Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893. Max. Dämmerig ... stimmungsvoll ... ich vergegen- wärtige mir. Anatol. In diesem Zimmer sie ... und irgend ein Anderer. Max. Ja, wie sollte sie da hinein gekommen sein? Anatol. Ich will das vorläufig offen lassen. Es giebt ja Vorwände ... Genug! So etwas kann vorkommen. Nun -- ein Paar Gläser Rheinwein ... eine eigenthümlich schwüle Luft, die über dem Ganzen lastet, ein Duft von Ci- garetten, parfumirten Tapeten, ein Lichtschein von einem matten Glasluster und rothe Vorhänge -- Einsamkeit -- Stille -- nur Flüstern von süßen Worten ... Max ...! Anatol. Auch Andere sind da schon erlegen! Bessere, ruhigere als sie! Max. Nun ja, nur kann ich es mit dem Begriffe der Treue noch immer nicht vereinbar finden, daß man sich mit einem Andern in solch' ein Gemach begiebt. Anatol. Es giebt so räthselhafte Dinge ... Max. Nun, mein Freund, Du hast die Lösung eines jener Räthsel, über das sich die geistreichsten Männer den Kopf zerbrochen, vor Dir; Du brauchst nur zu sprechen, und Du weißt Alles, was Du wissen willst. Eine Frage -- und Du erfährst, ob Du Einer von den Wenigen bist, die allein geliebt werden, kannst erfahren, wo Dein Nebenbuhler ist, erfahren, wodurch ihm der Sieg über Dich gelungen, -- und Du sprichst dieses Wort nicht aus! -- Du hast eine Frage frei an das Schicksal! Du stellst sie nicht! Tage und Nächte Max. Dämmerig … ſtimmungsvoll … ich vergegen- wärtige mir. Anatol. In dieſem Zimmer ſie … und irgend ein Anderer. Max. Ja, wie ſollte ſie da hinein gekommen ſein? Anatol. Ich will das vorläufig offen laſſen. Es giebt ja Vorwände … Genug! So etwas kann vorkommen. Nun — ein Paar Gläſer Rheinwein … eine eigenthümlich ſchwüle Luft, die über dem Ganzen laſtet, ein Duft von Ci- garetten, parfumirten Tapeten, ein Lichtſchein von einem matten Glasluſter und rothe Vorhänge — Einſamkeit — Stille — nur Flüſtern von ſüßen Worten … Max …! Anatol. Auch Andere ſind da ſchon erlegen! Beſſere, ruhigere als ſie! Max. Nun ja, nur kann ich es mit dem Begriffe der Treue noch immer nicht vereinbar finden, daß man ſich mit einem Andern in ſolch’ ein Gemach begiebt. Anatol. Es giebt ſo räthſelhafte Dinge … Max. Nun, mein Freund, Du haſt die Löſung eines jener Räthſel, über das ſich die geiſtreichſten Männer den Kopf zerbrochen, vor Dir; Du brauchſt nur zu ſprechen, und Du weißt Alles, was Du wiſſen willſt. Eine Frage — und Du erfährſt, ob Du Einer von den Wenigen biſt, die allein geliebt werden, kannſt erfahren, wo Dein Nebenbuhler iſt, erfahren, wodurch ihm der Sieg über Dich gelungen, — und Du ſprichſt dieſes Wort nicht aus! — Du haſt eine Frage frei an das Schickſal! Du ſtellſt ſie nicht! Tage und Nächte <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0033" n="23"/> <sp who="#MAX"> <speaker> <hi rendition="#b">Max.</hi> </speaker> <p>Dämmerig … ſtimmungsvoll … ich vergegen-<lb/> wärtige mir.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>In dieſem Zimmer ſie … und irgend ein<lb/> Anderer.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAX"> <speaker> <hi rendition="#b">Max.