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Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893.

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Anatol. Weil die Geschichte so gewöhnlich ist, als nur
möglich ... Es ist ... nichts. Du kannst das Schöne
gar nicht herausempfinden. Das Geheimniß der ganzen Sache
ist, daß ich's erlebt habe.
Max. Nun --?
Anatol. Also da sitze ich vor meinem Clavier ... In
dem kleinen Zimmer war es, das ich damals bewohnte ...
Abend ... Ich kenne sie seit zwei Stunden ... Meine
grün-rothe Ampel brennt -- ich erwähne die grün-rothe Ampel;
sie gehört auch dazu.
Max. Nun?
Anatol. Nun! Also ich am Clavier. Sie -- zu meinen
Füßen, so daß ich das Pedal nicht greifen konnte. Ihr Kopf
liegt in meinem Schooß, und ihre verwirrten Haare funkeln
grün und roth von der Ampel. Ich phantasire auf dem
Flügel, aber nur mit der linken Hand; meine rechte hat sie
an ihre Lippen gedrückt ...
Max. Nun?
Anatol. Immer mit Deinem erwartungsvollen "Nun" ...
Es ist eigentlich nichts weiter ... Ich kenne sie also seit
zwei Stunden, ich weiß auch, daß ich sie nach dem heutigen
Abend wahrscheinlich niemals wieder sehen werde -- das hat
sie mir gesagt -- und dabei fühle ich, daß ich in diesem
Augenblick wahnsinnig geliebt werde. Das hüllt mich so ganz
ein -- die ganze Luft war trunken und duftete von dieser
Liebe ... Verstehst Du mich? (Max nickt.) -- Und ich hatte
wieder diesen thörichten göttlichen Gedanken: Du armes, --
armes Kind! Das Episodenhafte der Geschichte kam mir so
Anatol. Weil die Geſchichte ſo gewöhnlich iſt, als nur
möglich … Es iſt … nichts. Du kannſt das Schöne
gar nicht herausempfinden. Das Geheimniß der ganzen Sache
iſt, daß ich’s erlebt habe.
Max. Nun —?
Anatol. Alſo da ſitze ich vor meinem Clavier … In
dem kleinen Zimmer war es, das ich damals bewohnte …
Abend … Ich kenne ſie ſeit zwei Stunden … Meine
grün-rothe Ampel brennt — ich erwähne die grün-rothe Ampel;
ſie gehört auch dazu.
Max. Nun?
Anatol. Nun! Alſo ich am Clavier. Sie — zu meinen
Füßen, ſo daß ich das Pedal nicht greifen konnte. Ihr Kopf
liegt in meinem Schooß, und ihre verwirrten Haare funkeln
grün und roth von der Ampel. Ich phantaſire auf dem
Flügel, aber nur mit der linken Hand; meine rechte hat ſie
an ihre Lippen gedrückt …
Max. Nun?
Anatol. Immer mit Deinem erwartungsvollen „Nun“ …
Es iſt eigentlich nichts weiter … Ich kenne ſie alſo ſeit
zwei Stunden, ich weiß auch, daß ich ſie nach dem heutigen
Abend wahrſcheinlich niemals wieder ſehen werde — das hat
ſie mir geſagt — und dabei fühle ich, daß ich in dieſem
Augenblick wahnſinnig geliebt werde. Das hüllt mich ſo ganz
ein — die ganze Luft war trunken und duftete von dieſer
Liebe … Verſtehſt Du mich? (Max nickt.) — Und ich hatte
wieder dieſen thörichten göttlichen Gedanken: Du armes, —
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[53/0063] Anatol. Weil die Geſchichte ſo gewöhnlich iſt, als nur möglich … Es iſt … nichts. Du kannſt das Schöne gar nicht herausempfinden. Das Geheimniß der ganzen Sache iſt, daß ich’s erlebt habe. Max. Nun —? Anatol. Alſo da ſitze ich vor meinem Clavier … In dem kleinen Zimmer war es, das ich damals bewohnte … Abend … Ich kenne ſie ſeit zwei Stunden … Meine grün-rothe Ampel brennt — ich erwähne die grün-rothe Ampel; ſie gehört auch dazu. Max. Nun? Anatol. Nun! Alſo ich am Clavier. Sie — zu meinen Füßen, ſo daß ich das Pedal nicht greifen konnte. Ihr Kopf liegt in meinem Schooß, und ihre verwirrten Haare funkeln grün und roth von der Ampel. Ich phantaſire auf dem Flügel, aber nur mit der linken Hand; meine rechte hat ſie an ihre Lippen gedrückt … Max. Nun? Anatol. Immer mit Deinem erwartungsvollen „Nun“ … Es iſt eigentlich nichts weiter … Ich kenne ſie alſo ſeit zwei Stunden, ich weiß auch, daß ich ſie nach dem heutigen Abend wahrſcheinlich niemals wieder ſehen werde — das hat ſie mir geſagt — und dabei fühle ich, daß ich in dieſem Augenblick wahnſinnig geliebt werde. Das hüllt mich ſo ganz ein — die ganze Luft war trunken und duftete von dieſer Liebe … Verſtehſt Du mich?(Max nickt.) — Und ich hatte wieder dieſen thörichten göttlichen Gedanken: Du armes, — armes Kind! Das Epiſodenhafte der Geſchichte kam mir ſo

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Zitationshilfe: Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_anatol_1893/63>, abgerufen am 01.05.2024.