Ich ſelbſt —? Emilie. Vielleicht iſt es gut ſo, ſo ſprachſt Du, und wir mußten Beide erſt reif werden für dieſe Höhe der Leidenſchaft! Anatol. Ja, … wir haben immer irgend einen Troſt ſolcher Art bereit, wenn wir eine Gefallene lieben. Emilie. Dieſer Rubin, ich bin ganz offen mit Dir, be- deutet die Erinnerung an den Tag … Anatol … So ſag’s, … ſag’s … Emilie. — Du weißt es ſchon … ja … Anatol … die Erinnerung an jenen Tag … Ach, … ich war ein dummes Ding … ſechzehn Jahre! Anatol. Und er zwanzig — und groß und ſchwarz! … Emilie. (unſchuldig). Ich weiß es nicht mehr, mein Ge- liebter … Nur an den Wald erinnere ich mich, der uns umrauſchte, an den Frühlingstag, der über den Bäumen lachte … ach, an einen Sonnenſtrahl erinnere ich mich, der zwiſchen dem Geſträuche hervorkam und über einen Haufen gelber Blumen glitzerte — Anatol. Und Du verfluchſt dieſen Tag nicht, der Dich mir nahm, bevor ich dich kannte? Emilie. Vielleicht gab er mich Dir …! Nein, Anatol … wie immer es ſei, ich fluche jenem Tage nicht, und verſchmähe auch. Dir vorzulügen, daß ich es jemals that … Anatol, daß ich Dich liebe, wie keinen je — und ſo wie Du nie geliebt worden — Du weißt es ja …

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Zitationshilfe: Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_anatol_1893/81>, abgerufen am 02.05.2024.