</hi> </speaker> <p>Ja, wie ſollte ſie da hinein gekommen ſein?</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Ich will das vorläufig offen laſſen. Es giebt<lb/> ja Vorwände … Genug! So etwas kann vorkommen.<lb/> Nun — ein Paar Gläſer Rheinwein … eine eigenthümlich<lb/> ſchwüle Luft, die über dem Ganzen laſtet, ein Duft von Ci-<lb/> garetten, parfumirten Tapeten, ein Lichtſchein von einem<lb/> matten Glasluſter und rothe Vorhänge — Einſamkeit —<lb/> Stille — nur Flüſtern von ſüßen Worten …</p> </sp><lb/> <sp who="#MAX"> <speaker> <hi rendition="#b">Max</hi> </speaker> <p>…!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Auch Andere ſind da ſchon erlegen! Beſſere,<lb/> ruhigere als ſie!</p> </sp><lb/> <sp who="#MAX"> <speaker> <hi rendition="#b">Max.</hi> </speaker> <p>Nun ja, nur kann ich es mit dem Begriffe der<lb/> Treue noch immer nicht vereinbar finden, daß man ſich mit<lb/> einem Andern in ſolch’ ein Gemach begiebt.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Es giebt ſo räthſelhafte Dinge …</p> </sp><lb/> <sp who="#MAX"> <speaker> <hi rendition="#b">Max.</hi> </speaker> <p>Nun, mein Freund, Du haſt die Löſung eines<lb/> jener Räthſel, über das ſich die geiſtreichſten Männer den<lb/> Kopf zerbrochen, vor Dir; Du brauchſt nur zu ſprechen, und<lb/> Du weißt Alles, was Du wiſſen willſt. Eine Frage — und<lb/> Du erfährſt, ob Du Einer von den Wenigen biſt, die <hi rendition="#g">allein</hi><lb/> geliebt werden, kannſt erfahren, wo Dein Nebenbuhler iſt,<lb/> erfahren, wodurch ihm der Sieg über Dich gelungen, — und<lb/> Du ſprichſt dieſes Wort nicht aus! — Du haſt eine Frage<lb/> frei an das Schickſal! Du ſtellſt ſie nicht! Tage und Nächte<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0033]
Max. Dämmerig … ſtimmungsvoll … ich vergegen-
wärtige mir.
Anatol. In dieſem Zimmer ſie … und irgend ein
Anderer.
Max. Ja, wie ſollte ſie da hinein gekommen ſein?
Anatol. Ich will das vorläufig offen laſſen. Es giebt
ja Vorwände … Genug! So etwas kann vorkommen.
Nun — ein Paar Gläſer Rheinwein … eine eigenthümlich
ſchwüle Luft, die über dem Ganzen laſtet, ein Duft von Ci-
garetten, parfumirten Tapeten, ein Lichtſchein von einem
matten Glasluſter und rothe Vorhänge — Einſamkeit —
Stille — nur Flüſtern von ſüßen Worten …
Max …!
Anatol. Auch Andere ſind da ſchon erlegen! Beſſere,
ruhigere als ſie!
Max. Nun ja, nur kann ich es mit dem Begriffe der
Treue noch immer nicht vereinbar finden, daß man ſich mit
einem Andern in ſolch’ ein Gemach begiebt.
Anatol. Es giebt ſo räthſelhafte Dinge …
Max. Nun, mein Freund, Du haſt die Löſung eines
jener Räthſel, über das ſich die geiſtreichſten Männer den
Kopf zerbrochen, vor Dir; Du brauchſt nur zu ſprechen, und
Du weißt Alles, was Du wiſſen willſt. Eine Frage — und
Du erfährſt, ob Du Einer von den Wenigen biſt, die allein
geliebt werden, kannſt erfahren, wo Dein Nebenbuhler iſt,
erfahren, wodurch ihm der Sieg über Dich gelungen, — und
Du ſprichſt dieſes Wort nicht aus! — Du haſt eine Frage
frei an das Schickſal! Du ſtellſt ſie nicht! Tage und Nächte
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